Barbin

Barbin

Herculine Barbin (* 8. November 1838 in Saint-Jean-d’Angély; † 1868) stellt einen Fall der Intersexualität dar, welcher durch Tagebuchaufzeichnungen die Folgen einer falschen sozialen Behandlung mit Suizid als tragischem Ende dokumentiert.

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

Barbin wächst in Frankreich unter dem Namen Alexina auf und wird sich später „ihrer“ Unterschiede zur Norm bewusst. Nachdem sich Barbin einem Pfarrer anvertraut hatte, wurde die Justiz aktiv und erklärte Barbin zum Mann. Mit dieser Rolle nicht zurecht kommend, vereinsamt Barbin und begeht mit 29 Jahren Selbstmord. Seit dem 25. Lebensjahr fertigte Barbin biografische Aufzeichnungen an, die später von Michel Foucault veröffentlicht wurden: Herculine Barbin, Michel Foucault: Über Hermaphrodismus (zuletzt erschienen bei Suhrkamp; 3., Aufl., Juni 1998)

Foucaults Theorie

Wie Foucault in „Herculine Barbin“ zeigt, ist der biologische Körper derjenige, der auf der Grundlage eines abstrakten Modells die Zuschreibung „wahres Geschlecht“ ermöglicht, das für den Einzelnen notwendig ist, um seinen „richtigen Platz“ in der Gesellschaft einzunehmen, in dem die entsprechenden Normen nach Maßgabe biologischer Normen ausgeführt werden können. In den medizinischen Berichten über den Körper des Hermaphroditen Alexina ist es deutlich formuliert: was ist ihr „wahrer“ Platz in der Gesellschaft? Wen darf sie lieben oder heiraten? Ist sie in der Lage sich fortzupflanzen? All diese Fragen sind nur zu beantworten, wenn man ihr „wahres Geschlecht“ kennt. In einer diffusen Mischung geraten biologische und kulturelle Determinanten der Geschlechterdifferenz zu einer „Natur des Geschlechts", indem organische Gegebenheiten in psychische und moralische Qualitäten übersetzt werden, und all das begleitet von klassifikatorischen Serien sexueller Zweideutigkeiten. Das biologistisch-essentialistische Identitätsdenken ist quasi ein Effekt der Bemühungen, die Ausweitungen und Überschreitung der Geschlechtergrenzen zu bestimmen, und somit bleibt die Evidenz des „wahren Geschlechts“ in einer paradoxalen Struktur befangen. Diese paradoxale Struktur, die als Natur des Geschlechts eingeebnet wird, kann in den überlieferten Texten und dem ihnen zugrundeliegenden Denken gelesen werden, in jenen sprachlichen Vorgängen, in denen Bedeutungen produziert werden.

Für Foucault sind die Tagebuchaufzeichnungen Herculine Barbins, von ihren Mitschülerinnen auch Alexina genannt, das Manifest einer modernen Wissenschaft vom Geschlecht. Dabei geht es nicht um veränderte Vorstellungen und Bewertungen sexueller Praktiken, sondern um die Entstehung eines Subjekt, das seine Wahrheit und damit seine Identität im Körper und seinen Begehrensformen verortet.(31) Dass diese Codierung des „wahren wirklichen Geschlechts“ nicht einfach die Wurzel unserer Identität ist, sondern ein komplexer diskontinuierlicher Kampf um Bedeutungen, die sich in ein und demselben Individuum durchkreuzen und es in dieser Gespaltenheit erst hervorbringen, davon erzählt die Geschichte von Herculine Barbin mit ihrem tödlichen Ausgang.

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