Totenmahl

Totenmahl

Ein Leichenschmaus ist das gemeinschaftliche Essen oder Kaffeetrinken der Trauergäste unmittelbar nach einer Beerdigung, das von der Familie des Verstorbenen ausgerichtet wird. Diese Sitte war bereits in vorgeschichtlicher Zeit bekannt und besteht in vielen Gegenden Europas. Weitere Bezeichnungen sind: Beerdigungskaffee, Flannerts, Leidessen, Leichenmahl, Raue, Trauerbrot oder Tröster; im süddeutschen Sprachgebrauch auch Umtrunk oder Leichentrunk; im Saarland: Leichenimms; im rheinischen Sprachgebrauch Reuessen; in Altbayern Kremess, in Ostösterreich Totenmahl.

Der Leichenschmaus in Teilen des deutschsprachigen Raumes soll den Hinterbliebenen signalisieren, dass das Leben weitergeht und der Tod nur eine Station des irdischen Lebens darstellt. Das gemeinsame Essen soll im Gedenken an den Toten stattfinden und einen zwanglosen Rahmen bieten, in dem Geschichten rund um den Toten erzählt werden können, im Gegensatz zur formellen Trauerfeier selbst. Das Erzählen von Anekdoten dient zur Auffrischung der positiven Erinnerungen aus besseren Zeiten des Beerdigten und soll so die unmittelbaren und oft schmerzhaften Erinnerungen an die Zeit kurz vor dem Tode verdrängen (z. B. im Fall einer längeren Krankheit). Die dabei oft entstehende Heiterkeit kann helfen, Emotionen abzubauen und die Trauernden wieder positivere Gedanken fassen zu lassen. Der Leichenschmaus kann daher helfen, Abstand vom traurigen Anlass zu gewinnen und wieder eine gewisse Normalität zu erreichen.

Durch das Geschenk eines Essens wird die Gelegenheit zu Gegenbesuchen und Gegeneinladungen geboten.

Ein wichtiger Aspekt des Rituals ist auch hier die Festigung sozialer Bindungen, indem Angehörige länger Zeit haben, miteinander umzugehen, einander Wertschätzung zu signalisieren.

Wie viele andere Rituale geht es auch um einen Übergang, der durch die Gemeinschaft beglaubigt wird. Die Hinterbliebenen werden nicht allein gelassen, sondern sind weiter Teil der Familie (etc.), was besonders bei nicht Blutsverwandten eine wichtige Mitteilung sein kann. Die Beerdigung ist nicht das Ende einer Familie, sondern Glied einer Kette von Familienfeiern, bei denen Zusammengehörige zusammenkommen. Dass bei diesem Essen auch Nicht-Familienangehörige zugegen sein sollen ist dafür kein Interpretationshindernis. Vielmehr wird diesen Aussenstehenden gezeigt, dass es Zusammengehörigkeit gibt.

Kritik

Der Leichenschmaus wird oft traditionell als ein fester Bestandteil der gesamten Beerdigungzeremonie angesehen, was die Hinterbliebenen zusätzlich unter Druck setzt, insbesondere durch die Kosten für die Ausrichtung der Feier, da der Tote als Gastgeber der Feier betrachtet wird. Daher gab es seit dem 14. Jahrhundert Bestrebungen, Übertreibungen und Luxus zu diesem Anlass einzudämmen.

Es kann auch vorkommen, dass anstelle des Austauschens von froher, positiver Erinnerung an den Toten die Stimmung umschlägt und der Tote durch unvorteilhafte Geschichten, Neid und Lästereien verunglimpft und sein Andenken beschädigt wird - je nach Beliebtheit des Toten. Dies wird insbesondere von Gegnern dieser Tradition angeführt, die sich dennoch gesellschaftlich gezwungen sehen, an der Feier teilzunehmen - und dann zum Umschlagen der Stimmung beitragen (siehe Selbsterfüllende Prophezeiung). Außerdem kann der Leichenschmaus auch in vorgezogene Erbstreitigkeiten ausufern.

Manche Menschen finden es auch grundsätzlich unangebracht, des Toten in Frohsinn und Heiterkeit zu gedenken. Dies ist insbesondere dann ein Problem, wenn die direkten Hinterbliebenen des Toten aufgrund des erlittenen Verlustes emotional noch gar nicht in der Lage zu positiven Gefühlen sind oder dies nicht wollen, aber sich dennoch gesellschaftlich gezwungen sehen, am Leichenschmaus teilzunehmen.

Auch kann es vorkommen, dass der Leichenschmaus in ein feucht-fröhliches Gelage ausufert, was viele Menschen in Anbetracht des Todes des Gastgebers als pietätlos betrachten. Aus diesem Grund gab es zur vorletzten Jahrhundertwende Gesetze in Teilen Deutschlands, die einen Leichenschmaus ausdrücklich verboten, die sich jedoch nur schwer durchsetzen ließen.


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