- Basic Income Grant
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Basic Income Grant (BIG, auf Deutsch Grundeinkommenstipendium) ist ein Sozialprojekt, das jedem Bürger von Namibia ein bedingungsloses Grundeinkommen geben würde. Für jede Person ist eine bedingungslose Auszahlung von monatlich mindestens 100 N$ (dies entspricht rund 10 €) bis zum Rentenalter (60 Jahre) vorgesehen. Die Finanzierung erfolgt aus Spendengeldern.
Der Basic Income Grant wurde erstmals im September 2003 von der offiziellen Kommission Namibian Tax Consortium (Namtax) vorgeschlagen. Er wird von der BIG-Koalition, einem breiten Bündnis aus Kirchen und Entwicklungshilfeorganisationen, getragen.
Im Januar 2008 startete ein zweijähriges Pilotprojekt in der namibischen 1000-Seelen-Gemeinde Omitara. Alle Einwohner, vom Säuglings- bis zum Rentenalter von 60, bekommen monatlich einen Betrag von 100 N$ bedingungslos ausgezahlt. Im sechsmonatigen Abstand werden ihre Lebensbedingungen gemessen und verglichen. Die Projektleitung verspricht sich eine signifikante Verbesserung der Lebensbedingungen durch die Zahlungen.[1]
Inhaltsverzeichnis
Aktuelles
Das Projekt wurde bis 2011 verlängert[2], hat jedoch mit dem Austritt des Nationale Gewerkschaftsverband (NUNW) einen großen Rückschlag erlitten. Der NUNW sieht das Projekt als den falschen Weg an um die wirtschaftlichen Probleme einzelner Personen zu lösen.[3]
Finanzierung
Da in Namibia bisher kein staatliches Sozialhilfesystem besteht, würde seine Schaffung mit hohen Ausgaben für Bürokratie (Verwaltung, Bedürftigkeitserfassung, …) verbunden sein. Durch die bedingungslose Auszahlung können diese Kosten eingespart werden. Zurzeit sind drei mögliche Finanzierungswege im Gespräch. Die Mehrwertsteuer soll um 6,5 % angehoben werden. Des Weiteren ist eine Umgestaltung des Steuersystems im Gespräch. Die Einkommensteuer soll progressiv angehoben werden, sodass die Kosten vor allem die einkommensstarken Bewohner zu tragen hätten. Eine dritte Finanzierungsquelle soll durch die vollständige Umstrukturierung des staatlichen Ausgabenbudgets erschlossen werden.[4]
Berechnungen von Befürwortern des Grundeinkommens zufolge würde die landesweite Einführung des BIG den namibischen Staat zwischen zwei und vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) kosten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) spricht hingegen von über fünf Prozent. Bei einem Aufwand von über fünf Prozent des BIP gilt das Projekt als nicht durchführbar. Die Zahlen des IWF wurden von der BIG-Koalition in Frage gestellt.[5]
Begründung
Mit Hilfe des Basic Income Grant soll vor allem das Problem der Armut sowie der ungleichen Einkommensverteilung bekämpft werden. Namibias Gini-Koeffizient liegt bei 0,7. Damit ist Namibia das Land mit der weltweit größten gemessenen Einkommensungleichheit.[6] Zwei Drittel der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Das BIG soll die Eigeninitiative fördern. Menschen die bisher soziale Hilfe in Anspruch nahmen, wurden für die Aufnahme einer entgeltlichen Tätigkeit, durch Entzug dieser Zuschüsse, „bestraft“. Zudem werden sich positive Effekte auf die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit ausgerechnet. Viele Menschen seien zu arm, um überhaupt in der Lage zu sein sich für eine Anstellung zu bewerben (Mobilitätsdefizite, Fehlen passender Kleidung, keine Postanschrift, …). Des Weiteren wird in der Diskussion auf den Zusammenhang von Aids und Armut verwiesen. Unter den Ärmsten ist die Aidsinfektionsrate am höchsten. Das BIG soll die Ausbreitung von Aids eindämmen.
Die Vorschläge in Namibia greifen die Diskussion auf, die in Südafrika seit längerem geführt wird.
Die BIG-Koalition
Die BIG-Koalition ist ein im April 2005 entstandenes breites Bündnis von Kirchen und Entwicklungshilfeorganisationen. Ziel ist die Bekämpfung der Armut in Namibia durch die Etablierung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Dem Bündnis gehören der Kirchenrat Namibias, der Dachverband der Nichtregierungsorganisationen (Nangof), der Dachverband der Aidshilfe-Organisationen (Nanaso), der Nationale Gewerkschaftsverband (NUNW) (bis 2010), die juristische Bürgerberatung LAC und das Labour Resource and Research Institute (LaRRI) an. Sitz der Kampagne ist die Abteilung für Soziale Entwicklung (DfSD) der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Namibia (ELCRN). Die Leitung des Projekts obliegt Claudia Haarmann und Dirk Haarmann.[7]
Das Pilotprojekt: Omitara
Das im Januar 2008 gestartete Pilotprojekt wird in dem Ort Omitara durchgeführt. Das ausschließlich aus Spenden finanzierte Projekt soll die administrative Durchführbarkeit und die armutsmindernden Wirkungen des BIG belegen. Die Stadt sei repräsentativ für die ökonomischen Probleme vieler Orte in Namibia. Der Ort liegt in Otjivero 100 km östlich von Windhoek. Die zu Beginn des Projekts gezählten 940 Einwohner von Omitara erhalten zwei Jahre lang monatlich 100-N$. Auch Strafgefangenen steht diese Zahlung zu. Menschen, die über 60 Jahre alt sind, erhalten keine Auszahlung, da ihr Lebensunterhalt durch den Anspruch auf eine gesetzliche Mindestrente gedeckt wird. Die Auszahlung erfolgt über eine Chipkarte, auf der die persönlichen Daten (Name, Foto, Fingerabdrücke, Registriernummer, erfolgte Zahlungsvorgänge) eines jeden Einwohners gespeichert sind. Die Auszahlung des Geldes kann bis zu sechs Monate verzögert erfolgen.[7] In den ersten Monaten des Projekts wurde die Geldvergabe zentral an einem Tag durchgeführt, dabei kam es zu kleineren Auseinandersetzungen.
Das Projekt wird im halbjährlichen Zyklus evaluiert. Der erste Bericht wurde im September 2008 veröffentlicht.[8] Mitinitiator Herbert Jauch vom Labour Resource and Research Institute berichtet in einem Interview in der Zeitschrift Publik-Forum, dass nach zwei Jahren praktisch kein Kind des Dorfes mehr unternährt ist. Vor der Einführung des Basic Income Grants war fast die Hälfte der Kinder davon betroffen. Inzwischen beenden rund 90 Prozent der Kinder die Grundschule, zuvor lag dieser Anteil bei 40 Prozent. Die öffentliche Klinik in Otjivero wird nun vier Mal so stark genutzt. Durch das BIG wurden nach Berichten auch vermehrt unternehmerische Aktivitäten angestoßen. Entscheidend ist dabei, dass die Menschen eine erste Ausstattung für die Unternehmung kaufen können, und dass andererseits ausreichend Kaufkraft im Dorf vorhanden ist, die Produkte zu kaufen. Laut Polizeistatistatistik haben Fälle von Wilderei und Holzdiebstahl um 60 Prozent abgenommen. Um zu verhindern, dass das Geld vertrunken wird, haben die Dorfbewohner ein Komitee gegründet, um sich gegenseitig zu beraten, wie mit dem Geld umzugehen ist. Es wurde vereinbart, dass die Kneipen des Ortes am Auszahlungstag geschlossen bleiben. Und das BIG für die Kinder wird in der Regel nur an Frauen ausbezahlt. Insgesamt wird das Fazit gezogen, dass sich die Machtverhältnisse im Ort geändert haben: die Stellung der Frauen hat sich verbessert, und die Dorfbewohner sind selbstbewusster gegenüber den umliegenden weißen Farmern geworden. Als negative Auswirkung war festzustellen, dass als Folge Menschen aus anderen Landesteilen nach Otjivero gezogen sind (meistens Verwandte, die keinen Anspruch auf das Einkommen haben). [9]
Einzelnachweise
- ↑ Zeitungsartikel in der AZ Namibia
- ↑ Grundeinkommen bis Ende 2011. Allgemeine Zeitung, 13. Juli 2010
- ↑ NUNW verlässt BIG-Koalition, Allgemeine Zeitung, 8. Juli 2010
- ↑ englischsprachige Informationsbroschüre der BIG-Koalition
- ↑ Evangelische Kirche von Westfalen (Hg.): Schriftlicher Bericht des Präses über die Tätigkeit der Kirchenleitung sowie über die für die Kirche bedeutsamen Ereignisse, S. 18
- ↑ Vorstellung des Pilotprojektes
- ↑ a b Birgit Pfeiffer: Namibia. Pilotprojekt für Grundeinkommen gestartet. Zweijähriger Praxistest soll zeigen, dass sich mit BIG Armut verringern lässt, in: afrika süd – zeitschrift zum südlichen afrika, 2/2008.
- ↑ Haarmann u. a.: [“Towards a Basic Income Grant for All”. Basic Income Grant Pilot Project. Assessment Report, September 2008]
- ↑ Publik-Forum Nr. 8/2010, S. 22 f. (nicht frei verfügbar)
Literatur
- Claudia Haarmann und Dirk Haarmann: The Basic Income Grant in Namibia. Resource Book, Windhoek 2005, ISBN 978-99916-842-0-8.
- Claudia Haarmann und Dirk Haarmann: Einkommenssicherheit statt Wohltätigkeit – Namibias Chance zur nachhaltigen Entwicklung, in: Andreas Exner: Grundeinkommen. Soziale Sicherheit ohne Arbeit, S. 238–254
Weblinks
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