Wanda Gertrude Kuchwalek

Wanda Gertrude Kuchwalek

Wanda Gertrude Kuchwalek (* Jänner[1] 1947; † 4. September 2004 in Wien[2]) war in den 1970ern vor allem unter ihrem Spitznamen Wilde Wanda als „Wiens einziger weiblicher Zuhälter“[3] bekannt, und als schlagkräftigste. Sie blieb bis heute die einzige namhafte weibliche Zuhälterin in Wiens, sorgte immer wieder für Schlagzeilen, ist unauslöschlich mit der Geschichte der Wiener Unterwelt verbunden[4] und gilt als Kultfigur in Wien.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wanda Kuchwalek wurde als Tochter einer Schlangentänzerin im Zirkus geboren.[4] 1953, mit sechs Jahren, war sie mit fahrendem Volk unterwegs.[1] Sie kam in ein Erziehungsheim in Wiener Neustadt und war schon dort nicht pflegeleicht. Im dortigen Schlafsaal entdeckte sie ihre Präferenz für willige Mädchen.[4] Nach eigenen Angaben wurde sie dort auch von Frauen vergewaltigt.[5]

Ende der 1960er Jahre stand sie auf eigenen Beinen, im Rotlichtmilieu. Zuerst ging sie selbst anschaffen. Sie war jedoch lesbisch. So zog sie einen Zirkel mit Mädchen auf, die sie bald für sie arbeiten ließ. Einige waren auch ihre Geliebte, wenn eine nicht wollte akzeptierte sie dies. Sie war sehr willensstark und konnte die Mädchen meist ohne böse zu werden für sich auf den Strich schicken. Ihr Revier wurde der 2. Wiener Gemeindebezirk, rund um den Wiener Prater. Sie beherrschte ihre Mädchen mit einer Mischung aus Gewalt und Leidenschaft. Sie war eine weibliche Zuhälterin, die nicht unter dem Einfluss von Männern diente, sondern, im Gegenteil, diesen Konkurrenz machte. Am Anfang war es ein Überlebenskampf. Aber sie verschaffte sich unter den männlichen Strizzis Respekt. Wanda war stolz darauf, keine Männer zu brauchen. Auch wenn Freier nicht zahlen wollten, brachte sie diese dazu, es doch zu tun. Sie galt als furchtlose Frau, „die vor Nix und Niemand Angst hat“, sie gab in ihrem Lebenskreis die Richtung vor. Bei der Wahl ihrer Waffen war sie nie zimperlich. Bierkrüge, Sesseln, Schlagring, Messer, Pistole oder die ausziehbare Stahlrute, welche ihr Markenzeichen wurde. Manchmal kam es auch zu Eifersuchtsszenen mit ihren Mädchen, oder jemand tat nicht, was sie sollte, selten ging sie wegen der Arbeit gegen sie vor. Wenn sie nüchtern war, konnte sie sehr nett sein. Wochenlang hat sie nichts getrunken, dann aber wieder tagelang durch und zeitweilig nahm sie auch Tabletten. In solchem Zustand war sie schnell ungehalten und jähzornig.[5][4] So erhielt sie ihren stadtbekannten, und nach Presseberichten österreichbekannten Spitznamen „Wilde Wanda“. Die Zeitschrift Profil meinte 1981: „Der Sadismus, der jedes Verhältnis zwischen Zuhältern und Prostituierten kennzeichnet, tritt hier noch krasser und widernatürlicher hervor.“

Mit 14 Jahren wurde sie das erste Mal verhaftet. Nachdem sie 1967 schon 8[4] oder 10[3] Vorstrafen hatte, traf sie auf ihren langjährigen Strafverteidiger Herbert Eichenseder, nach ihren Aussagen „der einzige [dauerhafte] Mann in ihrem Leben“.[4] 1991 waren es 18 Vorstrafen, im März 1994 waren es etwa 20 und ihr 22. Auftritt bei Gericht und insgesamt wurden es etwa 25. Auch wenn in den Verhandlungen oft über Prostitution gesprochen wurde, waren alle Verfahren wegen Delikten wie Öffentliche Gewalttätigkeit, Gefährliche Drohung oder Schwere Körperverletzung. Wenn sie etwas getan hatte, gestand sie es.[3] Einmal wurde sie wegen versuchten Mordes angeklagt, wo sie aber frei kam. In einem Kellerlokal saß ein Zuhälter auf einem Sessel und ober ihm hing eine Kukucksuhr. Er zog sie wegen ihrer Pistole auf, und sie schoß in die Kuckusuhr, welche herunterfiel und auf seinem Kopf landete. Die Wirtin fragte sie nach dem Preis der kaputten Uhr und gab ihr das doppelte. Der Staatsanwalt war der Meinung, dass sie auf den Kopf gezielt und daneben geschossen hätte. Bei einem Lokalaugenschein setzte sich ein geschützter Polizist an den Platz und sie wiederholte den Schuss mit demselben Ergebnis. Daraufhin wurde das Verfahren eingestellt.[4] Als einmal eines ihrer Mädchen zu wenig Geld brachte, bekam diese ihren Jähzorn zu spüren. Für den Schnitt im Gesicht bekam Kuchwalek zwei Jahre schweren Kerker.[4] 1970 stand sie vor dem Richter, weil sie einem ihrer Mädchen mit einer Rasierklinge 14 Mal das Gesicht zerschnitten hatte, und erhielt drei Jahre Haft.[5] Als Kuchwalek 1972 im Landesgericht in Untersuchungshaft saß, sorgte sie für einen Justizskandal. Sie verführte zwei Justizwachebeamtinnen zum Liebesspiel mit ihr. Als es aufflog, wurden diese wegen Amtsmissbrauch zu jeweils 5 Jahre Haft verurteilt, Kuchwalek wegen Anstiftung zu 10 Jahren.[4]

Kuchwalek war mit 1,75 Metern relativ groß, und Zeitzeugen beschreiben sie als „herbe Schönheit“.[5] Sie brach in eine Männerdomäne ein und hielt sich lange. Dem trug sie auch mit ihrem Butch-mäßigen Auftreten Rechnung. In den 1960er/1970er Jahren trug sie etwa schwarzen Herrenanzug, weißes Hemd mit Stehkragen, Cowboymascherl, Stiefel und Schlapphut. Sie war gegen soziale Ächtung. Zwanghafte Normen sah sie als Grund, um aus ihnen auszubrechen.

Als Fahnenschwingerin für die Emanzipation hätte sie trotzdem nichts getaugt, auch wenn sie auf die damals neue Frauenszene eine gewisse Faszination ausübte, welche aber wegen der von ihr ausgeübten Gewalttätigkeit immer wieder von Ablehnung begleitet war. Einen schlechten Nachgeschmack hinterließ die von ihr angeordnete Zertrümmerung des Frauencafés in der Langegasse durch drei Komplizen im Dezember 1981.[2] Auslöser war, dass sie einige Tage vorher von einigen Frauencafé-Besucherinnen an einem gewalttätigen Übergriff gehindert wurde.[6]

Sie vergötterte ihren Hund und liebte ihre Mädchen. Männer sollten sie ja nicht schief anschauen oder gar aufdringlich sein. Darauf konnte sie heftig reagieren, besonders, wenn sie etwas getrunken hatte. Schon früher hatte sie bei einem Prozess einmal gesagt: „Wenn mi wer sekkiert, könnt i eahm mit lachendem Gesicht umbringen.“[7] Nachdem 1991 ihre Großmutter gestorben war, saß sie einem Floridsdorfer Beisl und es kam zu einem Streit, weil sie immer mehr trank. Er endete damit, dass ein Stammgast in seinem Hals ein Messer stecken hatte. Er überlebte und sie bekam die letzte größere Strafe.

Männer waren ihr zum Raufen lieber. Wenn es sein musste, ging sie auch gleich auf zwei oder drei gleichzeitig los. Gegen die Staatsgewalt war sie besonders früher fast schon militant rebellisch und dafür amtsbekannt. Einmal glaubte sie von einem ihrer Mädchen betrogen worden zu sein, marschierte durch die geschlossene Türe und misshandelte das Mädchen so stark, dass dieses schwer verletzt mit der Rettung ins Spital gebracht werden musste, die Wohnung wurde ebenfalls zu Kleinholz verarbeitet. Die eintreffenden Polizisten konnten sie alleine nicht überwältigen, so dass ein Polizeihundeführer gerufen werden musste.[8]

Zwei Prostituierte in ihrem Umfeld begingen Suizid. Die zweite war eine 22-jährige Frau, welche sich im Oktober 1983 aus Kuchwaleks Wohnung im dritten Stock des Hauses Engerthstraße 86 hinunterstürzte. Offizielles Motiv ist Liebeskummer. Dies bedeutete eine Wende in Wandas Leben und es wurde stiller um sie. Im Jahre 1991 starb ihr „Lebensmensch“, ihre Großmutter.

Während eines Gefängnisaufenthalts verfasste sie ihre Memoiren für die St. Pauli-Nachrichten. Die Hamburger Szene war von der Wiener Unterweltkönigin beeindruckt.[5] Während weiterer Aufenthalte schrieb sie an ihrer Lebensgeschichte weiter. Die Aufzeichnungen liegen nun bei der Journalistin Margit Hinke, die an einem Dokumentarfilm und Buch über sie arbeitet. Ihren schlechten Ruf empfand sie später als Last, aber das negative Image blieb ihr.

In den 1970er und 1980er Jahren konnte sie von den Einkünften ihrer Mädchen gut leben. In den 1980er und 1990er Jahren, als die Geschäfte weniger wurden, saß sie immer mehr mit ihrem Hund im Stammespresso „Amigo“ und trank.

1994 sagte ein Drogendealer, dass sie ihn mit drei weiteren Männern ausgeraubt hätten. Sie stritt es ab. Vor Gericht erzählte sie, wie er ihr Haschisch angeboten hatte, was sie ablehnte, da ihr das Trinken reiche. „Hat er mir unsittliche Anträge gemacht. Grad von einem Mann mag ich so was net.“ Dann fragte er sie: „Und was, wenn ich dich jetzt vergewaltige?“, worauf sie einfach herzhaft lachen musste. Er verwickelte sich vor Gericht in Widersprüche und der Anwalt mutmaßte, dass der Drogendealer dies nur erfunden hätte, um sagen zu können, dass die Ware, die er in Kommission hatte, geraubt worden wäre. Außerdem meinte er, dass Wanda sicher nicht drei Männer gebraucht hätte, um den Drogendealer zu verprügeln. Wanda wurde freigesprochen.[3]

Im März 1996 gab es noch einen kleinen Gerichtsauftritt, nachdem sie sich mit ihrer Freundin im Jänner gezankt hatte. Es gab nur ein blaues Auge, Wohnungsschlüssel im Schnee und die Freundin musste die Nacht bei minus 15 Grad im Auto verbringen. Bei der Verhandlung schien es so, dass sie sich wieder zusammenraufen würden.[9]

Zuletzt lebte sie von einer kleinen Sozialrente und starb mit 57 Jahren am 4. September 2004. Kinder oder Familie hinterließ sie keine. Das Begräbnis fand im kleinen Rahmen statt, war aber kein Armenbegräbnis, sondern wurde von privater Hand bezahlt. Sie fand am Stammersdorfer Zentralfriedhof in der Gruppe 42, Reihe 6 in Grab 34 ihre letzte Ruhe.[5]

Zitat

  • „Entweder du kriagst, oder du teilst aus.“

Literatur

  • Walter Gerhard Piranty: Huren, Strizzis und Ganoven - Drei Tage in der Wiener Unterwelt (Roman mit realem Hintergrund), Milizverlag Salzburg, 2007, ISBN 978-3-9502378-9-4
  • Tatjana Weiß: Täterin Frau - Gewaltverhalten von Frauen im gesellschaftlichen und institutionellen Bewusstsein, Fachhochschule Wien, Diplomarbeit für Sozialpädagogik / Sozialarbeit, 2006

Einzelnachweise

  1. a b Tagebuchfaksimile
  2. a b Andreas Brunner, Ines Rieder, Nadja Schefzig, Hannes Sulzenbacher, Niko Wahl: geheimsache:leben - Schwule und Lesben im Wien des 20. Jahrhunderts, Löcker Verlag, Wien 2005, ISBN 3-85409-435-3, S. 129
  3. a b c d Ein Bussi für den Anwalt von der „wilden Wanda“, Kronen Zeitung, 9. März 1994, S. 18
  4. a b c d e f g h i Fernsehreihe TAT-SACHEN, Folge: Frauen als Mörderinnen: Schwarze Witwen und Engelsgesichter, Erstausstrahlung: 15. September 2006, ORF 2 (Beschreibung)
  5. a b c d e f Marcus J. Oswald: Zuhälterin "Wilde Wanda" tot (1947-2004), Blaulicht und Graulicht, 2. Mai 2005, bei archive.org
  6. H. Grammel: 28 Jahre Wiener Frauencafé - The Short-Herstory, Abruf: 6. Oktober 2008
  7. „Wilde Wanda“ stach Mann nieder!, Kronen Zeitung, 6. September 1991, S. 10
  8. Zar: Aus dem Leben eines Wiener Polizeidiensthundes, Wuff - Hundemagazin, 9/2002
  9. Der Standard, 29. März 1996, S. 8

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