- Vogelschutzrichtlinie
-
Die Vogelschutzrichtlinie der EU (Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979) trat 1979 in Kraft und regelt den Schutz der wildlebenden Vogelarten und ihrer Lebensräume in der Europäischen Union. Die Richtlinie schreibt die Einschränkung und Kontrolle der Jagd ebenso wie die Einrichtung von Vogelschutzgebieten als eine wesentliche Maßnahme zur Erhaltung, Wiederherstellung bzw. Neuschaffung der Lebensräume wildlebender Vogelarten vor.
Inhaltsverzeichnis
Jagd und Vogelfang
Die Jagd auf Singvögel gab in den 1970er Jahren den Anstoß für die EU-Vogelschutzrichtlinie. Damals wurden Zugvögel z. B. in Belgien, Frankreich und Italien zu Millionen mit Netzen, Leimruten, Fallen und automatischen Waffen gefangen und gejagt. Seit der Verabschiedung der Richtlinie ist die Verwendung von Vogelfallen jeder Art in der EU verboten – Ausnahmen sind nur möglich, wenn es „keine andere zufriedenstellende Lösung“ gibt und wenn die Ausnahme nur „geringe Mengen“ von Exemplaren einer Art betrifft. Diese wenig klaren Vorgaben nutzen vor allem Länder wie Frankreich und Malta für die Freigabe von Vogelfallen zum Fang Hunderttausender Singvögel. Die Richtlinie zählt in verschieden Anhängen auf, welche Vogelarten von besonderer Bedeutung sind, welche besonderen Schutz bedürfen und welche Arten bejagt werden dürfen. Der Anhang II listet 82 Vogelarten auf, von denen 24 in der gesamten EU geschossen werden dürfen. Die restlichen 58 dürfen nur in jenen Ländern bejagt werden, die dies bei der Kommission beantragt haben. Alle anderen europäischen Vogelarten dürfen nicht den nationalen Jagdgesetzen unterliegen, stehen also europaweit unter Schutz.
Die Vogelschutzrichtlinie untersagt weiterhin die Jagd während der Brut- und Aufzuchtzeiten, die Jagd während des Rückzuges zu den Brutgebieten, das Zerstören bzw. Beschädigen von Nestern, das Sammeln und den Besitz von Eiern sowie absichtliche gravierende Störungen, vor allem zur Brutzeit.
Vogelschutzgebiete
Eine Reihe von besonders gefährdeten bzw. schutzwürdigen Arten ist in Anhang I der Richtlinie aufgelistet und umfasst zurzeit 181 Arten bzw. Unterarten. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die zur Erhaltung dieser Arten „zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete“ zu Schutzgebieten (SPAs = Special Protection Areas) zu erklären. In Deutschland kommen 67 dieser Anhang-I-Arten regelmäßig als Brut- oder Gastvögel vor und weitere sechs unregelmäßig. Vogelschutzgebiete, welche besondere Kriterien erfüllen, erhalten zudem das Prädikat Europareservat.
Besonders der Schutz von Zugvögeln, die auf ihren Wanderungen innerhalb weniger Tage mehrere Länder durchfliegen können, ist ein internationales Anliegen. Dem trägt die Vogelschutzrichtlinie insofern Rechnung, als sie Schutzmaßnahmen für die Brut-, Mauser- und Überwinterungsplätze von Zugvögeln einfordert. Wesentliche Bedeutung kommt dabei dem Feuchtgebietsschutz zu, insbesondere dem Schutz international bedeutender Feuchtgebiete. Somit erfolgt hier auch ein Brückenschlag zur Ramsar-Konvention, deren Ziel die Erhaltung international bedeutender Feuchtgebiete ist.
Handel
Prinzipiell ist nach der Vogelschutzrichtlinie der Handel mit sämtlichen europäischen Wildvögeln im lebenden oder toten Zustand bzw. ihren Federn, Eiern etc. verboten. Einzelne Arten sind jedoch von diesem Verbot ausgenommen, diese werden im Anhang III der Richtlinie aufgelistet. Hierzu zählen vor allem die häufigeren regulär jagdbaren Vogelarten, vornehmlich Enten- und Hühnervögel.
Probleme
Die Verabschiedung der EU-Vogelschutzrichtlinie im Jahr 1979 hat den Natur- und Vogelschutz in Europa ein großes Stück vorangebracht. Fast sämtliche Festsetzungen in der Richtlinie wurden inzwischen in die nationalen Gesetze aufgenommen. Probleme stellen zahllose Ausnahmen sowie die Umsetzung der gesetzlichen Regeln dar: Viele Länder, z. B. Frankreich, erlauben weiterhin den Einsatz eigentlich verbotener Vogelfallen aus traditionellen Gründen, genehmigen wie z. B. Malta die eigentlich untersagte Jagd zur Frühlingszeit oder geben – wie z. B. Italien – eigentlich geschützte Arten zum Abschuss frei. Oft muss die Europäische Kommission in langwierigen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof die Einhaltung der Vogelschutzrichtlinie durchsetzen. Eine Kontrolle der Jagd- und Vogelfangverbote durch lokale Polizeikräfte funktioniert in vielen Ländern bis heute nicht. Zudem läuft die Unterschutzstellung der für den Vogelzug bedeutsamen Zugrouten sowie die Ausweisung von Schutzgebieten für die besonders schutzwürdigen Arten nur sehr schleppend. Mit den nach wissenschaftlichen Kriterien identifizierten Important Bird Areas (IBAs) hat BirdLife International, der Dachverband des NABU, allerdings für alle Mitgliedstaaten der EU (und inzwischen weltweit) Vorschläge vorgelegt, die die Mitgliedstaaten nach einschlägiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) als Referenz für die Auswahl ihrer Vogelschutzgebiete heranziehen sollen. Im Juni 2007 hat die Europäische Kommission die Einreichung einer Klage gegen sieben Bundesländer (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Baden-Württemberg) beschlossen, weil diese auch nach fast 30 Jahren immer noch nicht alle erforderlichen Vogelschutzgebiete ausgewiesen haben (Verfahren 2001/5117).
Literatur
- A. Ssymank, U. Hauke, C. Rückriem und E. Schröder unter Mitarbeit von D. Messer: Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. BfN-Handbuch zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und der Vogelschutz-Richtlinie. Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz Bd. 53, 1998. 560 Seiten. ISBN 3-89624-113-3
- M. Gellermann: Natura 2000. Europäisches Habitatschutzrecht und seine Durchführung in der Bundesrepublik Deutschland. Schriftenreihe Natur und Recht. Band 4, 2. Auflage. Blackwell, Berlin und Wien 2001, 293 Seiten.
- C. Mayr: 25 Jahre EG-Vogelschutzrichtlinie in Deutschland – Bilanz und Ausblick. Natur und Landschaft 79, Heft 8, 2004; S. 364–370.
Siehe auch
- Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
- Speyerer Auwald als Beispiel für ein Gebiet unter dem Schutz der Richtlinie
Weblinks
Wikimedia Foundation.