Virtuelle Arbeitsgruppen

Virtuelle Arbeitsgruppen

In internationalen Unternehmen gibt es eine Entwicklung hin zu virtuellen Teams, die über nationale und kulturelle Grenzen sowie Zeitzonen hinweg zusammenarbeiten. Synonym für virtuelles Team findet sich insbesondere in früherer Literatur der Begriff virtuelle Arbeitsgruppe. Der Begriff virtuell ist missverständlich, wie Zaccaro und Bader[1] ausführen, denn er suggeriert, es handele sich um ein unwirkliches und künstliches Gebilde. Den gleichen Gedanken knüpften Lipnack und Stamps bereits 1998[2]. Um den im Deutschen missverständlichen Begriff „virtuell“ zu vermeiden – er suggeriert, dass diese Teams künstlich, unwirklich und keine „echten“ Teams seien – wird inzwischen häufiger von „standortverteilten“ oder „dezentralen“ Teams gesprochen.

Mit der Verbreitung von Computer gesteuerten Arbeitsprozessen in Profit- und Non-Profit-Organisationen und mit dem Einzug des Internets in Produktions- und Verwaltungsvorgängen taucht der Begriff Virtuelle Arbeitsgruppe, bzw. virtuelles Team seit den 1990er Jahren vermehrt auf.

In einem Beitrag von Sonja Utz in Boos (2000)[3], werden virtuelle Arbeitsgruppen als Teams beschrieben, deren Mitglieder sich aus unterschiedlichen und räumlich getrennten Unternehmen und Organisationen zusammensetzen. Das kennzeichnende Element virtueller Arbeitsgruppen ist die überwiegend medial vermittelte Kommunikation. In den Anfängen virtueller Zusammenarbeit finden sie sich vor allem im Forschungs- und Entwicklungsbereich.

Rainer Bergmann und Clemens Niederholtmeyer (Darmstadt 2003)[4] erweiterten den Begriff auf jede Arbeitsgruppe innerhalb einer oder mehrerer Organisationen nicht nur im Profit- sondern auch im Non-Profit-Bereich.

Inhaltsverzeichnis

Das virtuelle Team als Organisationsform

Bei einem virtuellen Teams handelt es sich um eine Organisationsform, deren Mitglieder

  • Zeitlich befristet, gelegentlich auch dauerhaft
  • Mit einem gemeinsamen Ziel
  • An verschiedenen Orten und evtl. zu verschiedenen Zeiten
  • Über regionale, nationale oder Unternehmens-Grenzen hinweg zusammenarbeiten und
  • Überwiegend medienvermittelt kommunizieren[5]

Ein „virtuelles Team“ kann die passende Arbeitsform für viele Problemstellungen sein, die eine überregionale, internationale oder organisationsübergreifende Zusammenarbeit erfordern.[6]

Nach Hertel/Konradt[7] unterscheiden sich virtuelle Teams nur graduell von co-präsenten Teams. Konzepte, die für herkömmliche Teams Anwendung finden, können auch auf virtuelle Teams übertragen werden. Studien zeigen allerdings, dass standortverteilte Teams eine andere Gewichtung einzelner Teamprozesse erfordern. So müssen Führungs- und Kommunikationsprozesse bewusster und aktiver gestaltet werden. Delegative Strategien bekommen besondere Bedeutung. Die Gestaltung von Feedbackprozessen, die in der computervermittelten Kommunikation häufig verzögert erfolgen, müssen sowohl über gezielten Medieneinsatz als auch über aktiveres Kommunizieren erfolgen, um Missverständnissen vorzubeugen. Der Aufbau von Teamidentifikation erfordert in einem virtuellen Team vor allem von der Teamleitung zusätzliche Kompetenzen, um Motivation und die Verankerung der gemeinsamen Ziele zu gewährleisten.

Virtuelle Teams stehen einer Reihe von Herausforderungen gegenüber:

  • Der direkte persönliche Kontakt untereinander ist begrenzt und damit der Aufbau von Vertrauen und die Verankerung gemeinsamer Ziele erschwert.
  • Die vorwiegend medienvermittelte Kommunikation erfordert zusätzliche Kompetenzen im Umgang mit den jeweiligen Medien.
  • Die häufige Verteilung über Zeitgrenzen hinweg verringert die Phasen, in denen die Teammitglieder zeitgleich zum Beispiel für Telefon- oder Videokonferenzen zur Verfügung stehen.
  • Die größeren kulturellen Unterschiede (sowohl nationale Kulturen als auch Organisationskulturen) und die verringerten Möglichkeiten zu Präsenztreffen erschweren die Verständigung über eine gemeinsame Basis der Zusammenarbeit und Problemlösung[8].

Diese Herausforderungen müssen durch die Teamführung ebenso wie durch die Teammitglieder gemeistert werden. Für die Führungsaufgabe in diesem Kontext hat sich der Begriff "Virtuelle Führung" oder „Führung auf Distanz[9]“ herausgebildet.

Medienkompetenz

Von besonderer Bedeutung für die standortverteilte Zusammenarbeit ist die Entwicklung von Medienkompetenz[10]. Hierzu gehören

  1. Die Fähigkeit, die Kommunikationsmedien (technisch) nutzen zu können.
  2. Medien zielführend auswählen und einsetzen zu können.
  3. Sich medienangemessen verhalten zu können und
  4. Sensibilisiert sein für die Eigendynamik und Eigenlogik von Kommunikationsmedien.

Großen Einfluss hat hier die Medienreichhaltigkeitstheorie, die von Draft und Lengel entwickelt und unter anderem bei Reichwald et. al[11] beschrieben wird. Das Modell stellt die Komplexität der jeweiligen Aufgabenstellung dem Informationsreichtum eines geeigneten Kommunikationsmedium gegenüber. Informationsreichtum bedeutet hier die möglichen Kanäle zur Übermittlung von sachbezogenen und sozialen Informationen.

Unterstützende Anwendungen für virtuelle Teamarbeit

Um die standortverteilte Zusammenarbeit auch von der technischen Seite her adäquat zu unterstützen, haben sich verschiedene Anwendungen herauskristallisiert, die je nach Aufgabenstellung eher die synchrone Kommunikation („Meeting Tools“, „virtual classroom“), die asynchrone Kooperation („Groupware-Tools“) oder die Koordination im Rahmen von Projekten (Projektmanagement-Software) unterstützen. Aktuelle Tendenzen zeigen, dass Anbieter versuchen, immer mehr Einzelanwendungen wie Chat, ICQ, Video, Discussion-Board, Dokumentenablage, Kalender etc. in integrierten Anwendungen zusammen zu führen.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. J.S. Zaccaro P. Bader (2003), E-Leadership and the Challenge of Leading E-Teams: Minimizing the Bad and Maximizing the Good, in: Organizational Dynamics, Vol. 31 (4), 2003, S. 377 ff.
  2. Lipnack, J. & Stamps, J. (1998), Virtuelle Teams, Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter, Wien/Frankfurt 1998, S.30
  3. Boos, Jonas, Sassenberg, Kai: Computervermittelte Kommunikation in Organisationen, Göttingen 2000
  4. Bergmann, Niederholtmeyer: Arbeiten im Internet. Virtuelle Arbeitsgruppen in Non-Profit-Unternehmen und Bildungsorganisationen, Darmstadt 2003
  5. Duarte, D.L., Snyder, N.T. (2001) Mastering virtual Teams (2nd ed.), Jossey-Bass, San Francisco
  6. Stöger, G., Thomas, G. (2007) Teams ohne Grenzen, Orell Füssli, Verlag AG, Zürich
  7. Hertel, G.; Konradt, U. (2007) Telekooperation und virtuelle Teamarbeit, Oldenbourg Verlag, München
  8. Schroll-Machl, S. (2000) Kulturbedingte Unterschiede im Problemlöseprozess, Zeitschrift für Organisationsentwicklung, 1/2000, S. 76-91
  9. D. Herrmann, K. Hüneke, A. Rohrberg (2006) Führung auf Distanz – mit virtuellen Teams zum Erfolg, Gabler Verlag, Wiesbaden
  10. D. Herrmann, K. Hüneke, A. Rohrberg (2004) Medienkompetenz und mehr: Voraussetzungen für veränderte Formen der (Zusammen)arbeit, Wirtschaftspsychologie aktuell, 03/2004, S.31-35
  11. Reichwald, R., Möslein, K., Sachenbacher, H., Engelberger, H. (2000) Telekooperation, verteilte Arbeits- und Organisationsformen, Springer Verlag, Berlin

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