- Wachstumshormonmangel
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Von einem Wachstumshormonmangel (Hyposomatotropismus) spricht man, wenn das in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) gebildete Wachstumshormon (Growth Hormone oder GH, auch Somatotropin oder STH genannt) ungenügend ausgeschüttet wird. In der Folge kommt es bei Kindern und Jugendlichen zu verzögertem Wachstum. Weil Somatotropin auch auf den Eiweiß- und Energiehaushalt wirkt, ist gleichzeitig eine verminderte Muskelmasse und eine vermehrte Fettablagerung zu beobachten, die Patienten neigen zu niedrigen Blutzuckerwerten. Dies gilt sowohl bei Kindern wie auch bei Erwachsenen. Durch die Verabreichung von Somatotropin wird das Wachstum und der Stoffwechsel normalisiert. Somatotropin wirkt im Körper über Insulinähnliche Wachstumsfaktoren (IGF).
Inhaltsverzeichnis
Verbreitung und Ursachen
Ein Somatotropinmangel tritt bei einem von 3000 bis 5000 Kindern auf. Er kann isoliert oder kombiniert mit weiteren Hormonausfällen vorhanden sein, da die Hirnanhangsdrüse mehrere Hormone bildet.
Die Ursachen für einen Mangel sind sehr vielschichtig und können vererbt oder auch erworben sein:
- vererbt:
- genetisch bedingte Fehlbildung der sekretorischen Zellen
- genetisch bedingte Strukturänderungen des Hormons
- Rezeptordefekte (z.B. Laron-Syndrom)
- erworben:
- Geburtskomplikationen
- Verletzung der Hypophyse/des Hypothalamus infolge von Traumata
- Schocksyndrome
- psychosoziale Aspekte
- Hirntumore
Von idiopathischem Hormonmangel spricht man, wenn die Ursache nicht geklärt werden kann. Somatotropinmangel tritt häufig in Kombination mit anderen hypothalamischen/hypophysären Hormonstörungen auf:
- Hypothyreose (Schilddrüsenhormonmangel)
- Unterfunktion der Nebennierenrinde (Cushing-Syndrom)
- Mangel an antidiuretischem Hormon (auch ADH oder Adiuretin)
Der Somatotropinmangel (hypothalamisch/hypophysär) kann schwer oder leicht sein. Bei hypothalamer Störung kann Somatotropin zwar gebildet, aber nicht regulär ausgeschüttet werden, es kommt zur sog. neurosekretorischen Dysfunktion (funktionelle Störung der Ausschüttung)
Krankheitsentstehung
Fehlt Somatotropin, so kann das „Überträger-Hormon“ IGF-1 (insulinähnlicher Wachstumsfaktor 1) im Organismus nicht gebildet werden. IGF-1 fördert die Zellteilung in den Knorpelschichten der Wachstumsfugen. Auch bei Zellteilungen der Haut, bei Freisetzen von Fettsäuren aus dem Fettgewebe und bei der Anhebung des Blutzuckers spielt Wachstumshormon eine Rolle.
Klinische Erscheinungen
Verlangsamtes Wachstum, welches zu Kleinwuchs führt, ist das Leitsymptom. Kinder mit einem Somatotropinmangel sind in der Regel proportioniert kleinwüchsig mit einem verzögerten Knochenalter. Sie haben kleine Hände und Füße und in der Regel ein puppenhaftes Gesicht. Die Muskulatur ist nur schwach ausgebildet und die Haut sehr dünn. Erwachsene mit einem seit Kindheit bestehenden Wachstumshormonmangels werden oft nur 120 – 130 cm groß. Bei Ausbleiben der Pubertät kann Wachstum bei fehlendem Wachstumsfugenverschluss auch zur Endgröße im unteren Normbereich führen.
Untersuchungsmethoden
Ergibt sich aus der Vordiagnostik ein begründeter Verdacht auf einen Hormonmangel, werden in der Regel zwei Stimulationstests zur dynamischen Bestimmung des Somatotropinspiegels und zur Überprüfung der anderen Hormonachsen durchgeführt. In den meisten kinderendokrinologischen Zentren sind dies der Arginin-Test und der Insulin-Toleranz-Test, zum Teil auch der Clonidin-Test oder der Glukagon-Test. Ganz selten wird zum Ausschluss einer leichteren Beeinträchtigung der Hormonsekretion (sogenannte neurosekretorische Dysfunktion) zusätzlich noch ein nächtliches Somatotropin-Profil im Blut gemessen. Außerdem ist bei nachgewiesenem Mangel eine kernspintomographische Untersuchung der Hirnanhangsdrüse erforderlich.
Pathologie
Eine Zerstörung der Hirnanhangsdrüse kann durch Tumoren (meist Kraniopharyngeome), Untergang bzw. Zerstörung der Wachstumshormon-bildenden Zellen im Vorderlappen der Hirnanhangsdrüse durch Sauerstoffmangel beispielsweise bei der Geburt (Beckenendlage) oder Entzündungen im Hirnbereich hervorgerufen werden. Eine Störung im Bereich des Hypothalamus, der für die Regulation der Hormonausschüttung in der Hirnanhangsdrüse verantwortlich ist, kann ebenfalls eine Ursache sein.
Behandlung
Die Behandlung erfolgt mit gentechnisch hergestelltem, mit dem menschlichen Hormon identischem Somatotropin. Es muss täglich verabreicht werden. Technisch ist es bisher nicht möglich, Somatotropin in Tabletten- oder Tropfenform herzustellen. In der Regel dauert die Behandlung mehrere Jahre und endet mit dem Schluss der Wachstumsfugen, also dem Abschluss des Körperwachstums.
Man weiß jedoch heute, dass der Mensch nicht nur als Kind, sondern auch im Erwachsenenalter Wachstumshormon produziert. Die Menge nimmt im Laufe des Lebens allmählich ab, erst im fortgeschrittenen Alter liegt eine physiologische Mangelsituation vor. Somatotropin spielt nicht nur für das Längenwachstum und die Entwicklung im Kindesalter, sondern auch als Stoffwechselhormon im Erwachsenenalter eine wichtige Rolle. Inzwischen wurde eindeutig nachgewiesen, dass sich auch bei Erwachsenen mit Wachstumshormonmangel eine Somatotropin-Therapie positiv auf viele Funktionen auswirkt (Knochenstabilität, Muskelkraft, Herz-Kreislauf-Funktion, allgemeine Vitalität). Bei einem nachgewiesenen Hormonmangel, der am Ende der Therapie eines Kindes bzw. Jugendlichen nochmals bestätigt wurde, ist eine Weiterführung der Behandlung auch im Erwachsenenalter möglich.
Vorbeugung
Eine Vorbeugung gegen das Auftreten eines Somatotropinmangels ist nicht möglich. Lediglich bei bekannter Beckenendlage sollte die Schwangerschaft durch einen Kaiserschnitt beendet werden, was einer Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff vorbeugen kann.
Heilungsaussicht
Eine Heilung des Hormonmangels ist nicht möglich. Bei Nachweis eines Tumors als Ursache ist ein neurochirurgisches Vorgehen erforderlich. Die Folgen des Mangels können durch eine Hormontherapie behoben oder abgemildert werden.
Literatur
- O. Butenandt: Ätiologie des hypothalamo-hypophysären Minderwuchses (Hypopituitarismus). Sozialpädiatrie 12. 1990, S. 168-173.
- O. Butenandt, M. B. Range; M. B. Ranke & J. R. Bierich (Hrsg.): Final height after growth hormone therapy. Pediatric Endocrinology: Past and Future. MD-Verlag, München 1986, S. 36.
- H. Cushing: The pituitary body and ist dissorders. Lippincot, Philadelphia 1912.
- K. Kruse: Pädiatrische Endokrinologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York 1999.
- Z. Laron, O. Butenandt: Optimum use of growth hormone in children. Drugs 42: 1-8. 1991.
- M. S. Raben: Treatment of a piutuitary dwarf with human growth hormone. J. Clin Endocrinol 18. 1958, S. 883.
Kategorie:- Krankheitsbild in der Endokrinologie
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