Tonypandy Aufstand

Tonypandy Aufstand

Als Tonypandy-Aufstand (en. Tonypandy Riot) werden tumultartige Unruhen im südlichen Wales im Jahr 1910 bezeichnet, die sich aus einem Bergarbeiterstreik nahe der walisischen Stadt Tonypandy entwickelten.

Inhaltsverzeichnis

Die Chronik des Aufstandes

Vorgeschichte des Aufstandes

Der Ausgangspunkt der Unruhen waren Uneinigkeiten zwischen Bergwerksbesitzern und Arbeitervertretern über das Besoldungssystem für die in der Ely Grube (Ely Pit) in der Stadt Penygraig beschäftigten Minenarbeiter der Naval Colliery Company. Diese war ein Teil der Cambrian Combine, einem 1906 gegründeten Zusammenschluss aller südwalisischen Bergwerksgesellschaften.

Bis 1909 war in allen Gruben der Cambrian Combine ein ertragsbasiertes Besoldungssystem üblich gewesen, d.h. der Lohn jedes einzelnen Bergmannes wurde auf der Grundlage der von ihm geförderten Menge an Kohle berechnet, so dass jeder Arbeiter einen Lohn erhielt der in proportionaler Relation zu der quantitativen Menge an Kohle die er gefördert hatte stand. Außer acht gelassen wurde dabei die unterschiedliche Schwierigkeit der Förderung von Kohlenvorkommen aus verschiedenen Kohlenadern, die in der Konsequenz bedeutete dass ein Arbeiter der eine leicht erschließbare Ader bearbeitete in gleicher Zeit und bei gleicher Arbeitsanstrengung weitaus mehr Kohle förderte und dementsprechend weitaus mehr Lohn erhielt als ein Kollege der bei gleichem Zeit- und Anstrengungsaufwand aus einer schwerer zu erschließenden Ader naturgemäß weitaus weniger Kohle herausholen konnte.

Um die Ergiebigkeit einer neuentdeckten Kohleader zu prüfen, beauftragte das Management der Elygrube 1909 eine Gruppe aus achtzig Bergleuten diese auf unbestimmte Zeit testweise abzubauen. Diese Testphase sollte dazu dienen, anhand der von der Testgruppe geförderten Kohlenmenge hochrechnen zu können, wieviel Kohle eine Arbeitsmannschaft in regulärer Größe fördern würde und wieviel Lohn bei einer regulären Ausbeutung der Mine an die Bergleute gezahlt werden müsste, um so mit Hilfe der gewonnenen Daten eine Kosten-Nutzen-Kalkulation über die Lohnendheit einer regulären Inbetriebnahme dieser Ader aufstellen zu können. Als Zugeständnis gegenüber den Arbeitern der Testgruppe - die ja eine neue Ader deren Ergiebigkeit man nicht kannte erschlossen - ging man in ihrem Fall vorerst vom bisherigen ertragsbasierten Besoldungssystem zugunsten eines Kombilohnmodells ab: Die Arbeiter sollten zunächst nach dem Akkordmodell arbeiten und dafür wie gehabt entsprechend den von ihnen geförderten Mengen an Kohle in Tonnen bezahlt werden. Diejenigen Arbeiter jedoch die aufgrund der eventuellen Ertragsschwäche der neuen Ader eine bestimmte Minimalmenge an Kohle in Tonnen nicht zutage fördern würden können und daher nur Anspruch auf einen Lohn erwerben würde der unterhalb dessen liegen würde, was ein Mensch zum Leben in dieser Zeit unverzichtbar brauchte, sollten zusätzlich einen Zuschuss von der Gesellschaft erhalten der so hoch sein würde, dass er in Kombination mit den durch Leistung erworbenen Ansprüchen hinreichen würde, um das Existenzminimum der Betroffenen zu sichern.

Als man 1910 Bilanz zog, fielen die Erträge der Testarbeitsgruppe schließlich deutlich geringer aus, als es die Betreiber der Ely Pit erwartet hatten. Die Minenbetreiber erhoben daraufhin den Vorwurf an die Angehörigen der Testgruppe, aus der Gewissheit heraus, aufgrund des vorteilhaften Besoldungssystems das während des Probebetriebes galt auch bei geringen Fördermengen einen hinreichenden Lohn zu erhalten bequem geworden seien. Die Arbeiter hätten also aus purer Bequemlichkeit kalkuliert, dass wenn sie es ruhig angehen lassen und nur wenig Kohle fördern würden, sie aufgrund der Zuschüsse die ihnen bei Nichterreichen der Minimalförderquote zustanden, sie bei geringer Arbeitsanstrengung einen nur um wenig geringeren Lohn erhalten würden als wenn sie hart arbeiten und die Minimalquote überschreiten würden ab der ertragsbemessene Löhne gezahlt würden. Es wurde als unterstellt sie hätten aus Arbeitsfaulheit und unter Ausnutzung der "Großzügigkeit" der Arbeitgeber weniger Kohle gefördert als sie es eigentlich gekonnt hätten.

Die Arbeiter verwahrten sich gegen diesen Vorwurf das neue Lohnmodell missbraucht zu haben und behaupteten, dass die geringen Fördermengen auf den Umstand zurückgeführt werden müssten, dass die neue äußerst schwierig zu erschließen wäre. Das Management reagierte hierauf ungehalten, indem es für die Angehörigen der Testgruppe zum alten ertragsbasierten Besoldungssystem zurückkehrte.

Der Bergarbeiterstreik in der Ely-Grube

Nachdem die Mehrheit der Minenarbeiter, die nicht der Testgruppe angehörten, sich mit ihren Kollegen solidarisch erklärt hatten und gemeinsam mit diesen gegen die Rückkehr zum alten Lohnmodell protestierten, verhängte das Management der Ely Grube am 1. August eine Aussperrung der regulären Belegschaft. Diese bezog sich nicht nur auf die 80 Arbeiter des Testgruppe sondern auf alle 800 Kohlekumpel der Grube, an deren Stelle man nun Ersatzarbeiter rufen ließ. Die Belegschaft erklärte sich hierauf für im Streik befindlich und sperrte die Anlage der Ely Grube systematisch mit Streikposten ab.

Mit den Zielen ihrer Kollegen sympathisierend schlossen sich bald darauf die Bergleute von zwei weiteren Minen im Besitz der Naval Colliery dem Streik an. Dies löste eine Kettenreaktion aus, die bewirkte dass sich nach und nach die Arbeiter nahezu aller Gruben in Südwales dem Streik anschlossen.

Bei einer Konferenz der South Wales Miners Federation (SWMF) am 16. September einigte man sich darauf die Streikenden systematisch zu unterstützen. Ein Schlichtungsangebot der Minenbesitzer - das weiterhin Löhne vorsah, die unter dem Existenzminimum lagen - wurde abgelehnt. Am 1. November - dem Tag des offiziellen Streikbeginns - schlossen sich schließlich 30.000 weitere Bergleute aus Südwales dem Streik an. Bis zum 7. November wurden schließlich alle vom Streik betroffenen Minen von Streikposten blockiert. Die Streikenden fuhren fort, tausende von Menschen umfassende Marschkolonnen zu bilden mit denen sie durch die Ortschaften des Rhondda Valleys zogen und nach und nach in alle Kohlengruben des südlichen Wales eindrangen: Sie löschten die Feuer in den Boilern der Gruben und schalteten die Belüftungssysteme ab, um sicherzustellen, dass diese für Streikbrecher nicht benutzbar wären.

Die Unruhen in Tonypandy

Im Ergebnis war am 7./8. November der Betrieb in allen Minen in Südwales - mit Ausnahme einer von sechzig Streikbrechern weiter betriebenen Mine in Llwynypia - zum Erliegen gekommen. Diese Mine, die für die Energieversorgung der umliegenden Städte besonders wichtig war, war von 100 Polizisten aus Swansea, Bristol und Cardiff systematisch abgeriegelt worden.

Am 7. November gegen 10:30 Uhr umzingelten schließlich die Streikenden diese Mine in der Absicht, sich Zugang zu ihr zu verschaffen und sie stillzulegen. Die Lage eskalierte rasch nachdem die Wachmannschaften mit Steinen beworfen wurden und es kam zu ersten Kämpfen zwischen der Polizei und den Streikenden. Die leitenden Beamten telegraphierten daraufhin an die nahe gelegene Tidworth Kaserne und baten um Unterstützung. Der 1910 amtierende britische Innenminister, Winston Churchill, befürchtete in Erinnerung an den "Bloody Sunday" von 1887 auf dem Trafalgar Square bei dem der Versuch, einen Streik mit militärischen Mitteln aufzulösen in einem Blutbad geendet hatte, sich bei einer Truppenentsendung heftiger Kritik auszusetzen, verhinderte jedoch die Entsendung und ließ die Truppen außerhalb von Wales als "allerletzte Reserve" auf die nur im "äußersten Notfall" zurückgegriffen werden dürfte Stellung beziehen. Stattdessen entsandte Churchill einige hundert Londoner Polizisten, darunter siebzig berittene Beamte, an den Ort der Krise.

Am 8. November wurde die Grube in Llwynypia erneut von Arbeitern umstellt. Es kamen abermals zu Kämpfen zwischen der Polizei und den streikenden Bergleuten. Nach harten Auseinandersetzungen gelang es der berittenen Polizei schließlich, die Bergleute in zwei Gruppen zu zersprengen von denen eine nach Llwynypia gedrängt wurde und die andere in das benachbarte Tonypandy. Dort Tonypandy kam es zu weiteren schweren Tumulten und Kämpfen mit der Polizei in deren Verlauf mehrere Straßen verwüstet wurden.

Churchill sandte daraufhin General MacReady, dem Befehlshaber der Bereitschaftstruppen am Rand von Wales ein Telegramm in dem es hieß: "As the situation appears to have become more serious you should if the Chief Constable or Local Authority desire it move all the cavalry into the district without delay". Zusätzlich sagte Churchill den führenden Männern von Ort weitere Polizisten aus London zu, die am nächsten Tag eintrafen: Bis zu diesem Zeitpunkt waren bereits 500 Bergleute und 80 Polizisten verletzt, sowie ein Bergmann - Samuel Rhys der an einem Knüppelschlag starb - getötet worden.

Folgen und Nachwirkungen

Nach den Ereignissen des 7. und 8. Novembers wurden dreizehn Bergleute wegen kleinerer Vergehen verhaftet und der Ausnahmezustand in Wales verhängt. Um dem Wiederausbrechen von Unruhen vorzubeugen ließ Churchill Tonypandy und Umgebung während der Prozesse gegen die dreizehn Verhafteten militärisch besetzen. Während des Prozesses - in dem die Angeklagten schließlich zu Haftstrafen zwischen zwei und sechs Wochen bzw. zu Bußgeldern verurteilt wurden - gingen täglich 10.000 Demonstranten auf die Straße, um die Gefangenen symbolisch zu unterstützen. Dabei kam es zu weiteren kleinen Ausschreitungen in Penygraig und Blaenclydach im April 1911, die mit Straßenkämpfen und Plünderungen einhergingen.

Die Arbeiter kehrten schließlich im September 1911 - zu den Bedingungen der Arbeitgeber - in die Gruben zurück. Churchills Verwicklung in den Tonypandy-Aufstand hatte zu Folge, dass ihm auf Jahrzehnte in Wales sowie bei Arbeitern in ganz Großbritannien Antipathie und Misstrauen entgegengebracht wurde.

Literatur

  • L.J. Williams: "The Road to Tonypandy", in: "Llafur. Journal of Welsh Labour History", Bd.1, 1973, (S. 41-52).
  • D. Smith: "A Place in South Wales", in: "Wales! Wales?", George Allen and Unwin, London 1984.

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