- Urogenitaltuberkulose
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Klassifikation nach ICD-10 A18.1 Tuberkulose des Urogenitalsystems N74.0* Tuberkulöse Infektion der Cervix uteri N74.1* Tuberkulöse Entzündung im weiblichen Becken, Tuberkulöse Endometritis N33.0* Tuberkulöse Zystitis N51* Krankheiten der männlichen Genitalorgane bei anderenorts klassifizierten N29.1* Sonstige Krankheiten der Niere und des Ureters bei anderenorts klassifizierten infektiösen und parasitären Krankheiten ICD-10 online (WHO-Version 2011) Bei der Urogenitaltuberkulose handelt es sich um eine Sekundär- oder auch Organtuberkulose. Der Primärherd liegt häufig in der Lunge. Bei der Urogenitaltuberkulose handelt es sich nicht um eine Geschlechtskrankheit, jedoch um eine namentlich meldepflichtige Erkrankung.
Inhaltsverzeichnis
Epidemiologie
In Mitteleuropa ist die Urogenitaltuberkulose äußerst selten. Sie tritt heute meist zwischen dem 25. und 40. Lebensjahr und im hohen Alter, vor allem in Altenheimen, auf. 2006 wurden in Deutschland 1091 Fälle extrapulmonaler Tuberkulosen (Organbefall außerhalb der Lungen) gemeldet.[1] 2,5 % dieser extrapulmonalen Tuberkuloseerkrankungen betrafen das Urogenitalsystem.[2]
Pathogenese
Die Tuberkuloseerreger (Mycobacterium tubercolosis, selten Mycobacterium bovis) gelangen meist hämatogen, das heißt über das Blut, aus dem Primärherd zu den Nieren, Nebennieren, den Harnwegen und der Blase, sowie zu den Genitalien.
Niere, ableitende Harnwege und Harnblase
Anfänglich entstehen sogenannte Minimal lesions der Tuberkulose in der Niere oder anderen Urogenitalorganen. Aus dem sich bildenden verkäsenden Tuberkulom entsteht ein verkalkter Bezirk. Über den weiteren Verlauf entscheidet dann die Immunlage des Patienten. Schreitet die Erkrankung voran kommt es zu einer Zunahme der zentralen Nekrose und Verkalkungen in der Niere. Eine enge räumliche Beziehung der Nekrosen zum Hohlraumsystem der Nieren lassen Deformitäten der Nierenkelche, Kelchkavernen, Papillennekrosen, Kelchhalsstenosen und Nierenbeckenabgangsengen entstehen. Endzustand einer Nierentuberkulose ist eine sogenannte Kittniere, welche fast nur noch aus verkäsender Nekrose besteht und keine Funktion mehr besitzt. Narben der Harnleiter führen rasch zu einer Harnstauung, die bis zu einer Hydronephrose mit Funktionsverlust der Niere fortschreiten kann.
Weibliche Genitalorgane
Fast immer kommt es hier zu einem doppelseitigen Eileiterschleimhautbefall im ampullären Teil, von wo aus sich die Infektion über den Eileiter bis in die Gebärmutter ausbreitet.
Männliche Geschlechtsorgane
Die Erkrankung kann über die Blutbahn in die Nebenhoden absiedeln. Eine Nierenbeteiligung ist dabei nicht unbedingt erforderlich. Eine Erregerausbreitung über die Samenwege kann auch in die Hoden und in die Prostata erfolgen.
Symptome
20 % der urogenitalen Manifestationen einer Tuberkulose verlaufen völlig beschwerdefrei. Auftretende Symptome der Urogenitaltuberkulose sind eher uncharakteristisch. Mögliche Krankheitszeichen sind Schmerzen, Beschwerden beim Wasserlassen, Flankenschmerzen, Blut im Urin oder Pyurie, Verstopfung, Blähungen, Blutungsstörungen bis hin zum Ausbleiben der Menstruation. Bei einem Befall der Nebenhoden kommt es zu Schwellungen, Schmerzen und Rötung. Früher war die Genitaltuberkulose der Frau eher ein Zufallsbefund im Rahmen der Sterilitätsdiagnostik.
Diagnostik
- Tuberkulin-Test (nicht beweisend)
- Röntgen-Thorax (Primärtuberkulose in der Lunge)
- kultureller Tbc-Erregernachweis im Urin (Dauer ca. vier Wochen)
- Polymerase-Kettenreaktion (PCR) als Nachweis der Erreger im Urin
- Urografie
- Erregernachweis im Menstruationsblut
- Biopsie vom Endometrium
- Laparoskopie
Therapie
Therapiert wird die Urogenitaltuberkulose durch eine Kombinationstherapie aus Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid, falls erforderlich mit zusätzlich Ethambutol. Die Behandlung dauert üblicherweise sechs Monate.[3] Schlägt die Therapie nicht an, oder kommt es zu einer Kittniere oder Hydronephrose, ist meist eine chirurgische Resektion erforderlich. Bei Befall der Genitalorgane führt die Erkrankung in 90% der Fälle zu einer Sterilität.
Einzelnachweise
- ↑ Tuberkulosesituation in Deutschland
- ↑ Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2006 des Robert Koch-Instituts Berlin, Erscheinungsdatum 12. März 2008, ISBN 978-3-89606-105-8
- ↑ Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose: Richtlinien zur medikamentösen Behandlung der Tuberkulose im Erwachsenen- und Kindesalter. Pneumologie 2001; 55: 494-511
Literatur
- Manfred Stauber, Thomas Weyerstahl: Gynäkologie und Geburtshilfe. 2. Auflage
- The surgery of tuberculosis. Primary Surgery: Volume One: Non-trauma. Chapter 16 Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
- Bergstermann H, Häußlinger K: Tuberkulose. Internist 43 (2002), 861-871
- Lenk S, Schroeder J: Genitourinary tuberculosis. Curr Opin Urol 11 (2001), 93-8
- Petersen L, Mommsen S, Pallisgaard G: Male genitourinary tuberculosis. Report of 12 cases and review of the literature. Scand J Urol Nephrol 27 (1993), 425-8
- Wise G, Marella V K: Genitourinary manifestations of tuberculosis. Urol Clin North Am 30 (2003), 111-21
Weblinks
- Urologielehrbuch
- Doccheck Flexikon: Urogenitaltuberkulose
- Website des Deutschen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
- AKH Consilium der Medizinischen Universität Wien
- Sammlung von Leitlinien des Schweizerischen Bundesamtes für Gesundheit
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