- Tokayer
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Tokajer ist ein ungarischer Wein, der aus dem 87 Kilometer langen und drei bis vier Kilometer breiten Tokajer Weingebiet zwischen den Flüssen Theiß und Bodrog stammt und der zu den Dessertweinen gezählt wird. Nur bestimmte Produkte aus dieser Region dürfen den ehrenvollen Namen Tokaji (ungarisch) bzw. Tokajský/-á/-é (slowakisch), d.h. auf Deutsch „Tokajer“, tragen.
Der Wein wird als König der Weine und Wein der Könige (ung.: Borok királya, királyok bora.) bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Es ist wahrscheinlich, dass Weinanbau in dieser Region bereits zur Zeit der Kelten (d.h. vor Chr.) betrieben wurde. Aus der römischen Zeit ist Weinanbau bereits archäologisch nachgewiesen. In der Stadt Erdőbénye fand man Kerne von Beeren aus dem 3. Jahrhundert. Seit etwa 500 waren im Tokajer Gebiet Slawen ansässig, im 7. und 8. Jahrhundert auch Awaren. Im 9. Jahrhundert gehörte das Gebiet zum Großmährischen Reich. Die Slawen haben Weinanbau aus der römischen Zeit weiterbetrieben. Nach slowakischen Quellen ist der Name Tokaj sogar vom altslawischen „Stokaj“ - d.h. „Zusammenfluss“ (der Flüsse Bodrog und Theiss) - abgeleitet; eine Ableitung vom Stamm „tok“ - d.h. Strom, Fließen, Flusslauf - ist jedenfalls wahrscheinlich (vgl. bspw. in der heutigen Slowakei die Namen der Siedlungen Tokajík und Tokajka). Anderen Ansichten zufolge handelt es sich um eine Ableitung vom Personennamen Toka, von einem armenischen Wort für Weintraube u.ä. Die Magyaren (ethnische Ungarn) kamen in dieses Gebiet am Ende des 9. Jahrhunderts. Nach ungarischer Überlieferung meldete der Heerführer Turzol dem Fürsten Árpád, dass er am Zusammenflus der Flüsse Bodrog und Theiss wunderschöne Weinberge vorgefunden habe. Ungarische Autoren behaupten heute dennoch zum Teil, der Weinanabau in dieser Region sei erst von magyarischen Stämmen (bzw. von den mit ihnen zusammenziehenden Kabaren) eingeführt worden.
Mit dem Zerfall der Monarchie 1918 (bestätigt durch den Friedensvertrag von Trianon von 1920) ist fast ein Drittel des Gebiets des Tokajer Weingebiets Bestandteil der Tschechoslowakei geworden, der Rest blieb Bestandteil von Ungarn. Seitdem gibt es also auch ein kleines slowakisches Tokajer Weingebiet, in dem slowakische Tokajské víno-Flaschen produziert werden.
Die Voraussetzungen
Ausschlaggebend für die Qualität des Tokajer ist das komplexe Zusammenspiel zwischen Bodenbeschaffenheit, Klima, Rebsorte, Weinherstellung und Kellerbehandlung.
Die Rebsorten und das Klima
Die Rebsorten, die auf dem vor dem kalten Nordwind geschützten vulkanischen Boden mit Löss- und Sandauflage angebaut werden, sind Furmint, Lindenblättriger (ung. Hárslevelű, sl. Lipovina), Muscat lunel (dt. Gelber Muskateller, ung. Sárgamuskotály, sl. Muškát žltý) und Zéta, die alle spät reifen. Dadurch profitieren die Weintrauben nicht nur von den trockenen, heißen Sommern, sondern auch von den langen, warmen und nebelreichen Herbsten, die dem Edelfäulepilz ideale Wachstumsbedingungen liefern. Hinzu kommt die feuchtigkeitsspendene Wirkung der beiden Flüsse Bodrog und Tisza (Theiß), die das Anbaugebiet durchfließen.
- Furmint ist vermutlich eine autochtone Sorte Ungarns. Erstmals erwähnt wird sie 1623 in Ungarn. Zu ihrer Herkunft gibt es bisher keine Belege, aber viele Vermutungen und Geschichten. Zu den bekanntesten zählt, dass die Rebe von italienischen Einwanderern unter König Béla IV. im 13. Jahrhundert nach Ungarn gebracht wurde. Eine andere, etwas plausiblere Erklärung besagt, dass sie im 17. Jahrhundert von der venetischen Prinzessin Formentini mitgebracht wurde. Heute stellt der Furmint nahezu 70% der bestockten Rebfläche im Weinbaugebiet Tokaj. Obwohl die jährlich erzielbarenn Mostgewichte ausreichend hoch sind, um Weine mit einem Alkoholgehalt von 14 Vol-Prozent oder mehr zu erzielen, bewahrt die Rebsorte eine eher kräftige Säure. Es ist insbesondere diese Säure, die dem süßen Dessertwein das notwendige Gleichgewicht bringt.
- Die Rebsorte Hárslevelű bringt ihre Duftigkeit in den Verschnitt ein. Im Tokajer Weinbaugebiet verfügt die Sorte über einen Anteil von fast 25% innerhalb des Rebsortenspiegels.
- Ergänzt werden beide Hauptsorten durch den gelben Muskateller. Die früher reifende Sorte wird in Tokaj nur selten sortenrein zum Tokaji Muscat ausgebaut. Aufgrund seiner früheren reife und seiner dickeren Beerenschale wird die Muskat-Sorte nur selten von der Edelfäule befallen und kommt folgerichtig in den trockenen Grundwein des Tokaji Aszú. Die Sorte trägt mit ihrem typischen Muskataroma zur Aromenvielfalt des verschnittenen Weines bei.
- Zéta ist eine Neuzüchtung aus Ungarn aus dem Jahr 1951 aus den Sorten Furmint und Bouvier. Bis in das Jahr 1999 wurde die Sorte Oremus genannt und war nach dem berühmten Weinberg in der Gemeinde Sátoraljaújhely benannt. Um Verwechslungen zwischen Lage und Rebsorte zu vermeiden, entschied man sich zur Umbenennung. Zéta reift früher als der Furmint, wird aber leicht von der Edelfäule befallen. Über den zweiten Kreuzungspartner, der Sorte Bouvier erhielt die Sorte ein sehr dezentes Muskat-Aroma. Geschmacklich eher neutral werden die Reben für die Tokaji-Aszú Weine genutzt und minimieren aufgrund der frühen Lese den Einfluss schlechten Wetters während der Lese. Gute Aszú Jahre sind nämlich selten und man rechnet im Schnitt mit 3 guten Jahrgängen pro Jahrzehnt. Trotz seines Vorteils liegt die bestockte Rebfläche der 1990 zugelassenen Sorte bei nur einem Prozent.
Die Weinkeller
Die Weinkeller der Region zeichnen sich durch eine ideale Luftfeuchtigkeit und eine gleich bleibende Temperatur von 10 bis 12 Grad Celsius aus. Die Wände der Weinkeller sind mit dem Schimmelpilz Cladosporium cellare bedeckt, der sich vom Alkohol ernährt, der aus den Weinfässern verdunstet. Aufgrund des Schimmelpilzes entsteht ein Mikroklima, dem die Tokajer Weine ihr einzigartiges Aroma verdanken.
Der Wein und sein Ausbau
Der Tokaji Aszú
Gekeltert werden edelfaule Trauben, bei denen die Sporen des Schimmelpilzes Botrytis cinerea bewirken, dass das Wasser der Trauben verdunstet. Dabei nimmt gleichfalls der Säuregehalt ab, so dass der Zuckergehalt bis zu 70 % steigt. Der Edelfäuleprozess der Beeren wird durch einen regenreichen Sommerausklang gefördert, an den sich vier bis fünf sonnige Herbstwochen anschließen.
„Puttony“ ist das ungarische Wort für Bütten und steht für Tragebütten, die etwa 25 kg fassen. Für „Aszú“-Weine werden nach der Lese, die üblicherweise Anfang November stattfindet, die rosinenartigen Trauben nach dem keltern nicht direkt vergoren, sondern mit bereits fertigen Wein vermengt und dann erst mit diesem zusammen vergoren. Ausschlaggebend für den typischen Geschmack von Tokaji Aszú ist daher diese zweite, sehr langsam stattfindende Vergärung. Die Anzahl der „Puttony“ gibt dabei das Verhältnis zwischen frischen Trauben und fertigen Wein an. Bei 6 Puttonyos beträgt das Verhältnis etwa 1:1. Die Menge an Wein, dem ein puttony zugegeben wird, beträgt 136,5 Liter und wird als „Göncer Fass“ (ung.: Gönci hordó) bezeichnet. An die zweite Vergärung schließt sich normalerweise eine Holzfaßlagerung an. Deren Dauer in Jahren entspricht meist der Anzahl an puttony, die dem Grundwein zugegeben wurden. Aufgrund veränderter Kellertechnologie werden diese Zeiten heutzutage jedoch oft nicht mehr eingehalten und der Wein deutlich früher verkauft.
- drei Butten (Puttonyos Aszú) = 75 kg Aszú-Trauben auf 136,5 Liter, mind. 60 bis 90 g/Liter Restzucker
- vier Butten = 100 kg Aszú-Trauben auf 136,5 Liter, mind. 90 bis 120 g/Liter Restzucker
- fünf Butten = 125 kg Aszú-Trauben auf 136,5 Liter, mind. 120 bis 150 g/Liter Restzucker
- sechs Butten = 150 kg Aszú-Trauben auf 136,5 Liter, mind. 150 bis 180 g/Liter Restzucker
Esszencia
Aus den reinen Aszú-Beeren wird nach der Lese eine besondere Spezialität gewonnen, die sogenannte Esszencia (dt.: Essenz). Die Aszú-Trauben lagern vor ihrer Zugabe zu dem Grundwein für die Tokajer-Herstellung in einem Behälter, wo sie nur durch ihr Eigengewicht ausgepresst werden. Der auslaufende Saft hat eine sirupöse Konsistenz, teilweise an Honig erinnernd mit einem sehr hohen Gehalt an Mineralstoffen, Säuren und Zucker. Der Zuckergehalt kann dabei durchaus über 600 g/L liegen.
Forditás und Máslás
Aus den bereits ausgpressten Aszú-Trauben wird dann noch ein weiteres Produkt erzeugt, der sogenannte Forditás (dt.: Wendung). Die Trauben werden erneut mit Most aufgegossen, und nach einer Standzeit von 12-48 Stunden erfolgt die Vergärung. Der fertige Jungwein erfährt ebenfalls eine ca. dreijährige Holzfasslagerung.
Wird der Hefetrub der Tokajer-Herstellung nochmals mit Most aufgegossen und erneut vergoren, entsteht ein i.a. trockener Wein, der als Máslás bezeichnet wird.
Szamorodni
Ist die Qualität der Aszú-Trauben nicht ausreichend, um daraus Aszú-Wein herzustellen, so werden gesunde und mit Botrytis befallene Aszú-Trauben zusammen verarbeitet. Das Ergebnis ist ein Wein mit dem Namen Szamorodni (dt.: wie gewachsen). Dieser kann sowohl trocken als auch süß im Geschmack ausfallen, wobei es i.a. als deutlich schwieriger gilt, einen qualitativ hochwertigen trockenen Szamorodni herzustellen.
Weingüter
Die berühmtesten Güter sind Szepsy, Béres, Oremus, Disznókö, Királyudvar, Àrvai.
Irreführende Bezeichnungen anderer Produkte
Weine mit der Kennung Tocai oder Tokay sind meist irreführende Bezeichnungen italienischer oder französischer Produkte und haben überhaupt nichts mit dem Anbaugebiet zu tun. Seit einigen Jahren ist es nicht mehr erlaubt, „Tokay d' Alsace“ als Synonym des Grauburgunders im Weinbaugebiet Elsass zu benutzen, und seit 2007 muss auch bei der Rebsorte „Tocai Friulano“ das Wort „Tocai“ auf dem Etikett weggelassen werden.
Literatur
- Jancis Robinson: Das Oxford Weinlexikon. 2. Auflage. Gräfe & Unzer, München, 2003, ISBN 3-7742-0914-6.
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