- Verbot des Einzelfallgesetzes
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Einzelfallgesetze sind in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Grundgesetz grundsätzlich verboten. Der Begriff Einzelfallgesetz wird in der Rechtswissenschaft benutzt und hat mit der Möglichkeit der Einschränkung in der Verfassung garantierter Grundrechte zu tun. Das Verbot von Einzelfallgesetzen dient dem Grundrechtsschutz.
Inhaltsverzeichnis
Die Regelung in der Verfassung
Das Grundgesetz (die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland) enthält in Art. 19 das Verbot des Einzelfallgesetzes. Dort heißt es in Absatz 1: „Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muss das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten.“
Ausnahmen
Das durch Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG statuierte Verbot ist ein grundsätzliches Verbot, von dem es auch Ausnahmen gibt. Da das Verfassungsrecht, zu dem Art. 19 GG gehört, das Recht mit dem höchsten Rang ist, können sich Ausnahmen nur aus der Verfassung selbst ergeben, so aus Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG (Enteignungsgesetze) und Art. 15 Satz 1 GG (Vergesellschaftungsgesetze), welche als leges speciales dem Art. 19 GG als lex generalis vorgehen.
Gesetze als Schranken der Grundrechtsausübung
Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes dienen Grundrechte in erster Linie dazu, „die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern.“ Jeder nicht gerechtfertigte Eingriff ist eine Grundrechtsverletzung. Soweit die Verfassung Eingriffe in die Freiheitssphäre zulässt, spricht man von „Schranken“ der Grundrechtsausübung. Eine solche Schranke ist der sogenannte Gesetzesvorbehalt. So findet sich in Art. 8 Abs. 2 GG die Formulierung, dass Versammlungen unter freiem Himmel „durch oder aufgrund eines Gesetzes“ beschränkt werden können.
Die Beschränkung des Gesetzgebers
Nach dem Wortlaut könnte der Gesetzgeber (die Legislative) solche Beschränkungen grenzenlos vornehmen. Es bedarf zunächst nur einer Regelung in der Form eines Gesetzes. Eine entsprechende Regelung kann für viele Fälle, theoretisch aber auch für einen einzelnen Fall erfolgen. So kann es für eine Regierung zum Beispiel politisch wünschenswert sein, in einer bestimmten politischen Situation eine Versammlung in Form einer Demonstration zu verbieten. Die Folgen für die Freiheitssphäre, die die Versammlungsfreiheit garantieren soll, liegen auf der Hand. Um Missbrauchsmöglichkeiten der Gesetzgebung zu verhindern, gibt es daher Beschränkungen der Schranken, sogenannte „Schranken-Schranken“. Sie sind also Beschränkungen von Beschränkungsmöglichkeiten.
Eine dieser „Schranken-Schranken“ ist im Art. 19 Abs. 1 GG niedergelegt worden. Hier wird der Gesetzgeber verpflichtet, grundrechtseinschränkende Gesetze so zu formulieren, dass sie wie bereits zitiert „allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten.“
Dies verhindert auf der einen Seite, dass der Gesetzgeber sich mit Einzelfallregelungen befasst, die nach der Lehre von der „Gewaltenteilung“ zum Aufgabenbereich der Verwaltung (der Exekutive) zu rechnen sind. Daneben wird aber auch verhindert, dass das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 GG beeinträchtigt wird. Ein Einzelfall darf zwar Anlass einer gesetzlichen Regelung sein. Das Gesetz darf aber nicht darauf abzielen, ausschließlich diesen Einzelfall zu regeln. Als Einzelfall versteht das Bundesverfassungsgericht dabei auch eine bestimmte Gruppe konkreter Fälle.
Grundrechtseinschränkende Gesetze müssen daher als „abstrakt generelle“ Regelungen formuliert werden.
Ein Beispiel aus der Rechtsprechung
Ein Beispiel für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu diesem Thema findet sich unter dem Aktenzeichen 1 BvL 2/91 vom 2. März 1999. In dem zu Grunde liegenden Fall hatte das Bundesverfassungsgericht unter anderem zu bewerten, ob eine Regelung im Montan-Mitbestimmungssicherungsgesetz mit Art. 19 Abs. 1 GG vereinbar ist. Unter Randnummer 109 f. heißt es:
- „Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verbietet grundrechtseinschränkende Gesetze, die nicht allgemein sind, sondern nur für den Einzelfall gelten. Die Anforderung, daß das Gesetz allgemein zu sein hat, ist dann erfüllt, wenn sich wegen der abstrakten Fassung der gesetzlichen Tatbestände nicht absehen läßt, auf wieviele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet ..., wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolgen möglich ist ... Daß der Gesetzgeber eine Anzahl konkreter Fälle vor Augen hat, die er zum Anlass seiner Regelung nimmt, verleiht dieser nicht den Charakter eines Einzelfallgesetzes, wenn sie nach der Art der in Betracht kommenden Sachverhalte geeignet ist, unbestimmt viele weitere Fälle zu regeln.“
- „Nach diesen Grundsätzen ist ... [hier folgt die zu beurteilende gesetzliche Bestimmung] kein Einzelfallgesetz. Es handelt sich vielmehr um ein ‚Anlassgesetz‘ im vorgenannten Sinn. Anlass zu der Regelung gaben dem Gesetzgeber zwar konkrete Fälle, in denen ihm das bevorstehende Ausscheiden bestimmter Konzernobergesellschaften aus der Montan-Mitbestimmung vor Augen stand. Die Regelung ist aber abstrakt formuliert und auf eine im Zeitpunkt ihres Erlasses nicht abschließend bestimmte Zahl von Unternehmen bezogen... Ein verdecktes Einzelfallgesetz könnte deshalb nur dann vorliegen, wenn solche künftigen Anwendungsfälle von vornherein ausgeschlossen wären.“
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