Rechtsmittel

Rechtsmittel

Ein Rechtsmittel ist nach deutscher Rechtssprache die formalisierte Anfechtung einer staatlichen Entscheidung, insbesondere einer gerichtlichen Entscheidung (z. B. Urteil), mit dem Ziel der Aufhebung oder Abänderung. Die Rechtsmittel sind eine Untergruppe der Rechtsbehelfe, die durch einen Devolutiv- sowie regelmäßig auch einen Suspensiveffekt gekennzeichnet sind.

Rechtsmittel (im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB) sind neben Berufung, Revision und Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen auch alle anderen Rechtsbehelfe gegen eine Amtshandlung, die sich dazu eignen, die beanstandete Amtshandlung und mit ihr einen Schaden abzuwehren.[1] Dazu gehören auch Erinnerung, Gegenvorstellung, Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt und Dienstaufsichtsbeschwerde.

Inhaltsverzeichnis

Suspensiv- und Devolutiveffekt

Der Suspensiveffekt (von lat. suspendere „zum Schweben bringen“) bewirkt, dass die Entscheidung nicht wirksam wird, bevor über das Rechtsmittel abschließend entschieden ist. Bei wirksamer Einlegung eines Rechtsmittels tritt das Urteil daher zunächst nicht in Rechtskraft. Der Devolutiveffekt (von lat. devolvere „fortwälzen“) hat zur Folge, dass die Sache zur Entscheidung in eine höhere Instanz gehoben wird (vergleiche iudex ad quem). Dies bedeutet bei einer gerichtlichen Entscheidung, dass ein im Instanzenzug höheres Gericht entscheidet (z. B. Landgericht statt Amtsgericht). Trotz Suspensiveffekts sind andere nachteilige Nebenfolgen nicht ausgeschlossen, etwa Fristunterbrechungen im Verkehrszentralregister, der so genannten Verkehrssünderkartei des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA).

Rechtsmittelfrist

Da die Einlegung eines Rechtsmittels den Eintritt der Rechtskraft hindert, ist sie nur innerhalb einer bestimmten Frist zulässig. Der Grund hierfür ist das erwünschte Eintreten von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit. Wird die Frist schuldlos versäumt, kommt häufig eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht. Dies bedeutet, dass das Verfahren in den Stand versetzt wird, (bspw. vor dem Versäumnisurteil) so dass dem Angeklagten noch ein rechtliches Gehör gewährt werden kann.

Konkret sind die Fristen in Deutschland: (Achtung - Wie immer gibt es die Ausnahme von der Ausnahme)

Im Strafrecht

Beschwerden haben im Strafrecht keine aufschiebende oder vollzugshemmende Wirkung § 307 StPO; dies kann beantragt werden.

  • Einfache Beschwerde § 304 StPO - Normalerweise eine Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung
  • Weitere Beschwerde § 310 StPO (Auch Haftbeschwerde genannt) - Keine Frist
  • Sofortige Beschwerde § 311 StPO - Eine Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung
  • Beschwerde zur Nachholung des rechtlichen Gehörs § 311a StPO - 14 Tage nach Kenntnis

Rechtsmittel im Zivilprozess

Da die Rechtsmittel eine formalisierte Anfechtung darstellen, sind sie in ihrer Zahl beschränkt. So gibt es zum Beispiel im deutschen Zivilprozess nur die Rechtsmittel der Berufung, der Revision und die Sofortige Beschwerde (der jedoch gemäß § 570 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur in den dort bestimmten Fällen ein Suspensiveffekt zukommt). Beispiele für Rechtsmittel im Zivilprozess sind:

Auswirkungen der Rechtsmittel im Zivilrecht

Auf eine Berufung, Revision, Sprungrevision, Nichtigkeitsklage, Restitutionsklage oder der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand folgt eine erneute oder fortgesetzte mündliche Verhandlung. Auf eine Beschwerde, sofortige Beschwerde oder Ablehnung entscheidet das Gericht (ggf. das nächsthöhere Gericht) während der mündlichen Verhandlung (unzulässig oder verfahrensverschleppend) oder bei einer Unterbrechung der Verhandlung im schriftlichen Verfahren. Nach Erschöpfung des Rechtswegs kann grundsätzlich eine Verfassungsbeschwerde eingereicht werden.

Prozesshandlungen im Zivilprozess

Rechtsmittel im Strafprozess

Im Strafrecht ist eine fehlerhafte Bezeichnung des Rechtsmittels unschädlich. (§ 300 StPO) Man kann ein Rechtsmittel zurücknehmen, ohne dass Gebühren entstehen. (§ 302 StPO). Man kann auf Rechtsmittel verzichten. [2] Ein Widerruf (Rücknahme) oder eine Anfechtung eines Rechtsmittelverzichts ist unzulässig (Ausnahme: Irreführung[3]). Bei allseitigem Rechtsmittelverzicht wird ein Urteil sofort rechtskräftig. Zu einem Rechtsmittelverzicht sollte der Angeklagte nicht im Anschluss an die Urteilsverkündung durch den Vorsitzenden Richter veranlasst werden (RiStBV 142 Abs. 2 S. 1)[4].

Über mögliche Rechtsmittel muss im Strafrecht belehrt werden. (siehe Rechtsmittelbelehrung)

Im Strafrecht ist auch die Einlegung eines farblosen oder unbestimmten Rechtsmittels zulässig. So bezeichnet man ein Vorgehen gegen Urteile der Amtsgerichte, die sowohl mit der Berufung als auch mit der Revision angegriffen werden können (vgl. § 302 StPO), ohne dass in der Einlegung des Rechtsmittel bereits eine Festlegung auf eine der beiden Möglichkeiten erfolgt. Bis zum Ende der Revisionsbegründungsfrist kann der Rechtsmittelführer noch entscheiden, ob das Rechtsmittel doch eine Revision sein soll. Bleibt es beim eingelegten farblosen Rechtsmittel, wird es als Berufung behandelt. Das gleiche gilt, wenn die Revisionseinlegung verfristet wäre. Da bei einer Berufung inhaltliche Mängel und in der Revision Verfahrensmängel zum Tragen kommen, hat das farblos bleibende Rechtsmittel nur kosmetische Gründe (Fristversäumnis). Die farblose Einlegung des Rechtsmittels kann indessen sinnvoll sein, da innerhalb der nur einwöchigen Einlegungsfrist das Terminsprotokoll meist noch nicht vorliegt und damit (noch) nicht beurteilt werden kann, ob Verfahrensmängel vorliegen (und durch das Protokoll bewiesen werden können).

Auswirkung der Rechtsmittel im Strafprozess

Auf eine Berufung, Revision, Sprungrevision oder der Nachholung des rechtlichen Gehörs folgt eine erneute oder fortgesetzte mündliche Verhandlung. Auf eine Beschwerde, sofortige Beschwerde, weitere Beschwerde oder Ablehnung entscheidet das Gericht (ggf. das nächsthöhere Gericht) während der mündlichen Verhandlung (unzulässig oder verfahrensverschleppend) oder bei einer Unterbrechung der Verhandlung im schriftlichen Verfahren.

Prozesshandlungen im Strafrecht

Verbot der Verschlechterung

Wird ein Rechtsmittel eingelegt, so hat dies in der Regel eine Beschränkung der höheren Instanz im Hinblick auf die Abänderung der Entscheidung zur Folge (→ reformatio in peius). Das bedeutet, dass die höhere Instanz das Urteil nicht verschärfen darf, wenn nur der Beklagte Berufung oder Revision eingelegt hat.

Österreichische Zivilprozessordnung

Nach der österreichischen Zivilprozessordnung (öZPO) werden Rechtsmittel in Rechtsmittel im engeren Sinne und in Rechtsbehelfe unterschieden.

Rechtsmittel sind grundsätzlich alle Anträge einer Partei auf Überprüfung einer Entscheidung, sofern die Partei nicht vollständig obsiegt hat.

Rechtsmittel im engeren Sinne sind Berufung, Rekurs und Revision (enger Rechtsmittelbegriff der öZPO).

Rechtsbehelfe sind alle sonstigen im Zivilverfahren gestellten Anträge auf Abänderung oder Aufhebung einer Rechtsfolge einer Entscheidung (Urteil oder Beschluss) durch eine weitere Entscheidung. Rechtsbehelfe sind zum Beispiel: Einspruch gegen einen bedingten Zahlungsbefehl, Rechtsmittelklagen, Widerspruch gegen ein Versäumungsurteil, Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, Antrag im Bestandsverfahren, Antrag im Wechselverfahren (Wechselzahlungsauftrag).

Rechtsmittel werden zusätzlich unterteilt in:

  • ordentliche – außerordentliche Rechtsmittel,
  • Aufsteigende (devolutive) – in der selben Instanz bleibende (remonstrative) Rechtsmittel,
  • Aufschiebende (suspensive) – nicht aufschiebende Rechtsmittel,
  • einseitige – zweiseitige Rechtsmittel,
  • volle – beschränkte Rechtsmittel,
  • aufhebende – abändernde Rechtsmittel,
  • selbstständige – vorbehaltene Rechtsmittel,
  • sofort statthafte – anzumeldende Rechtsmittel.

Schweizerischer Verwaltungsprozess

Hier sind Rechtsmittel auch rechtsstaatliche Behelfe des Bürgers/der Bürgerin gegen potenziell rechtswidrige Verwaltungsakte. Mit Einsprache und Beschwerde kann die Verwaltung (im letzteren Falle eine vorgesetzte Instanz) angehalten werden, den Verwaltungsakt nachzuprüfen. Danach ist ein Weiterzug ans Verwaltungsgericht möglich.

Literatur

  • Schweiz: H.R. Schwarzenbach, Grundriss des Verwaltungsrechts, 1978
  • Wolfgang Brandes, Peter Weise: Ein Ökonomisches Modell der Rechtsmittel. In: German Working Papers in Law and Economics. Band 2009, Paper 7.

Einzelnachweise

  1. BGH NJW 1998, 138
  2. Lutz Meyer-Großner: Kurzkommentar zur StPO, ISBN 3-40651730-7, §302 StPO RN13
  3. Lutz Meyer-Großner: Kurzkommentar zur StPO §302 StPO RN22
  4. Lutz Meyer-Großner: Kurzkommentar zur StPO, ISBN 3-40651730-7, §302 StPO RN24

Siehe auch

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