- Entschädigungsgesetz
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Am 29. Juni 1956 wurde rückwirkend zum 1. Oktober 1953 das Bundesentschädigungsgesetz (BEG), genauer das Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung in der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet, nachdem die ursprüngliche Vorlage vom 18. September 1953 keine Berücksichtigung gefunden hatte.
Basisdaten Titel: Bundesgesetz zur Entschädigung für
Opfer der nationalsozialistischen
VerfolgungKurztitel: Bundesentschädigungsgesetz Abkürzung: BEG Art: Bundesgesetz Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland Rechtsmaterie: Verwaltungsrecht FNA: 251-1 Datum des Gesetzes: 18. September 1953 (BGBl. I
S. 1387)Inkrafttreten am: 1. Oktober 1953 Letzte Änderung durch: Art. 15 Abs. 63 G vom 5. Februar 2009
(BGBl. I S. 160, 267)Inkrafttreten der
letzten Änderung:12. Februar 2009
(Art. 17 G vom 5. Februar 2009)Bitte beachten Sie den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung. Im einzelnen waren die zahlreichen Bestimmungen äußerst kompliziert. Ein entscheidendes Kriterium bildete die Wohnsitzvoraussetzung. Antragsberechtigt waren Verfolgte des NS-Regimes, die bis zum 31. Dezember 1952 (bisher 1. Januar 1947) ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland oder Westberlin hatten, oder die vor ihrem Tod oder ihrer Auswanderung dort gelebt hatten.
Damit waren alle Verfolgte aus dem Ausland von der Entschädigung ausgeschlossen. Problematisch war auch die gesetzte Antragsfrist vom 1. Oktober 1957. Die Verfolgten waren weltweit verstreut und es war für sie schwierig, schnell genug an die notwendigen Unterlagen heranzukommen.
Viele Verfolgte unterließen einen Entschädigungsantrag auch aus Angst, durch das Entschädigungsverfahren Erinnerungen an die im Konzentrationslager erlittenen Qualen erneut durchleben zu müssen. Andere wollten den deutschen Behörden gegenüber nicht als Bettler auftreten oder sich auf die ehemaligen Verfolger einlassen.
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung des BEG
Am 26. April 1949 wurde als zoneneinheitliches Gesetz vom Süddeutschen Länderrat (1946-1949) das "Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts" erlassen, das im August durch besondere Landesgesetze in Bayern, Bremen, Baden-Württemberg und Hessen verkündet wurde. Diese Landesgesetze wurden nach Errichtung der Bundesrepublik Deutschland und nach Inkrafttreten des Grundgesetzes gemäß Artikel 125 GG als Bundesrecht übernommen. In den Ländern der britischen und der französischen Besatzungszone sowie in Berlin (West) ergingen nun entsprechende Gesetze, die grundsätzlich die gleichen Schadensarten regelten wie das Entschädigungsgesetz.
Der erste Deutsche Bundestag (1949-1953) ließ sich Zeit bei der Vereinheitlichung eines Entschädigungsrechts im Bundesgebiet. Die Verhandlungen blieben jahrelang in der Frage der Kompetenz- und Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern stecken. 1951 wurden offizielle Regierungsgespräche zwischen der Bundesrepublik und Israel eingeleitet. Als dritter Partner kam die New Yorker „Conference on Jewish Material Claims against Germany“ hinzu, ein Dachverband der wichtigsten jüdischen Organisationen, der in den Verhandlungen die außerhalb Israels lebenden Juden vertrat. Die Verhandlungen, die in Wassenaar bei Den Haag geführt wurden und im September 1952 in das Luxemburger Abkommen mündeten, bilden einen Markstein in der Wiedergutmachungsgeschichte. Konrad Adenauer (CDU) erklärte das Israel-Abkommen zur Chefsache. Er setzte sich mit Hilfe der SPD-Bundestagsfraktion gegen die Widerstände durch, die sich im Bundeskabinett, in der Regierungskoalition und in Teilen der Presse regten. Die Gegner argumentierten mit den Kosten einer solchen gesetzlichen Regelung.
Die deutsche Nachkriegsgesellschaft
Im Bewusstsein der deutschen Nachkriegsgesellschaft wurde, nachdem der "Schock der ersten Stunde" , in der die nationalsozialistischen Verbrechen in das Blickfeld der Öffentlichkeit gelangten, verflogen und die Bereitschaft politische und moralische Verantwortung zu übernehmen nachließ, den Opfern der Zeit des Nationalsozialismus ein eher unbedeutender Platz zugewiesen. Vor dem Hintergrund des Wiederaufbaus, des kalten Krieges und schließlich des eigenen, während und nach dem Krieg erfahrenen Leids, begannen viele Deutsche, sich selbst als Opfer zu sehen. Auch änderte sich das Bild vom Nationalsozialismus. Die Betonung des manipulativen und terroristischen Charakters des NS-Staates und die Sicht auf einen dämonisierten Adolf Hitler half, eine Mitschuld an den NS-Verbrechen zu verdrängen. Man begann das eigene Leid mit der Verfolgung der NS-Opfer aufzurechnen - das Klischee von wohlversorgten NS-Opfern wurde zu einer Art Mythos - und einhergehend mit der Integration ehemaliger NS-Funktionäre in die deutsche Nachkriegsgesellschaft wurden nicht die Täter, sondern die Opfer als eine Belastung für die neue Gesellschaft empfunden. „Was soll man tun, wenn ein ganzes Volk bockt“, soll der engagierter Befürworter der Entschädigungsgesetze und ehemalige Verhandlungsführer beim Luxemburger Abkommen Franz Böhm (CDU), gesagt haben.
Die Wiedergutmachung war zwar in der Bevölkerung unpopulär, hatte aber offenbar keine negativen Auswirkungen auf das Wählerverhalten. Böhm kandidierte 1953 und 1957 in einem Frankfurter Wahlkreis, der für seine Partei sehr gefährdet war, und gewann beide Male das Mandat.
Auf der anderen Seite versuchten Spitzenpolitiker wie der Bundesfinanzminister Fritz Schäffer (CSU) Stimmen gegen die Wiedergutmachungsregelung zu sammeln. Den Höhepunkt seiner Kampagne stellte eine Rede auf einer CSU-Veranstaltung in Plattling im Dezember 1957 dar, als er schon nicht mehr das Amt des Finanzministers bekleidete. Da behauptete er u.a. die Wiedergutmachung erschüttere die Stabilität der Deutschen Mark. In der Presse wurde dieser Ausfall aufs schärfste verurteilt; das Bundeskabinett distanzierte sich einschließlich seines Nachfolgers im Finanzressort.
Die Sicht auf die Opfer des NS-Regimes war nicht einheitlich. Während die Entschädigung von Juden und ehemaligen politisch Verfolgten trotz finanzieller Bedenken, in der Öffentlichkeit eher zustimmend angenommen wurde, war die Akzeptanz solcher Verfolgtengruppen wie z.B. "Zigeuner" und Zwangssterilisierte wesentlich geringer. Auch verschob sich während des Kalten Krieges die Einstellung zu politisch Verfolgten vom kommunistisch-sozialistischen Widerstand auf den konservativ-militärischen. Personen, die nach 1945 der Kommunistischen Partei Deutschlands angehörten, wurde die Entschädigung wieder entzogen. [1]
Bundesergänzungsgesetz 1953
Das erste bundeseinheitliche Entschädigungsgesetz von 1953, das so genannte Bundesergänzungsgesetz, das noch kurz vor Ende der Legislaturperiode des ersten Deutschen Bundestages beschlossen wurde, legte in 113 Paragraphen die zu entschädigenden Personengruppen, die zu berücksichtigenden Schadensbestände, die Befriedigung der Entschädigungsansprüche und die zuständigen Behörden und Verfahrensvorschriften fest. Dieses Gesetz wurde drei Jahre später durch das Bundesentschädigungsgesetz von 1956 abgelöst.
Das BEG erweiterte den Kreis der Anspruchsberechtigten auf juristische Personen sowie Künstler und Wissenschaftler, Hinterbliebene von ermordeten Verfolgten, irrtümlich Verfolgte und Personen, die verfolgt worden waren, weil sie einem Verfolgten nahe standen. Neben einem Wohnsitz in der BRD wurde nun auch ein ehemaliger Wohnsitz in den Gebieten anerkannt, die am 31. Dezember 1937 zum Deutschen Reich gehört hatten. Auch Sonderregelungen für Heimkehrer, Vertriebene, Flüchtlinge aus der Sowjetischen Besatzungszone und so genannte Displaced Persons wurden aufgenommen.
BEG-Schlussgesetz 1965
1965 wurde das BEG zum BEG-Schlussgesetz erweitert. Dabei konnte durch eine Regelung der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand der Antragsteller, hatte er ohne eigens Verschulden die Frist zum 1. April 1958 nicht eingehalten, weiter seine Ansprüche anmelden. Mit dem Gesetz wurde aber auch endgültig bestimmt, dass nach dem 31. Dezember 1969 auch bei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, keine Anträge mehr angenommen werden konnten. Deshalb besteht heute keine Möglichkeit mehr, neue Ansprüche auf Entschädigungsleistungen nach dem BEG geltend zu machen. Unter bestimmten Umständen sind allerdings noch Verschlimmerungsanträge und die Feststellung von sog. Spätschäden möglich. Ergänzt wurde das BEG im Laufe der Jahrzehnte durch Sonderregelungen.
Siehe auch
Literatur
- Bundesministerium der Finanzen in Zusammenarbeit mit Walter Schwarz (Hrsg.): Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland. 6 Bde. München 1973ff.
- Klaus Barwig, Günter Saathoff, Nicole Weyde (Hrsg.): Entschädigung für NS-Zwangsarbeit, Rechtliche, historische und politische Aspekte. Baden-Baden 1998. ISBN 3789056871
- Hermann-Josef Brodesser u.a.: Wiedergutmachung und Kriegsfolgenliquidation. Geschichte - Regelungen - Zahlungen. München 2000. ISBN 3-406-31455-4
- Constantin Goschler, Ludolf Herbst (Hrsg.): Wiedergutmachung in der Bundesrepublik Deutschland. Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Sondernummer. Oldenbourg, München 1989. ISSN 0506-9408
- Hans Günter Hockerts: „Wiedergutmachung in Deutschland. Eine historische Bilanz 1945-2000.“ in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. München 49.2001, H. 2 (April), S. 169-214. ISSN 0506-9408
Weblinks
- Georg Arnold, Senad Hadzic: Das Bundesentschädigungsgesetz (BEG); in: Shoa.de, Zukunft braucht Erinnerung.
- Text des BEG
- Broschüre des Bundesministeriums der Finanzen zur Entschädigung von NS-Unrecht
Einzelnachweise
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