- Vieldraht-Proporzionalkammer
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Eine Drahtkammer (auch Vieldrahtkammer genannt) ist ein Detektor für ionisierende Strahlung, der unter anderem bei Beschleunigerexperimenten in der Elementarteilchenphysik genutzt wird. Neben der Anzeige des Vorhandenseins von ionisierender Strahlung (wie beim Geiger-Müller-Zählrohr) werden in der Drahtkammer auch die Flugbahnen der Teilchen bestimmt.
Das Funktionsprinzip der Drahtkammer ist ähnlich dem des Geigerzählers: In einer mit Gas gefüllten Kammer wird ein Draht auf positive Hochspannung gelegt. Ein Teilchen, das nahe dem Draht vorbeifliegt, ionisiert dort das Gas, es kommt dadurch zwischen dem Draht und einer benachbarten Gegenelektrode (Kathode) zu einem elektrischen Strom. Während beim Geigerzähler nur ein Draht vorhanden ist, und die Kathode als Rohr gefertigt wurde, das den Draht umgibt, besteht eine Drahtkammer aus vielen solcher Drähte. Diese sind zwischen zwei Kathodenplatten parallel gespannt. An jedem Draht sitzt ein Verstärker; damit lässt sich bestimmen, bei welchem Draht das Teilchen vorbeiflog. Teilt man die Kathode in schmale Streifen, die quer zu den Drähten laufen, und misst man auch den Strom an diesen Streifen, lässt sich feststellen, nahe welchem Kreuzungspunkt eines Drahts und eines Kathodenstreifens das Teilchen geflogen ist. Eine andere Möglichkeit, die Position des Teilchens in zwei Dimensionen zu bestimmen liegt darin, zwei Drahtkammern mit zueinander gekreuzten Drähten übereinander zu montieren. Mit mehreren Lagen solcher Detektoren lassen sich die Teilchenbahnen auch dreidimensional rekonstruieren. Obwohl die Abstände zwischen den Drähten bzw. Kathodenstreifen im Bereich mehrerer Millimeter liegen, können die Teilchenbahnen mit Genauigkeiten von einigen zehntel mm bestimmt werden, indem die Signalstärken benachbarter Drähte bzw. Streifen verglichen werden.
Drahtkammern werden als sogenannte Proportionalzähler (engl.: multi-wire proportional chamber, MWPC) betrieben: In der hohen elektrischen Feldstärke nahe den Anoden-Drähten werden die Elektronen beschleunigt; wenn sie auf Gasatome treffen, ionisieren sie diese. Dadurch werden wieder Elektronen freigesetzt, und es kommt so (je nach angelegter Spannung und Gasdruck) zu einer Verstärkung des Stroms um einen Faktor 103 bis 106 (Ladungslawine). Der Strom-Impuls ist also proportional zur ursprünglich erzeugten Ladung. Es kann also die durch Ionisation erzeugte Ladungsmenge bestimmt werden und daraus auf die Teilchenart oder -energie geschlossen werden. Die angelegte Spannung ist im Gegensatz zum Geiger-Müller-Zählrohr zu gering (und der Gasdruck zu hoch), um eine selbständige Gasentladung zu zünden. Als Gas wird meistens ein Gemisch des Edelgases Argon (Hauptbestandteil) und eines weiteren Gases wie CO2 oder Methan bei einem Druck nahe 1 bar verwendet. Der Zusatz eines Nicht-Edelgases ist beim "Löschen" der Gasentladung von Bedeutung; die Gasmoleküle können Energie durch Dissoziation aufnehmen und verhindern damit eine unkontrollierte Entladung.
Die Elektronen brauchen eine gewisse Zeit, um vom Ort der Ionisation in der Teilchenbahn zur Anode zu wandern (zu "driften"). Wenn man in speziellen Drahtkammern diese Zeit bestimmt, lässt sich der Abstand der Teilchenbahn von den Drähten messen und somit die Teilchenbahn mit hoher Genauigkeit bestimmen. Eine solche Anordnung wird als Driftkammer bezeichnet.
Um die Geschwindigkeit der Elektronen im Gas (Driftgeschwindigkeit) zu messen gibt es spezielle Driftkammern, VDCs genannt, bei denen an bekannten Stellen Gasmoleküle ionisiert werden und dann die Driftzeit gemessen wird.
Um neben der Bahn der Teilchen auch deren Impuls (und damit bei bekannter Teilchenart die Energie) exakt bestimmen zu können, wird ein homogenes Magnetfeld senkrecht zur Bewegungsrichtung angelegt. Die Teilchen werden im Magnetfeld durch die Lorentzkraft abgelenkt. Aus der Krümmung der Bahnen wird der Impuls des Teilchens bestimmt. Da der Radius mit dem Teilchenimpuls wächst, kann die Krümmung mit steigendem Impuls (und damit hoher Teilchenenergie) weniger genau bestimmt werden. Daher eignet sich dieses Verfahren im Allgemeinen nicht, um die kinetische Energie hochenergetischer Teilchen genau zu bestimmen.
Der Vorteil der Drahtkammer gegenüber der Nebelkammer und der Blasenkammer liegt in der elektronischen Auswertbarkeit der erfassten Daten. Der Umweg über fotografische oder Video-Aufnahmen, wie bei der Nebel- und Blasenkammer sowie bei der zuvor verwendeten Funkenkammer entfällt. Ebenfalls werden weitaus mehr Ereignisse je Zeiteinheit erfasst.
Für die Entwicklung der Drahtkammer am CERN wurde der Nobelpreis für Physik 1992 an Georges Charpak vergeben.
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