Turbinia

Turbinia
Civil Ensign of the United Kingdom.svg
Die Turbinia in voller Fahrt
Stapellauf: 2. August 1894
Bauwerft: Brown & Hood, Wallsend-on-Tyne
Bauweise: Stahlschiff
Kapitän: Christopher Leyland
Technische Daten
Verdrängung: 44,5 t
Länge: 30,48 m
Breite: 2,74 m
Tiefgang: 0,91 m
Maschinenanlage:
Anzahl der Schrauben: 9 (3 Wellen x 3 Propeller, Durchmesser 457 mm)
Leistung: 960 PSeffektiv (705 kW) an den Wellen
ca. 1600 PSi Dampfleistung
Höchstgeschwindigkeit: 34,5 kn (63,8 km/h)
Brennstoffvorrat: 7,5 t Kohle

Die Turbinia war das erste Turbinenschiff der Welt, also das erste Dampfschiff, das nicht durch eine Dampf(kolben)maschine, sondern durch eine Dampfturbine angetrieben wurde.

Es wurde 1894 unter Leitung des Dampfturbinen-Erfinders Charles Parsons gebaut, um die Leistungsfähigkeit des Turbinenantriebes zu testen und die Überlegenheit zu demonstrieren. Der Versuch war ein voller Erfolg: Die Turbinia wurde auf Anhieb mit einigem Abstand das schnellste Schiff der Welt und läutete so den Generationswechsel bei den Schiffsantrieben von der Dampfmaschine zur Turbine ein.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Entwicklung und Bau

Sir Charles Parsons, der Entwickler der Turbinia

Nachdem Parsons 1884 die Parsons-Dampfturbine erfunden hatte, gründete er 1893 die Marine Steam Turbine Company in Wallsend-on-Tyne, um die neue Turbine als Antrieb für Schiffe marktreif zu entwickeln. Dieses Feld war bis dahin fest in der Hand von Dampfkolbenmaschinen. Als Testfahrzeug ließ er ein kleines und leichtes Stahlschiff von der Werft Brown & Hood in Wallsend-on-Tyne bauen. Am 2. August 1894 lief das zunächst nur schlicht als "Experimental Run" (Versuchslauf) bezeichnete, später auf den Namen "Turbinia" getaufte Schiff vom Stapel. (Noch später wurde die Yacht wegen ihrer Geschwindigkeit und der schlanken Form zu Ehren ihres Erbauers auch anerkennend als "Parsons' Ocean Greyhound", deutsch: "Parsons Ozean-Windhund" bezeichnet.)

Mit dem Testschiff experimentierte Parsons, der keine Ausbildung im Schiffbau hatte, mit verschiedenen Turbinen- und Propellerkonfigurationen. Die erste Version hatte nur eine Schraube, die von einer radial durchströmte Turbine angetrieben wurde. Sie blieb mit einer Geschwindigkeit von weniger als 20 Knoten weit hinter Parsons Erwartungen zurück. Der Grund lag vor allem in dem bis dahin unbekannten Problem der Kavitation, welches die Leistung mindert und schnell die Propeller zerstört. Bei den wesentlich geringeren Propellerdrehzahlen der langsam laufenden Dampfmaschinen trat dieses Problem nicht auf. Parsons untersuchte das Phänomen anhand von maßstäblichen Modellen in einem eigens dafür gebauten Versuchskanal mit Beobachtungsfenster, erkannte die Ursache und passte seine Konstruktion an, indem er die Anzahl der Schrauben erhöhte, deren Durchmesser und damit die Umfangsgeschwindigkeit aber gleichzeitig reduzierte.

Auch optimierten die Entwickler den Strömungswiderstand und studierten die Wirkung der Bug- und Heckwelle, die aufgrund der Geschwindigkeit höher waren als bis dahin bei Booten dieser Größe bekannt.

Schließlich, nach fast zwei Jahren Entwicklungsarbeit, sieben Propellerentwürfen und mehr als 30 Testfahrten stand das erfolgreiche Antriebskonzept: Drei axial durchströmte Parsonsturbinen (eine Hochdruck-, eine Mitteldruck- und eine Niederdruckturbine) trieben direkt, ohne Getriebe, je eine Welle an, auf der in Reihe (im Abstand von etwa 1 m, mit Zwischenlagerung) drei Propeller angeordnet waren. Auf der Welle der Mitteldruckturbine konnte zur Umschaltung der Drehrichtung eine Rückwärtsfahrturbine eingekuppelt werden.

Öffentliche Demonstration und Rekordfahrten

Die Turbinia bei der Weltausstellung in Paris

Die Königliche Admiralität war über die Entwicklung des Turbinenantriebs grundsätzlich informiert; die revolutionären Ergebnisse blieben aber zunächst unbeachtet.

An die Öffentlichkeit trat Parsons mit seiner Entwicklung in spektakulärer Weise als er mit der Turbinia am 26. Juni 1897 unangekündigt bei einer Flottenparade mit 165 Schiffen anlässlich des Diamantenen Thronjubiläums von Königin Victoria auf der Reede in Spithead auflief. Den Höhepunkt der Parade sollte ein Wettrennen der schnellsten Zerstörer der Admiralität bilden. Unter den Augen des Thronfolgers Albert Eduard, der Lords der Admiralität und zahlreicher Würdenträger und geladener Gäste aus dem In- und Ausland hisste die Turbinia einen roten Wimpel, brach aus der Ordnung der Parade aus und nahm als ziviles Schiff unerlaubterweise am Rennen teil. Mit anfänglicher Empörung (ob des ordnungswidrigen Verhaltens), Erstaunen und Bewunderung konnten die Zuschauer verfolgen, wie die Turbinia das Feld dominierte. Dank ihrer überlegenen Geschwindigkeit und Wendigkeit hängte die Yacht mit Leichtigkeit die Patrouillenboote der Navy ab, welche darauf angesetzt wurden, die Turbinia zu jagen und zu stoppen.

Der überraschenden Vorstellung folgten weitere, von der Admiralität überwachte Tests, die den ersten Eindruck bestätigten. Noch im selben Jahr stellte die Turbinia den offiziellen Geschwindigkeitsrekord von 34,5 Knoten auf; mehr als 4 Knoten schneller als jedes andere Schiff zu dieser Zeit.

Im Jahre 1900 wurde die Turbinia für eine Demonstration nach Paris entsandt und auf der dortigen Weltausstellung Exposition Universelle et Internationale de Paris präsentiert, wo sie einen Großen Preis und eine Goldmedaille gewann.

Nachfolgemodelle

Beflügelt durch den Erfolg der Turbinia gründete Parsons seine eigene Werft Turbine Works in Wallsend-on-Tyne und baute als erstes im Auftrag der Royal Navy zwei turbinengetriebene Torpedobootzerstörer, die HMS Viper und die HMS Cobra. Sie wurden 1899 fertiggestellt, und obwohl beide später bei Unfällen sanken, überzeugten sie die Navy endgültig von der Leistungsfähigkeit des Turbinenantriebes. Wenige Jahre später, 1905, verfügte die Admiralität, dass alle zukünftig für die Royal Navy gebauten Kriegsschiffe einen Turbinenantrieb erhalten sollten. Im Jahre 1906 wurde das erste turbinengetriebene Schlachtschiff der Navy, die revolutionäre HMS Dreadnought, in Dienst gestellt.

Das erste zivile Schiff mit Turbinenantrieb, das Parsons' Werft verließ, war die King Edward, ein Passagierschiff, das auf dem Fluss Clyde und dem Firth of Clyde in Schottland verkehrte. Kurze Zeit später folgten mit der Victorian und der Virginian (Bj. 1905) die ersten Schiffe mit Parsonsturbine, die den Atlantik überquerten und mit der RMS Lusitania (Bj. 1906) und der RMS Mauretania (Bj. 1907) die ersten großen Passagierdampfer, die beide Träger des Blauen Bandes waren.

Verbleib im Museum

1907 wurde die Turbinia von einem größeren Schiff gerammt und schwer beschädigt. Sie wurde zwar repariert, hatte danach aber mit mechanischen Problemen zu kämpfen, so dass sie schließlich außer Dienst gestellt und an Land konserviert wurde.

1926 wurde das berühmte Schiff an das Science Museum (Wissenschaftsmuseum) in London verkauft. Da der designierte Ausstellungsraum im South Kensington Museum in London nicht genug Platz bot, wurde die Turbinia zerschnitten und es wurde nur das Heck mit dem Antrieb ausgestellt. Der vordere Teil stand ab 1944 in einem Freilichtmuseum in Newcastle upon Tyne.

Ab 1959 wurde der beschädigte Mittelteil vom Wissenschaftsmuseum rekonstruiert, das gesamte Schiff wieder zusammengesetzt und im Municipal Museum of Science and Industry (Städtisches Wissenschafts- und Industriemuseum) in Newcastle ausgestellt. 1994 wurde die Turbinia ins Discovery Museum in Newcastle verlegt, wo sie bis heute zu bewundern ist. Die Originalturbine wurde herausgenommen und ist im Wissenschaftsmuseum in London zu sehen.

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