Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand

Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, rechtslateinisch restitutio in integrum, ist ein Begriff aus dem Verfahrensrecht.

Von Wiedereinsetzung wird gesprochen, wenn ein Verfahrensbeteiligter bestimmte Fristen unverschuldet versäumt hat, jedoch (in der Regel auf seinen Antrag) so gestellt wird, als hätte er die Frist nicht versäumt: Er darf die betreffende Verfahrenshandlung nachholen.

Inhaltsverzeichnis

Deutschland

In Deutschland ist sie für den Zivilprozess in § 233 ff ZPO, für den Strafprozess in § 44 StPO geregelt. Im Verwaltungsprozess gilt § 60 VwGO. Für das behördliche Verwaltungsverfahren ist die Wiedereinsetzung in § 32 VwVfG normiert.

Die Wiedereinsetzung setzt einen Antrag der Partei voraus, in seltenen Fällen kann sie auch von Amts wegen gewährt werden. Der Antrag muss innerhalb von zwei Wochen gestellt werden (Strafrecht: eine Woche gem. § 45 Abs. 1 StPO) ab Wegfall des Hindernisses; insbesondere ab dem Zeitpunkt ab dem man die Fristversäumnis feststellt.

Die versäumte Handlung (also z. B. die Berufungseinlegung) muss innerhalb der zweiwöchigen Frist nachgeholt werden (üblicherweise gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag).

Die Wiedereinsetzung wird nur gewährt, wenn die Partei trotz Beachtung der erforderlichen Sorgfalt die Frist nicht einhalten konnte. Ob dies der Fall ist, hängt sehr vom Einzelfall ab und kann nicht allgemein gesagt werden. Die Tatsachen, die die Wiedereinsetzung begründen sollen, also die ein Verschulden ausschließenden Umstände, müssen innerhalb der Antragsfrist dargestellt und bis zur Entscheidung über den Antrag glaubhaft gemacht werden. Anders als im Strafverfahren muss sich die Partei im Zivilprozess ein Verschulden ihres Bevollmächtigten (in der Regel also ihres Rechtsanwalts) zurechnen lassen.

Die Rechtsprechung hat Wiedereinsetzung z. B. in folgenden Fällen gewährt:

Fristversäumnis wegen

  • längeren Urlaubs (wenn jedoch bereits eine rechtliche Auseinandersetzung geführt wird oder zu befürchten ist, muss der Urlauber Vorsorge treffen, dass er von wichtigen Zustellungen erfährt und das Erforderliche veranlassen kann),
  • schwerer Krankheit, die auch die Einholung von Rechtsrat und Beauftragung eines Bevollmächtigten unmöglich macht,
  • falscher oder unklarer Rechtsmittelbelehrung.

Weitere Fundstellen für die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand:

Auch gegen die unverschuldete Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist kann Wiedereinsetzung gewährt werden.

Österreich

Verwaltungsverfahren

Im österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht besteht nach § 71 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 die Regelung, dass die Behörde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf Antrag einer Partei bewilligen muss, die eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt hat. Dies allerdings nur dann, wenn die Partei

  • „glaubhaft macht“, dass sie ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis daran gehindert hat, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu kommen, und wenn sie daran kein Verschulden oder nur ein „minderer Grad des Versehens“ trifft,
  • eine Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid
    • überhaupt keine Rechtsmittelbelehrung enthält,
    • keine Rechtsmittelfrist enthält oder
    • die falsche Angabe enthält, dass gar kein Rechtsmittel zulässig sei.

Die Wiedereinsetzung muss innerhalb von zwei Wochen beantragt werden. Diese Frist beginnt

  • mit dem Wegfall des Hindernisses oder
  • mit dem Zeitpunkt, in dem die Partei erfahren hat, dass ein Rechtsmittel doch zulässig ist.

Wenn eine Frist versäumt wurde, muss die versäumte Handlung (also etwa das Rechtsmittel) zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt werden.

Zuständig für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist die Behörde,

  • bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder
  • die die Verhandlung angesetzt hat, zu der die Partei nicht kommen konnte, oder
  • die die falsche Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

Bei dieser zuständigen Behörde muss der Wiedereinsetzungsantrag auch eingebracht werden.

Wer allerdings sogar die Frist für den Wiedereinsetzungsantrag versäumt, dem ist nicht mehr zu helfen: Dagegen darf eine (neuerliche) Wiedereinsetzung nicht mehr bewilligt werden.

Zur Problematik der Wiedereinsetzung gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung, vor allem des Verwaltungsgerichtshofs. Nach überaus strenger Auslegung in der Vergangenheit ist sie in letzter Zeit deutlich „milder“ geworden.

  • Wichtige Aspekte sind beispielsweise:
    • Verschulden“: grobe Fahrlässigkeit, auffallende Sorglosigkeit (das Verschulden des Vertreters fällt immer dem Vertretenen zur Last!)
    • „minderer Grad des Versehens“: leichte Fahrlässigkeit; ein Fehler, der gelegentlich auch sorgfältigen Menschen unterläuft
    • „unabwendbares Ereignis“: es kann vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden
    • „unvorhergesehenes Ereignis“: es wurde weder mit einberechnet noch erwartet (dazu zählen auch psychologische Vorgänge, wie Vergessen, Verschreiben, sich irren)
  • Keine Bewilligung der Wiedereinsetzung beispielsweise bei
    • Rechtsirrtum oder Unkenntnis des Gesetzes
    • Irrtum über den Zeitpunkt der Zustellung
    • Erkrankung, die die Dispositionsfähigkeit (= Entscheidungs-, Verfügungsfähigkeit) nicht ausschließt
    • mangelnden Sprachkenntnissen
    • beruflicher Überlastung
    • Urlaubsreise
    • mangelhafter Organisation des Kanzleibetriebs eines Parteienvertreters
    • Bestürzung über den Inhalt des Bescheides
  • Bewilligung der Wiedereinsetzung beispielsweise bei
    • Dispositionsunfähigkeit
    • Irrtum oder Versehen einer erfahrenen und sonst verlässlichen Kanzleikraft

Weblinks

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