Urfé

Urfé
Honoré d’Urfé

Honoré d’Urfé (* 11. Februar 1568 in Marseille; † 1. Juni 1625 in Villefranche-sur-Mer bei Nizza) war ein französischer Offizier, Höfling und Schriftsteller. Sein Name ist verbunden mit L'Astrée, einem so umfang- wie erfolg- und einflussreichen Schäferroman.

Leben und Werk

D’Urfé kam als fünfter von sechs Söhnen einer altadeligen Familie im Marseiller Haus seines Onkels zur Welt, des Comte de Savoie-Tende, Gouverneur der Provence. Seine Kindheit verbrachte er überwiegend auf dem Schlösschen La Bastie im Forez am Oberlauf der Loire. Er wurde früh für den Malteserorden bestimmt und besuchte bis 1584 das Jesuitenkolleg in Tournon an der Rhône, wo er eine umfassende Bildung erwarb. Im selben Jahr, mit 17, veröffentlichte er ein erstes Schäfergedicht, La Sireine. Mit Anfang 20 hatte er die Idee zu einem Schäferroman nach italienischen und spanischen Vorbildern, das heißt vor allem Sannazaros Arcadia, Tassos Aminta, Guarinis Il pastor fido/Der treue Schäfer, Montemayors Diana und Cervantes' Galatea.

Doch wurde zunächst nichts aus dem Roman, denn 1590 unterbrach d’Urfé sein Leben als lesender und schreibender (und offenbar nicht eben mönchisch-keuscher) junger Edelmann und schloss sich der Armee der Katholischen Liga an, die 1589 den zunächst noch protestantischen neuen König Heinrich IV. nicht anerkannte und im Bündnis mit dem König von Spanien und dem Herzog von Savoyen gegen ihn einen Bürgerkrieg führte. Zweimal geriet er hierbei in Gefangenschaft, kam aber durch die Intervention von Verwandten jeweils wieder frei. 1595, nach der Niederlage der Liga, ging er ins Exil nach Savoyen, das damals nicht zu Frankreich gehörte und mit dessen Herzog er über seine Mutter verwandt war.

Dort, am Hof von Turin und in einem Schlösschen seiner Mutter, schrieb er wieder: zwei Bände Épîtres morales/Moralische Episteln (gedruckt 1598 und 1603) und den Anfang seines seit langem projektierten Romans, L'Astrée. 1600 heiratete er seine Jugendliebe und Ex-Schwägerin Diane de Chateaumorand, nachdem deren Ehe vom Papst für nichtig erklärt und er selbst von seinem Ordensgelübde entbunden war. Allerdings trennten sich die Gatten ziemlich bald, wenn auch gütlich. L'Astrée, die von der Liebe des Schäfers Céladon zu Astrée erzählt, verarbeitet in vielerlei Hinsicht d'Urfés zunächst lange Zeit unerlaubte Liebe zu seiner Schwägerin.

1603 machte er, so wie viele andere zuvor oppositionelle Adelige, seinen Frieden mit Heinrich IV. und lebte hiernach meist in Paris, wo er dem König als „gentilhomme ordinaire“ (eine Art Edeldomestik) diente, mit Malherbe sowie anderen Literaten verkehrte und die einschlägigen Salons, zum Beispiel das Hôtel de Rambouillet, frequentierte. Allerdings war er auch oft in Turin oder auf seinen Besitzungen.

Zugleich führte er seinen Schäferroman fort. 1607 wurde der erste Band gedruckt, 1610 und 1619 Bd. II und III. 1624 folgte ein Teil von Bd. IV, 1627 (schon postum) der ganze Band, dem d'Urfés langjähriger Sekretär Baro 1627 einen fünften Band hinzufügte, der wohl etwa der originalen Konzeption entspricht. Der Autor nämlich hatte inzwischen am Krieg des Herzogs von Savoyen gegen Genua teilgenommen und war dabei durch einen Sturz mit dem Pferd ums Leben gekommen. Es folgte noch ein apokrypher Band 6. Insgesamt besteht das Werk – ohne den Band 6 – aus 5 Teilen mit insgesamt 40 Geschichten, die in 60 Bücher unterteilt sind und in der Originalausgabe 5399 Seiten umfassen.

Wie der Name der Titelfigur, Astrée, andeutet, spielt die Handlung des Romans nicht, wie in den oben genannten literarischen Vorbildern, in einem räumlich und zeitlich fernen legendären Arkadien, sondern in Frankreich, genauer in d'Urfés Heimatgegend, dem Forez. Immerhin wird sie zurückverlegt in das 5. Jh. n. Chr., das heißt die Zeit der Völkerwanderung, von deren Wirren das Forez aber ausgenommen scheint. Aus d'Urfés Begründung für die Wahl gerade dieser Epoche geht hervor, dass er sie deshalb getroffen hat, weil es noch keine Könige gab. Das Werk formuliert also implizit auch die Reserven großer Teile der Aristokratie gegenüber den zentralistischen und absolutistischen Tendenzen der französischen Monarchie, die durch die Religionskriege zwar erschüttert, aber letztlich bestärkt worden waren.

L'Astrée besteht aus einer Haupthandlung, in die nach dem Schubladenprinzip mehrere Nebenhandlungen, zahlreiche Binnenerzählungen sowie lange Diskussionen der Figuren über alle Aspekte der Liebe eingebettet sind. Die Haupthandlung erzählt die Geschichte der Liebe des anfangs 14-jährigen Céladon zu der 12-jährigen Astrée, die ihn wegen seiner vermeintlichen Untreue verstößt und erst nach langen, langen Prüfungen wieder aufnimmt. In Bd. III zum Beispiel lebt Céladon als angebliche Druidentochter unerkannt mit Astrée in engster Freundschaft zusammen, was ihn oft in Bedrängnis bringt.

L'Astrée ist von der Technik her eine Summe der Romankunst der Zeit. Vor allem aber hatte sie wegen der psychologischen Einfühlsamkeit der Personendarstellung, der salongemäß kultivierten Reden der Personen und des schönen Dekors, in dem die Handlung spielt, einen enormen und langandauernden Erfolg in adeligen, aber auch in bürgerlichen Kreisen. Das Werk diente als Vorlage für andere Schäferromane, Schäfergedichte, Schäferspiele, Schäferopern und -ballette, sowie für viele Gemälde, Stiche, Wandteppiche usw. Der männliche Protagonist Céladon wurde zum Prototyp des schmachtenden, schüchternen Liebhabers; sein Name ist ins französische Lexikon eingegangen in der Wendung „être un Céladon/ein (schüchterner) Celadon sein.“

Auch in Deutschland fand der Roman in Übersetzungen Verbreitung. Der Name „Celadon“ wurde von Georg Greflinger, Michael Behm, Christoph Adam Negelein und Søren Terkelsen als Pseudonym benutzt.

Literatur

  • Renate Jürgensen: Die deutschen Übersetzungen der „Astrée“ des Honoré d'Urfé. Tübingen: Niemeyer, 1990

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