Vitsentzos Kornaros

Vitsentzos Kornaros

Vitsentzos Kornaros (griechisch Βιτσέντζος Κορνάρος) (* 1553; † 1613 oder 1614) war ein griechischer Dichter. Er zählt zu den wichtigsten Vertretern der kretischen Literatur und war Autor des erzählenden Gedichtes Erotokritos. Die Zuschreibung des religiösen Dramas Η Θυσία του Αβραάμ (deutsch: Das Opfer des Abraham) an ihn wird von der neueren Forschung zugunsten eines anonymen Verfassers nicht aufrechterhalten.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Über die Herkunft von Kornaros gibt es keine absolut sicheren Informationen. Die überlieferte Darstellungen orientieren sich an den Aussagen, die der Dichter selbst am Ende seines Werks gibt: er nennt den Vornamen Vitsentzos, den Familiennamen Kornaros, als Geburtsstätte den Ort Sitia und die Stadt Kastro (Iraklio), in der er geheiratet hat. Bezüglich seiner Familie und seines Lebens, sagen die neuesten Untersuchungen, dass er am 26. März 1553 in Sitia als Sohn von Iakovos Kornaros und Zambeta Demetzo geboren wurde. Er kam aus einer vermutlich sehr reichen „hellenisierten“ venezianischen Adelsfamilie (vgl. Cornaro). Sein Bruder, Andreas Kornaros, hatte eine Geschichte Kretas geschrieben, die jedoch nie veröffentlicht wurde.

Er lebte in Sitia bis ungefähr 1580, als er nach Chandakas zog (heutiges Iraklio). Dort heiratete er Marieta Zeno, mit der er zwei Töchter bekam: Eleni und Katerina. Bis 1591 übte er Verwaltungsämter aus, und zu der Zeit der Pest (1591–1593) übernahm er das Amt des Gesundheitsbeauftragten. Er war auch Mitglied einer literarischen Vereinigung, der Akademie der Merkwürdigen, die sein Bruder Andreas gegründet hatte.

Er starb 1613 oder 1614 in Iraklio und wurde im Kloster des heiligen Franziskus beerdigt, die genaue Todesursache ist nicht bekannt.

Erotokritos

Das wichtigste Werk Kornaros’ war Erotokritos (griechisch Ερωτόκριτος), ein gereimter Roman von ungefähr zehntausend fünfzehnsilbigen Versen. Seine Sprache ist der kretische Dialekt, jedoch so, dass er ein besonderes literarisches Werkzeug darstellt, und mit einer auf Volksliedern basierenden Versform, obwohl das Werk gleichzeitig dennoch sehr verschieden von ihnen ist.

Direkte Vorlage für das Werk ist das im 15. Jahrhundert sehr populäre Paris et Vienne von Pierre de la Cypede. Der Erotokritos ist jedoch nicht nur eine einfache Kopie, sondern eine schöpferische Abwandlung mit besserem innerem Aufbau, so hat es im Vergleich zum französischen Original eine festere Struktur und weniger Wiederholungen. Kornaros kannte das französische Werk offensichtlich als italienische Übersetzung, denn es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass er des Französischen mächtig war.

Inhalt

Die Erzählung spielt im antiken Athen, doch die Beschreibung der Epoche passt besser zum westlichen Rittertum. Der Inhalt kann in die fünf folgenden Abschnitte geteilt werden:

  1. Der Athener König Herakles und seine Gemahlin bekommen nach vielen Ehejahren eine Tochter, Aretousa. Der Sohn des treuen Beraters des Königs, Erotokritos, verliebt sich in sie. Weil er seine Liebe nicht offen zeigen kann, geht er die Nächte an ihren Balkon und singt für sie. Das Mädchen verliebt sich seinerseits mit der Zeit in den unbekannten Sänger. Als Herakles von dem Sänger erfährt, stellt er ihm eine Falle, um ihn zu verhaften. Erotokritos aber schafft es zusammen mit einem Freund, die Soldaten des Königs zu töten. Er begreift, dass seine Liebe keinen Erfolg haben kann und reist nach Chalkis, um das Geschehen zu vergessen. In dieser Zeit erkrankt sein Vater und Erotokritos reist zurück nach Athen, um ihn zu besuchen. Als Aretousa zu seinem Wohnort geht, findet sie in seinem Zimmer ein Gemälde, welches sie darstellt, und die Verse, die er ihr vorsang. Als er zurückkehrt, stellt Erotokritos fest, dass das Gemälde und die Verse fehlen und er erfährt, dass nur Aretousa im Haus gewesen sei. Da er erkennt, dass seine Identität nun offenliegt, schließt er sich in sein Haus ein und simuliert Krankheit; Aretousa jedoch schickt ihm zur Genesung einen Korb mit Äpfeln, womit sie ihm auch ihre Gefühle für ihn zeigt.
  2. Der König lasst ein Lanzenturnier stattfinden, um seine Tochter zu unterhalten, aus dem Erotokritos als Sieger hervorgeht.
  3. Das Paar fängt an, sich heimlich am Balkon von Aretousa zu treffen. Sie versucht, ihn davon zu überzeugen, bei ihrem Vater um ihre Hand anzuhalten. Der König aber ist außer sich wegen der „Frechheit“ des Jünglings und verbannt ihn. Gleichzeitig treffen Brautbewerber für Aretousa vom König von Byzanz ein. Diese verlobt sich jedoch heimlich mit Erotokritos, bevor er die Stadt verlässt.
  4. Aretousa weigert sich, die Bewerber zu akzeptieren, und der König sperrt sie zusammen mit ihrer treuen Amme ein. Nach drei Jahren, als die Wlachen Athen belagern, erscheint Erotokritos getarnt. In einer Schlacht rettet er das Leben des Königs und wird verwundet.
  5. Um dem Fremden zu danken, bietet ihm der König die Hand seiner Tochter an. Aretousa weigert sich immer noch und bleibt im Gespräch mit dem getarnten Erotokritos dabei. Dieser gibt sich letztlich aber zu erkennen. Der König erkennt die Heirat an, schließt Frieden mit Erotokritos und seinem Vater und Erotokritos steigt auf den Athener Thron.

Handschriftliche und gedruckte Fassung

Das Werk war sehr beliebt und wurde als Handschrift im 17. Jahrhundert verbreitet. 1713 wurde es in Venedig von einem Kreter gedruckt, der viele Handschriften gesammelt hatte, auf die er sich stützte, um eine ausreichend originalgetreue und glaubwürdige Fassung zu erstellen. Keine der Handschriften ist erhalten geblieben, außer einem Fragment aus dem Jahre 1710, das aber weniger deckend mit der venezianischen Ausgabe ist. Wahrscheinlich wurde die Aufschrift abgebrochen, nachdem die gedruckte Fassung 1713 erschien.

Verbreitung und Widerhall

Als erstes zu bemerken sind seine Auswirkungen in kretischen „mandinades“ (neugriechisch μαντινάδες, eine Art Limericks). Auf Kreta hat es ferner eine fast mythische Tradition geschaffen: Die Namen der Helden haben bis heute als Taufnamen fortgelebt und in der Volksphantasie steht die Bezeichnung „Palast des Herakles“ für den Tempel des olympischen Zeus in Athen. Die große Verbreitung ist auf intellektuelle Reisende im ganzen 18. und 19. Jahrhundert zurückzuführen, die behaupteten, dass Menschen auf Kreta das ganze Werk auswendig konnten. Auch Giorgos Seferis bemerkt, dass in Smyrna Anfang des 20. Jahrhunderts das Verstehen des Textes, trotz der stark idiomatischen Sprache, einfach war.

Aber der größte Beweis seines Einflusses ist die Auswirkung, die es auf die neugriechische Dichtung gahabt hat. Beispiele für Gedichte, die von der Verskunst beeinflosst wurden, sind „Der Kreter“ von Dionysios Solomos, „Mutter Gottes“ von Angelos Sikelianos, der „Epitaphios“ von Giannis Ritsos und der „Neue Erotokritos“ von Pantelis Prevelakis.

Negative Einschätzungen des Werks haben natürlich auch nicht gefehlt. Etliche Gelehrten des 18. Jahrhunderts hielten es für eine minderwertige Lektüre wegen seiner volkstümlichen Sprache, insbesondere Dionysios Fotinos hatte das Werk in gelehrte, höhere, wie er dachte, Sprachform umgewandelt. Andreas Kalvos betrachtete es als eintönig und Iakovos Polylas verwarf es wegen seiner idiomatischen Sprache.

1929 wurde von D. Synadinos ein Theaterstück auf der Grundlage des Erotokritos inszeniert. 1966 verfilmte Nikos Koundouros das Werk. Das Gedicht wurde auch oftmals vertont und ist in dieser Form sehr beliebt auf Kreta. Der kretische Komponist Nikos Mamangakis verfasste 1985 die Oper Erotokritos und Aretousa.

Ausgaben

  • Βιτσέντζος Κορνάρος: Ερωτόκριτος. Επιμέλεια Στυλιανού Αλεξίου. Εστία, Αθήνα 1995 (Νέα Ελληνική Βιβλιοθήκη); zuerst: Βιτσέντζος Κορνάρος: Ερωτόκριτος. Κριτική έκδοση, εισαγωγή, σημειώσεις, γλωσσάριο (1980).

Literatur

  • Stylianos Alexiou: Ο χαρακτήρ του 'Ερωτοκρίτου'. In: Κρητικά Χρονικά. 1952, ZDB-ID 412478-9, S. 351–422 (Der Charakter der „Erotokritos“).
  • David Holton: Μελέτες για τον Ερωτόκριτο και άλλα νεοελληνικά κείμενα. Kastaniotis, Athen 2001, ISBN 960-03-2920-6 (Studien zum „Erotokritos“ und zu anderen neugriechischen Texten).
  • John Mavrogordato: The Erotokritos. Oxford University Press u. a., London 1929.
  • Panagiotis Roilos: Orality and Performativity in Erotokritos. In: Cretan Studies. 7, 2002, ZDB-ID 95116-x, S. 213–230.

Weblinks

 Wikisource: Vitsentzos Kornaros – Quellen und Volltexte

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