Von Boehmer

Von Boehmer

Böhmer oder Boehmer ist der Name von zahlreichen Familienstämmen in Deutschland, die aber untereinander nicht unbedingt verwandt sind. Eine Familie Böhmer bzw. Boehmer, die ihren Ursprung in den Räumen Göttingen, Halle an der Saale, Berlin und Hannover hat und bis in die Zeit um 1600 zurückverfolgt werden kann, hat im Laufe ihrer Geschichte zahlreiche herausragende Persönlichkeiten hervorgebracht und wurde in einzelnen Linien von Friedrich dem Großen im Jahr 1743 bzw. 1770 in den preußischen Adelsstand erhoben.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Woher die ersten Vorfahren kamen, ist unklar. Sie könnten aus Böhmen eingewandert bzw. infolge der Hussitenkriege (1419–1439) von dort geflüchtet sein. Das mag den Familiennamen erklären, es gibt aber auch Hinweise, dass er vom niederdeutschen Wort „Bohm“ (Baum) abstammen könnte und von solchen Personen geführt wurde, die in der Nähe von besonders eindrucksvollen Bäumen aber auch Schlagbäumen (Zollstelle) wohnten. Die urkundlich gesicherten Vorfahren der Familie nannten sich anfangs „Behme“ oder „Behmer“, später Boehmer und Böhmer. In der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB) und der Neuen Deutschen Biographie (NDB) ist nur die Schreibweise Böhmer und von Böhmer aufgeführt, in der Familie dagegen hat sich seit spätestens Anfang des 20. Jahrhunderts Boehmer bzw. von Boehmer durchgesetzt. Die von Boehmers sind u. a. verschwägert mit so bekannten Familien wie Stahl, von Saldern, von Kalckreuth, von Goertzke, von Ditfurth oder Poensgen.

Der erste urkundlich nachgewiesene Ahnherr ist Andreas Behmer (1598–1643), der in den Wirren am Ende des dreißigjährigen Krieges (1618–1648) aus dem Gebiet um Groppendorf nach Helmstedt kam. Bereits sein Sohn Valentin Boehmer (1634–1704), mit dem die Stammreihe beginnt, genoss eine juristische Ausbildung und brachte es zum kaiserlichen Notar und Rechtskonsulenten. Er lebte in Hannover unter anderem in einem Fachwerkhaus in der Osterstrasse 46, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Seit 1873 befand sich dort eine Gedenktafel, dass in diesem Hause sein Sohn, der Rechtsgelehrte Justus Henning Boehmer am 29.Januar 1674 geboren wurde. Neuere Forschungen lassen jedoch vermuten, dass sein Geburtshaus 1674 an anderer Stelle in der Osterstrasse lag. Seit Valentin Boehmer entschieden sich immer wieder Mitglieder seiner Nachkommen für eine juristische Laufbahn und bekleideten dabei oftmals hochrangige Ämter.

Justus Henning Boehmer und seine Nachkommen

Wappen von Justus Henning Boehmer

So war schon Valentins Sohn, Justus (Jobst) Henning Boehmer (1674–1749), einer der bedeutendsten Rechtsgelehrten seiner Zeit. Er wurde Juraprofessor, Hofpfalzgraf, Geheimer Rat, Regierungskanzler des Herzogtum Magdeburgs und Ordinarius der juristischen Fakultät der 1694 gegründeten Universität Halle (Saale), der heutigen Martin-Luther-Universität. In seiner Jugendzeit dichtete er eine Reihe von bis heute verwendeten Kirchenliedern.

Von seinen vier Söhnen wurden Johann Samuel Friedrich Boehmer (1704–1772), Kgl.preuß. GehRat, Professor der Rechte und Direktor der Universität Frankfurt (Oder), sowie Karl August Boehmer (1707–1748), Kgl. preuß. GehRat und Präsident der OAmtsReg in Glogau/Schlesien auf Grund ihrer Verdienste von Friedrich dem Großen am 8. März 1770 bzw. 12. Oktober 1743 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben. Seit dieser Zeit gibt es also nicht geadelte und erbrechtlich geadelte Nachkommenslinien. Da der einzige Sohn von Karl August von Boehmer bereits im ersten Lebensjahr verstarb, ist diese Adelslinie im Mannestamm erloschen. Die derzeit lebenden adeligen Namensträger stammen daher alle ausschließlich von Johann Samuel Friedrich von Boehmer ab.

Zu den ersteren nicht geadelten Linien gehörten beispielsweise Philipp Adolf Boehmer (1711–1789), Professor für Anatomie und Leibarzt König Friedrich Wilhelms II. (1744–1797) und Georg Ludwig Boehmer (1715–1797), Professor für Straf- und Kirchenrecht. Zu dessen Kindern gehörten Johann Georg Wilhelm Boehmer (1761–1839), der zunächst Privatdozent für Theologie in Göttingen war, dann linksrheinischer Jakobiner und Mitgründer der Mainzer Republik wurde, von 1795 bis 1807 in Paris unter dem Pariser Directorium und unter Napoleon Bonaparte verschiedene Ämter innehatte, anschließend im napoleonischen Königreich Westphalen als Friedensrichter und Polizeikommissar eingesetzt war und schließlich wieder in Göttingen als Privatdozent für Rechtskunde starb, und dessen Bruder Johann Franz Wilhelm Boehmer (1754–1788), Amts- und Bergarzt, erster Ehemann der Schriftstellerin Caroline Michaelis (1763–1809) und Vater ihrer Tochter Auguste Boehmer (1785–1800), der man unbewiesenermaßen unterstellte, eine uneheliche Tochter von Johann Wolfgang von Goethe zu sein.

Der Zweig Johann Samuel Friedrich von Boehmer

Wappen der Linie Johann Samuel Friedrich von Boehmer

Dessen Sohn Georg Friedrich von Boehmer (1739–1797) wurde durch Friedrich den Großen zum Legationssekretär am Hofe Kaiser Josephs II in Wien ernannt und vertrat Preußen im Immerwährenden Reichstag in Regensburg und an den Höfen mehrerer Fürstentümer des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Zu seinen Nachkommen gehören aus jüngerer Zeit die Brüder Bruno von Boehmer (1866–1943), Ingenieur und Schöpfer der kommunalen Wasserversorgung in Rheinhessen, und Hugo Erich von Boehmer (1857–1939), Ingenieur, Geheimer und Oberregierungsrat beim Reichspatentamt, Genealoge. Durch seine Frau Ellinor Seliger (1868–1954), Tochter des Gutsbesitzers und Kammergerichtsrefendars Carl Gustav Albert Seliger (1829–1901) und der Mary Barbara Rennie (1836–1920), stammen alle heute lebenden von Boehmer’s-Nachkommen über die schottische Familie Rennie aus Kilsyth in gerader Linie unter anderem von William Bradford ab, der 1620 zusammen mit den Pilgrim Fathers auf der Mayflower nach Plymouth (Massachusetts)/USA auswanderte. Durch diese Verbindung sind diese Nachkommen ebenso wie auch alle anderen Nachkommen der Pilgrim Fathers berechtigt, die Mitgliedschaft in der renommierten "General Society of Mayflower Descendants" in den USA zu erlangen.

Einer der Söhne von Hugo Erich von Boehmer war Hasso von Boehmer (1904–1945), Oberstleutnant im Generalstab und Widerstandskämpfer im Dritten Reich, hingerichtet am 5. März 1945 in Berlin-Plötzensee; einer seiner Söhne wiederum ist der Immunologe Harald von Boehmer (* 1942), Professor an der Harvard-Universität. Die beiden anderen Söhne von Hugo Erich von Boehmer waren Henning von Boehmer (1903–1987) und Thilo von Boehmer (1911–1997). Dessen ältester Sohn Henning von Boehmer (* 1943) war Geschäftsführer des Wirtschaftsrates der CDU e.V. und Generalsekretär der International Chamber of Commerce - Germany (ICC). Die juristische Neigung in der Familie Boehmer ist bemerkenswert. So finden sich in den Stammtafeln der Familie mit aktuell 208 aufgeführten Personen insgesamt mehr als 27 Professoren und/oder Doktoren des Rechtes sowie sonstige Rechtsgelehrte, 11 Professoren und/oder Doktoren der Medizin, neun hochrangige Militärdienstgrade, ansonsten Gutsbesitzer, Ingenieure und Kaufleute. Weitere bekannte Familienmitglieder sind der Botschafter a. D. Götz von Boehmer, der Jurist Hartmut von Boehmer [1] und der Mediziner Hasso von Boehmer, jun. [2].

Genealogische Übersicht (Auszugsweise)

Einzelnachweise

  1. Eintrag im Library of Congress:[1]
  2. Eintrag in der DNB: [2]

Literatur und Quellen

  • Familie Boehmer. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 3, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 73.
  • Familie Boehmer. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, S. 391–393.
  • Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon Band I, Band 53 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1972, ISSN 0435-2408
  • Hugo Erich von Boehmer: „Genealogie der von Justus Henning Boehmer abstammenden Familien sowie auch einiger der mit ihnen verschwägerten Familien“. Knorr & Hirth, München, 1892; in Library of Congress [3], [4]
  • Hans-Thorald Michaelis: „Geschichte der Familie von Boehmer - In Fortführung der von Hugo Erich von Boehmer im Jahre 1892 verfassten Genealogie der von Justus Henning Boehmer abstammenden Familien sowie auch einiger der mit ihnen verschwägerten Familien.“ Rheinische Verlagsanstalt, Bonn-Bad Godesberg (1978); 247 Seiten; Privat-Archiv; in Library of Congress [5]
  • Hans-Thorald Michaelis: Die Abstammung des Rechtsgelehrten Justus Henning Boehmer (1674-1749) in: GENEALOGIE Jhrg. 8 (1966); Heft 6, S. 213-223
  • Hans-Thorald Michaelis: Neues zur Abstammung des Rechtsgelehrten Justus Hennig Boehmer (1674-1749); in: Norddeutsche Familienkunde (NFK) Bd. 13, (1986); Heft 2, S. 489-495
  • Hans-Thorald Michaelis: Nachkommen des Pilgers Gouverneur William Bradford (1589-1657) in Deutschland - Die Rückkehr ihrer Vorfahren nach Groß-Britannien und von dort nach Deutschland (1620-1987) in: GENEALOGIE Jhrg. 36 (1987); Heft 8, S. 636-641
  • Angelika Michaelis-Gilles und Dieter Gilles: Von Mary Barbara Rennie zu Karl dem Großen - Die genealogischen Verbindungen zum europäischen Hochadel der Familien Körbin, Müller-Hillebrandt, von Boehmer und Pflug; in: GENEALOGIE Jhrg. 56 (2007); Heft 3, S. 653-666

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