- Unmöglichkeitssatz von Balinski und Young
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Nach dem Unmöglichkeitssatz von Balinski und Young kann kein Sitzzuteilungsverfahren gleichzeitig die Quotenbedingung erfüllen und vom Wählerzuwachsparadoxon frei sein.
Inhaltsverzeichnis
Interpretation
Der Satz ist interessant, weil beide damit unvereinbaren Forderungen als Mindestanforderungen an ein gerechtes Sitzzuteilungsverfahren gesehen werden können. Der Satz besagt also unmathematisch gesprochen, dass ein perfektes Sitzzuteilungsverfahren unmöglich ist. Er ermöglicht außerdem eine Einteilung der üblichen Sitzzuteilungsverfahren in die der Quotenbedingung genügenden Quotenverfahren und die vom Wählerzuwachsparadoxon freien Divisorenverfahren.
Mathematische Formulierung
Die Anzahl der Parteien sei P, die Anzahl der zu vergebenden Sitze N. Wir benennen die Zahlen der abgegebenen Stimmen mit , dabei ist s1 die Stimmenzahl von Partei 1 usw.
Ist K die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen, so stünden der Partei i rechnerisch Sitze zu, was natürlich in aller Regel zunächst keine ganze Zahl ergibt. Die qi nennt man auch Quoten.
Ein Sitzzuteilungsverfahren ordnet jeder Stimmenverteilung eine Sitzverteilung zu, wobei die mi natürliche Zahlen sind, die in der Summe N ergeben. Das Ergebnis soll nicht von der Reihenfolge der si abhängen, d. h. wenn si mit sj vertauscht wird, dann sollen sich auch die zugeteilten Sitze mi mit mj vertauschen und sich sonst am Ergebnis nichts ändern.
Damit ein Sitzzuteilungsverfahren ganz gerecht wäre, müsste es mindestens die beiden folgenden Bedingungen erfüllen:
(Quot) Die Quotenbedingung: , d.h. die tatsächlich zugesprochene Sitzanzahl darf von der Quote nur um weniger als 1 abweichen.
(Mon) Populations-Monotonie: Wenn bei einer anderen Stimmenverteilung das Verhältnis der neuen Quoten qi' und qj' sich gegenüber dem Verhältnis der alten Quoten qi und qj zugunsten von Partei i verändert hat oder zumindest gleich geblieben ist (d.h. wenn ), dann soll Partei i mindestens so viele Sitze wie zuvor bekommen oder Partei j höchstens so viele wie vorher, insgesamt also: .
Anmerkung: Nicht berücksichtigt ist der Fall, dass zwei Parteien genau gleiche Quoten haben, so dass zwischen ihnen gelost werden müsste. Dieser Fall spielt aber für den folgenden Beweis keine Rolle.
Der Satz lautet nun: Für und existiert kein populationsmonotones Zuteilungsverfahren, das der Quotenbedingung genügt.
Beweis
Unterstellt, es gebe ein solches Verfahren.
Wir gehen zuerst von der Situation aus, dass sich folgende Quoten ergeben haben: , wobei q5 bis qP natürliche Zahlen seien und eine kleine positive reelle Zahl (in der Tat notwendigerweise rational). Welche konkrete Stimmenverteilung zu diesen Quoten geführt hat, ist hier nicht wichtig. Man muss sich nur klar machen, dass es eine solche Stimmenverteilung zu diesen Quoten gibt. Für später anzumerken ist: Da q1 bis q4 sich zu 7 aufaddieren, ist .
Da unser Verfahren die Quotenbedingung erfüllt, gilt und und mi = qi für .
Dann ist , also muss mindestens eine der Parteien 2 bis 4 leer ausgehen. Aufgrund der Populationsmonotonie kommt nur Partei 4 in Frage (Begründung hierzu: Man vertausche die Quoten von Partei 3 und Partei 4 – wodurch sich auch die zugeordneten Sitze vertauschen müssen, da das Ergebnis nicht von der Reihenfolge abhängen darf und alle Parteien gleich behandelt werden müssen – und wende das Populationsmonotonie-Kriterium an). D.h. m4 = 0.
Nun betrachten wir einen anderen Wahlausgang; als Quoten haben sich ergeben: , wobei wieder q5' bis qP' natürliche Zahlen seien; das sei das gleiche wie oben.
Nach der Quotenbedingung gilt und m2' = 2 und , sowie mi' = qi' für .
Dann ist , also können nicht m3' und m4' beide 0 sein, d.h. mindestens eine der beiden Zahlen ist 1. Wieder wegen der Populationsmonotonie muss auf jeden Fall m4' = 1 sein.
Es hat sich also gegenüber der ersten Wahl Partei 1 verschlechtert und Partei 4 verbessert. Wegen der Populationsmonotonie darf es nicht möglich sein, dass sich zugleich die Quote von Partei 1 im Verhältnis zur Quote von Partei 4 verbessert hat oder gleich geblieben ist (denn daraus würde lt. Populationsmonotonie folgen, dass sich Partei 1 verbessern oder Partei 4 verschlechtern muss). Es muss also gelten: .
Da jedoch (bei hinreichend großer Gesamtstimmenzahl K) durchaus möglich ist, führt die Annahme, es gebe ein Verfahren, das Quotenbedingung und Populationsmonotonie zugleich erfüllt, zu einem Widerspruch. Somit ist die Unmöglichkeit eines solchen Verfahrens bewiesen.
Bemerkung: Der obige Beweis gilt in dieser Form nicht im Fall P = 4,N > 7. Außerdem verlangt er implizit, dass K "hinreichend groß" und durch 6 teilbar ist (sonst könnten Quoten und nicht auftreten). Diese Schwierigkeiten lassen sich durch entsprechende Feinarbeit aus dem Weg räumen.
Literatur
- Michel L. Balinski, H. Peyton Young: Fair Representation. Meeting the Ideal of One Man, One Vote. Yale University Press, New Haven CT u. a. 1982, ISBN 0-300-02724-9.
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