Thom-Raum

Thom-Raum

Der Thom-Raum oder Thom-Komplex, benannt nach René Thom, ist in der algebraischen Topologie und Differentialtopologie ein einem Vektorbündel zugeordneter topologischer Raum.

Ein k-dimensionales reelles Vektorbündel E über einem parakompakten Raum B sei durch

p:E \to B

gegeben. Dann ist für jeden Punkt b der Basis B die Faser Fb des Vektorbündels ein k-dimensionaler reeller Vektorraum. Ein zugehöriges Sphären-Bündel Sph(E) → B kann durch separate 1 Punkt-Kompaktifizierung jeder Faser gebildet werden. Aus dem Bündel Sph(E) erhält man den Thom-Komplex T(E) indem alle neu hinzugefügten Punkte mit dem Punkt \infty identifiziert werden, dem Basispunkt von T(E).

Die Bedeutung dieser Konstruktion ergibt sich aus folgendem Satz aus der Kohomologie der Faserbündel (hier in Z2 Kohomologie formuliert, um Komplikationen aus Orientierbarkeitsfragen zu vermeiden).

B, E, und p seien wie oben definiert. Dann gibt es einen Isomorphismus, den Thom-Isomorphismus

\Phi \colon H^i(B; \mathbf{Z}_2) \to \tilde{H}^{i+k}(T(E); \mathbf{Z}_2),

für alle i größer oder gleich 0, wobei die rechte Seite die reduzierte Kohomologie ist.

Der Satz lässt sich geometrisch so interpretieren: Da E ein Vektorbündel ist, ist es auch eine Retraktion auf den Basisraumis B. Der Satz drückt aus, dass in gewisser Weise auch die Kohomologiegruppen von E zu denen von B äquivalent sind.

Der Satz wurde von René Thom in seiner Dissertation 1952 bewiesen. Er gab auch eine explizite Konstruktion des Thom-Isomorphismus. Dieser bildet das neutrale Element von H*(B) auf eine Klasse U in der k-ten Kohomologiegruppe des Thom-Raumes ab, die Thom-Klasse. Damit kann man für eine Kohomologieklasse b in der Kohomologie des Basisraums den Isomorphismus über den Rückzug der Bündel-Projektion und das kohomologische Cup-Produkt berechnen:

\Phi(b) = p^*(b) \smile U.

Thom zeigte in seiner Arbeit von 1954 weiter, dass die Thom-Klasse, die Stiefel-Whitney-Klassen und die Steenrod-Operationen miteinander verbunden sind. Weiter zeigte er, dass die Kobordismengruppen als Homotopiegruppen bestimmter Räume MSO(n) berechnet werden können, die selbst als Thom-Räume konstruiert werden können. Sie bilden im Sinne der Homotopietheorie ein Spektrum MSO, genannt Thom-Spektrum. Das war ein wichtiger Schritt zur modernen stabilen Homotopietheorie.

Falls Steenrod-Operationen definiert werden können, kann man mit ihnen und dem Isomorphismus Stiefel-Whitney-Klassen konstruieren. Nach Definition sind die Steenrod-Operationen (mod 2) natürliche Transformationen

Sq^i \colon H^m(-; \mathbf{Z}_2) \to H^{m+i}(-; \mathbf{Z}_2),

definiert für alle natürlichen Zahlen m. Falls i = m ist, stimmt Sqi mit dem Quadrat des Cup überein. Die iten Stiefel-Whitney-Klassen wi (p) des Vektorbündels p : EB sind dann gegeben durch:

w_i(p) = \Phi^{-1}(Sq^i(\Phi(1))) = \Phi^{-1}(Sq^i(U)).\,

Literatur

  • J. P. May: A Concise Course in Algebraic Topology. University of Chicago Press, Chicago IL u. a. 1999, ISBN 0-226-51182-0, S. 183–198 (Chicago Lectures in Mathematics Series).
  • Dennis Sullivan: René Thom's Work on Geometric Homology and Bordism. In: Bulletin of the American Mathematical Society. 41, 2004, S. 341–350, online .
  • René Thom: Espaces fibrés en sphères et carrés de Steenrod. In: Annales scientifiques de l'École Normale Supérieure. Sér. 3, 69, 1952, S. 109–182, online.
  • René Thom, Quelques propriétés globales des variétés differentiables. In: Commentarii Mathematici Helvetici. 28, 1954, S. 17–86, online.

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