- Vokalharmonie
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Die Vokalharmonie (auch Synharmonismus) ist ein phonologischer Prozess, bei dem mehrere Vokale bezüglich bestimmter Merkmale aneinander angeglichen werden.
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Im weiteren Sinn ist die Vokalharmonie jede Angleichung von Vokalen an den Artikulationsort oder die Artikulationsart eines anderen Vokals. Es handelt sich also um einen Assimilationsvorgang. Die Entstehung der deutschen Umlaute fällt in diese Kategorie.
Der Vorgang ist, wie andere Assimilationsprozesse auch, an bestimmte Domänen gebunden, in den meisten Fällen an das phonologische Wort. In einigen Sprachen kann es vorkommen, dass nur bestimmte Vokale harmonieren, während andere für den Prozess transparent sind, was bedeutet, dass diese Vokale dem Prozess der Vokalharmonie nicht unterliegen.
In den meisten Fällen betrifft die Vokalharmonie die Merkmale gerundet/ungerundet bzw. geschlossen/offen.
Beispiele für Vokalharmonie
Türkisch
Im Türkischen gibt es zwei verschiedene Allomorphe, um den Plural anzuzeigen, nämlich -ler und -lar. Die Wahl des Allomorphs hängt vom letzten Vokal in der vorangehenden Silbe ab: -lar folgt auf a, ı, o und u; -ler auf e, i, ö und ü. So heißt es zum Beispiel "ev – evler" (Haus – Häuser), aber "kitap – kitaplar" (Buch – Bücher). Dies stellt die sogenannte kleine Vokalharmonie (küçük sesliler uyumu) dar.
Faustregel: Buchstaben mit Punkten darüber (ö, ü, i und zusätzlich e [vgl. e=ä]) in der letzten Silbe erhalten die Endung -ler.
Die große Vokalharmonie (büyük sesliler uyumu) unterscheidet vier statt zwei Fälle: Im Suffix werden nicht a oder e, sondern i, ı, ü oder u eingesetzt, gemäß folgender Regel:
i nach i, e ı nach ı, a ü nach ü, ö u nach u, o Finnisch
Finnisch hat drei Klassen von Vokalen:
- Vordere Vokale: ä, ö, y
- Hintere Vokale: a, o, u
- Neutrale Vokale: i, e
Laut der Regel dürfen Vokale aus Gruppe 3 mit Vokalen aus jeweils einer der beiden anderen Gruppen kombiniert werden. Vokale der Gruppen 1 und 2 hingegen dürfen nicht im selben Wort vorkommen. Das bedeutet, dass Bildungen wie tyttö, lyönti und tutoti den phonotaktischen Regeln des Finnischen genügen, *tutöti und *tyto hingegen nicht.
Bei Zusammensetzungen kann diese Regel verletzt werden; die Suffixe werden dann an den hinteren Teil angepasst. Kommen nur Vokale der Gruppe 3 im Wort vor, wird in der Regel das Suffix für die erste Gruppe genutzt.
Tatarisch
Als Turksprache wie Türkisch, hat Tatarisch ebenfalls eine ausgeprägte Vokalharmonie, die sich auf Suffixe, sowie Postpositionen auswirkt: bala-lar - Kinder, äti-lär - Mütter; bala-sı - sein Kind, äti-se - seine Mutter; bala-sız-lı - kinderlos, äti-sez-le - mutterlos.
Dunkel Hell a / а [ʌ] ä / ә [æ] ı / ы [ɯ] e / е, э [ɘ] í / ый [ɯɪ] i / и [i] o / о [ɵ] ö / ө [œ~ʏ] u / у [ʊ] ü / ү [ʉ] Weitere Sprachen
Zu den Sprachen mit Vokalharmonie gehören z.B. Turksprachen, finno-ugrische Sprachen, mongolische Sprachen, tungusische Sprachen, Koreanisch (nach einigen Theorien zu den tungusischen Sprachen gehörend, bzw. abstammend) und einige Bantusprachen.
Quellen
- Semrau, Richard: Langenscheidts Praktisches Lehrbuch Finnisch. Langenscheidt, Berlin 1995, ISBN 3-468-26140-3.
- Hall, Tracy Alan: Phonologie – Eine Einführung. Walter de Gruyter, Berlin 2000, ISBN 3-11-015641-5.
- Glück, Helmut (Hrsg.): Metzler Lexikon Sprache. 3 Auflage. J. B. Metzler'sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart 2005, ISBN 3-476-02056-8 (Eintrag Vokalharmonie, S. 727).
Weblinks
Wiktionary: Vokalharmonie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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