- Verschollene Generation
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Verschollene Generation, 1980 durch den Marburger Kunsthistoriker Rainer Zimmermann geprägt, hat sich als Sammelbezeichnung für Künstler der Jahrgänge um zwischen 1890 und 1914 etabliert, die in der Weimarer Zeit bereits hervorgetreten waren oder ihre Ausbildung beendet hatten und durch die Vorgaben zur Kunst im Nationalsozialismus an ihrer Wirkung gehindert wurden, etwa durch Ausstellungsverbot oder Beschlagnahmung der Werke in Museen während der propagandistischen Aktion „Entartete Kunst“ von 1937.
Diese waren oftmals bereits lokal bedeutsam, wie etwa einige Mitglieder der Hamburger Sezession. Zumeist werden Maler und Malerinnen der zweiten expressionistischen Generation dazu gezählt, die Zimmermann auch expressive Realisten nennt, aber auch Künstlerinnen und Künstler der Neuen Sachlichkeit. Oftmals gingen ihre Werke während des Krieges durch Bombenangriffe verloren. Nach Kriegsende fiel es ihnen schwer, an die Erfolge von vor der Zeit des Nationalsozialismus anzuknüpfen. Einige, wie Willem Grimm, Alexandra Povòrina, Fritz Burger-Mühlfeld, Friedrich Ahlers-Hestermann oder Manfred Henninger, lehrten als Professoren an Kunsthochschulen. Sie beteiligten sich zwar an Ausstellungen, blieben aber bislang nur einem kleineren Publikum bekannt.
Die Künstler und Künstlerinnen der Verschollenen Generation sind auf keinen einheitlichen Kunststil festzulegen. Sie arbeiteten sowohl gegenständlich als auch expressiv-realistisch (z. B. Willem Grimm) sowie abstrakt (z. B. Alexandra Povòrina, Fritz Burger-Mühlfeld und Richard Neuz).
In der teilweise heftig geführten Auseinandersetzung um die Grundrichtung der Kunst in Deutschland nach 1945 - Gegenständlichkeit versus Abstraktion - setzten sich die abstrakt arbeitenden Künstler durch. Karl Hofer war einer der prominenten Maler und Wortführer in dieser Debatte auf Seiten der Gegenständlichen. Sein Gegenspieler, der Kunsthistoriker Will Grohmann vertrat die gegenstandslose Richtung, die für Jahrzehnte die Überhand gewinnen sollte. Künstler vor allem des heute so bezeichneten Expressiven Realismus wurden angesichts der Übermacht der Gegenstandslosen in der Kunstszene der 1950er und 1960er Jahre immer weniger beachtet. Aber auch zahllose abstrakt arbeitende Künstler und vor allem Künstlerinnen (siehe von der Dollen) dieser Generation konnten sich nicht durchsetzen. Die Gründe hierfür bedürfen noch einer näheren Erforschung. Erst in den letzten Jahren, in der Nachfolge Zimmermanns, erfahren diese Künstler eine Neubewertung.
Literatur
- Ingrid von der Dollen: Malerinnen im 20. Jahrhundert. Bildkunst der „verschollenen Generation“. Geburtsjahrgänge 1890–1910. Hirmer, München 2000, ISBN 3-7774-8700-7.
- Anke Münster: „Kunst ist Spiel und tiefer Ernst“. Die Imaginistin Alexandra Povòrina (1865–1963), Leben und Werk. Gießen 2004 (Giessen, Univ., Diss., 2003).
- Werner Scheel (Hrsg.): Umbrüche. Maler einer verschollenen Generation. Reimer, Berlin 1998, ISBN 3-496-01174-2 ('Arcus 2).
- Martin Schönfeld: Hermann Kirchberger. Ein Künstler der „verschollenen Generation“. „woher? wohin?“ Figuren im Raum. Gemälde, Gouachen, Zeichnungen, Glasfenster. ERS, Berlin 1996, ISBN 3-928577-25-5.
- Rainer Zimmermann: Die Kunst der verschollenen Generation. Deutsche Malerei des expressiven Realismus von 1925–1975. Econ-Verlag, Düsseldorf u. a. 1980, ISBN 3-430-19961-1 (Überarbeitete Neuausgabe unter dem Titel: Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation. Hirmer, München 1994, ISBN 3-7774-6420-1).
Museen
- Museum Expressiver Realismus Neues Schloss Kißlegg / Allgäu, seit 2004 geschlossen
- Museum Baden, Solingen mit der Sammlung Gerhard Schneider (Bürgerstiftung für verfemte Künste)
Weblinks
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