- Kohomologie
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Kohomologie ist ein mathematisches Konzept, das in vielen Teilbereichen zum Einsatz kommt, ursprünglich in der algebraischen Topologie. Das Wort Kohomologie wird dabei in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet: Einerseits für die Grundkonstruktion der Kohomologie eines beliebigen Kokettenkomplexes, andererseits für die Anwendung dieser Grundkonstruktion auf konkrete Kokettenkomplexe, die man z.B. aus einer Mannigfaltigkeit (De-Rham-Kohomologie), einem topologischen Raum (singuläre Kohomologie) oder einer Gruppe (Gruppenkohomologie) erhält.
Inhaltsverzeichnis
Kohomologie eines Kokettenkomplexes
Grundkonstruktion
Sei ein Kokettenkomplex. Das bedeutet:
- für jedes ist eine abelsche Gruppe Ck gegeben (allgemein: ein Objekt einer abelschen Kategorie)
- für jedes ist ein Gruppenhomomorphismus gegeben (allgemein: ein Morphismus), genannt Differential oder Korandoperator
- für jedes gilt als Abbildung
Daraus kann man die folgenden Gruppen konstruieren:
- Zk = ker(dk). Elemente von Zk heißen k-Kozykeln.
- Bk = im(dk − 1). Elemente von Bk heißen k-Koränder. Wegen Bedingung 3. ist , jeder Korand ist also ein Kozykel. Zwei Kozykel heißen kohomolog, wenn ihre Differenz ein Korand ist. Kohomolog zu sein, ist eine Äquivalenzrelation.
- , genannt die k-te Kohomologiegruppe von . Ihre Elemente sind Äquivalenzklassen von Kozykeln für die Äquivalenzrelation „kohomolog“. Genau dann gilt , wenn an der Stelle k exakt ist. Die Kohomologiegruppe ist also ein Maß für Nichtexaktheit.
An dieser Stelle sind Kohomologie und Homologie noch nahezu synonym: Für einen Kokettenkomplex ist mit , ein Kettenkomplex, und .
Sind und zwei Kokettenkomplexe und eine Kettenabbildung, d.h. gilt für alle k, erhält man funktorielle Homomorphismen . Sind zwei Kettenabbildungen homotop, ist f * = g * .
Die lange exakte Sequenz
Sei eine kurze exakte Sequenz von Kokettenkomplexen gegeben:
(die seien der Übersichtlichkeit halber weggelassen). Das bedeutet: und sind Kettenabbildungen, und für jedes k ist
exakt. Dann gibt es so genannte Verbindungshomomorphismen , so dass die Sequenz
exakt ist.
δk kann so konstruiert werden: Sei (Kozykel in ). Weil gk surjektiv ist, besitzt a ein Urbild . Es ist , also ist für ein . Nun ist , aber weil fk + 2 injektiv ist, folgt , also ist c ein (k + 1)-Kozykel, und man kann δk[a] = [c] setzen. (Zu einem vollständigen Beweis fehlt noch der Nachweis der Wohldefiniertheit, d.h. dass c ein Korand ist, wenn a ein Korand ist.) Argumente dieses Typs heißen Diagrammjagd.
Das Schlangenlemma ist ein Spezialfall dieser Konstruktion.
Derivierte Kategorien
In vielen Anwendungen ist kein eindeutig bestimmter Kokettenkomplex vorgegeben, dessen Kohomologie man bilden möchte, sondern man muss oder zumindest kann Wahlen treffen, die sich aber auf das Endergebnis, die Kohomologie, nicht auswirken. Die derivierte Kategorie ist eine Modifikation der Kategorie der Kokettenkomplexe, in der diese verschiedenen Wahlen bereits isomorph sind, so dass der letzte Schritt, das Bilden der Kohomologie, nicht mehr nötig ist, um Eindeutigkeit zu erreichen.
Kohomologietheorien
Allgemeines
Eine typische Kohomologietheorie hat die Form von Gruppen Hk(X,A) für , wobei X ein Raum und A im einfachsten Fall eine abelsche Gruppe ist. Weitere häufige Eigenschaften sind:
- Hk(X,A) ist kontravariant in X und kovariant in A
- Es gibt eine lange exakte Kohomologiesequenz.
- Es gibt Produkte , so dass zu einem graduierten Ring wird, wenn A selbst ein Ring ist.
Zwar hängen viele der Kohomologietheorien miteinander zusammen und liefern in Fällen, in denen mehrere Theorien anwendbar sind, auch häufig ähnliche Resultate, aber es gibt keine allumfassende Definition.
Es folgen noch einige Beispiele.
De-Rham-Kohomologie
Sei X eine glatte Mannigfaltigkeit. Die De-Rham-Kohomologie von X ist die Kohomologie des Komplexes
(nach links ergänzt durch Nullen), wobei Ωk(X) die globalen Differentialformen vom Grad k und d die Cartan-Ableitung sind.
Ist eine glatte Abbildung zwischen glatten Mannigfaltigkeiten, vertauscht das Zurückziehen von Differentialformen mit der Cartan-Ableitung, also definiert f * eine Kettenabbildung, die Homomorphismen induziert.
Das Dachprodukt von Differentialformen induziert eine Produktstruktur auf .
Vektorbündel mit flachem Zusammenhang sind eine geeignete Koeffizientenkategorie für die De-Rham-Kohomologie.
Singuläre Kohomologie
Sei X ein topologischer Raum und A eine abelsche Gruppe. Sei weiter das Standard-k-Simplex. Die Seitenflächen eines Simplex sind selbst wieder Simplizes, entsprechend den Einbettungen , für . Sei nun Xk die Menge der stetigen Abbildungen . Durch Verkettung mit bekommt man Abbildungen . Im nächsten Schritt sei Ck die freie abelsche Gruppe auf der Menge Xk, und definiert durch für . Es ist , also ist ein Kettenkomplex, der singuläre Kettenkomplex von X. Setzt man schließlich Ck = Hom(Ck,A) und , , erhält man den singulären Kokettenkomplex von X, dessen Kohomologie die singuläre Kohomologie Hk(X,A) ist.
Für eine stetige Abbildung erhält man eine Kettenabbildung , daraus eine Kettenabbildung und somit einen funktoriellen Homomorphismus .
Für einen Teilraum ist ein Unterkomplex von , und mit erhält man eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen, die durch Anwendung von Hom(?,A) eine kurze exakte Sequenz von Kokettenkomplexen ergibt:
Daraus erhält man nach der allgemeinen Konstruktion eine lange exakte Kohomologiesequenz:
Für den Vergleich der Kohomologiegruppen Hk(X,A) und Hk(X,B) für verschiedene Koeffizientengruppen A,B kann man das so genannte universelle Koeffiziententheorem benutzen.
Samuel Eilenberg und Norman Steenrod haben eine Liste von einfachen Eigenschaften angegeben, die eine Kohomologietheorie für topologische Räume besitzen sollte, die Eilenberg-Steenrod-Axiome. Es gibt im Wesentlichen nur eine Kohomologietheorie, die die Axiome erfüllt, und singuläre Kohomologie ist eine solche.
Gruppenkohomologie
Die Gruppenkohomologie Hk(G,A) hat zwei Argumente: eine Gruppe G und einen G-Modul A. Im Koeffizientenargument A ist die Kohomologie kovariant, und es gibt eine lange exakte Kohomologiesequenz. Im Argument G ist die Kohomologie in einem geeigneten Sinn kontravariant, z.B. wenn man als Koeffizienten eine feste abelsche Gruppe mit trivialer Operation wählt. Der Zusammenhang zwischen der Kohomologie einer Gruppe und einer Faktorgruppe bzw. eines Normalteilers wird durch die Hochschild-Serre-Spektralsequenz beschrieben.
Nichtabelsche Kohomologie
Nicht in das Schema der oben angegebenen Grundkonstruktion passen verschiedene Konstruktionen, die eine Kohomologie Hk(X,G) für nichtabelsche Koeffizienten liefern, aber meistens auf k = 0 und k = 1 begrenzt sind, z.B. in der Gruppen- oder Garbenkohomologie. Jean Giraud hat eine Interpretation der nichtabelschen Kohomologie für k = 2 mit Hilfe von Gerben erarbeitet.
Literatur
- I. M. Gelfand, Y. Manin: Homological Algebra. Springer, Berlin 1999 ISBN 3-540-65378-3 (Encyclopaedia of Mathematical Sciences, Algebra V)
- Jean Giraud, Cohomologie non abélienne. Berlin 1971
- Allen Hatcher: Algebraic Topology. Cambridge University Press, 2002
- Charles A. Weibel: An introduction to homological algebra, Cambridge Studies in Advanced Mathematics, 38, Cambridge University Press, 1999, ISBN 978-0-521-55987-4
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