Wilhelm Weinberg

Wilhelm Weinberg

Wilhelm Weinberg (* 25. Dezember 1862 in Stuttgart; † 27. November 1937 in Tübingen) war ein deutscher Arzt, Vererbungsforscher, Statistiker und Genealoge. Er leistete Beiträge zur Zwillingsforschung und Populationsgenetik. Zudem entwickelte er Verfahren zur Minimierung von statistischen Erhebungsfehlern („Auslesefehlern“). Nach ihm ist das seit einem 1943 erschienen Aufsatz Curt Sterns allgemein so genannte Hardy-Weinberg-Gleichgewicht benannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wilhelm Weinberg wurde 1862 in Stuttgart geboren. Sein Vater hatte jüdische Wurzeln, er selbst wurde jedoch, ebenso wie seine Mutter, protestantisch getauft. Weinberg studierte in Tübingen, Wien, Berlin und München Medizin. 1889 wurde er zum Dr. med promoviert, kehrte nach Stuttgart zurück und eröffnete in seinem Elternhaus seine Praxis für Gynäkologie. Weinberg heiratete, wurde Vater von fünf Kindern, praktizierte als Frauenarzt, war als Armenarzt tätig und war Mitglied in diversen Gesellschaften, wie z. B. der Deutschen Gesellschaft für Vererbungswissenschaft. Seine wissenschaftlichen Abhandlungen (ungefähr 200 Abhandlungen, Artikel und wissenschaftliche Rezensionen) schrieb er quasi in seiner Freizeit. 1931, wenige Jahre vor seinem Tode, zog er aus finanziellen Gründen nach Tübingen, wo er 1937 starb.

Forschung

Weinbergs wissenschaftliches Interesse galt der damals noch jungen wissenschaftlichen Disziplin der Vererbungslehre. Er beschäftigte sich neben seiner praktischen Arbeit als Arzt mit Zwillingsforschung, Mutationen beim Menschen, medizinischer Statistik und der Anwendung der Vererbungsgesetze auf Populationen. 1908 beschreibt er in einem Fachartikel unter der Überschrift Über den Nachweis der Vererbung bei Menschen das Fundamentalgesetz der Populationsgenetik, später als Hardy-Weinberg-Gleichgewicht bezeichnet: In einer idealen Population ändert sich die Häufigkeit der Gene nicht, wenn keine äußeren Einflüsse wie Migration, Selektion oder Mutation einwirken. Die Allelfrequenzen bleiben konstant.

Unabhängig von Wilhelm Weinberg gelangte der englische Mathematiker Godfrey Harold Hardy zum gleichen Ergebnis. Weinbergs Arbeit wurde erst nach seinem Tode durch den Genetiker Curt Stern im Jahre 1943 außerhalb des deutschsprachigen Raumes bekanntgemacht.

1910 gründete Wilhelm Weinberg den Stuttgarter Zweig der Gesellschaft für Rassenhygiene, deren Vorsitzender er lange Zeit war. In dieser Zeit untersuchte Weinberg in einer großangelegten Studie Kinder an Tuberkulose zwischen 1873 und 1902 verstorbener Eltern und verglich ihren Gesundheitszustand mit demjenigen Gleichaltriger, deren Eltern nicht an Tuberkulose gestorben waren. Die unter dem Titel Die Kinder der Tuberkulösen 1913 veröffentlichte Studie gilt als wissenschaftlich vorbildliche epidemiologische Kohortenstudie der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.

Werke

  • Wilhelm Weinberg: Über den Nachweis der Vererbung beim Menschen, Jahrhefte des Vereines für Vater. Naturkunde in Württemberg, 1908
  • Wilhelm Weinberg: Weitere Beiträge zur Vererbung des Menschen, Archiv für Rassen und Gesellschaftsbiologie, 1910-1912
  • Wilhelm Weinberg: Die Kinder der Tuberkulösen, Leipzig 1913
  • Wilhelm Weinberg: Zur Frage des wiederholten Auftretens von Defekterscheinungen, Genetica. Nederlands tijdschrift voor erfelijkheids- en afstammingsleer, Band 16, September 1934 S. 440-446

Literatur

  • Curt Stern: The Hardy-Weinberg Law, Science 97 (1943) S. 137-138
  • Alfredo Morabia, Regina Guthold: Wilhelm Weinberg's 1913 Large Retrospective Cohort Study: a Rediscovery, American Journal of Epidemiology 2007 (165) S. 727-733
  • James F. Crow: Hardy, Weinberg and language impediments. in: Genetics 152 (1999) S. 821-825
  • Curt Stern: Wilhelm Weinberg in: Genetics 47 (1962) S. 1-5
  • Dorothee Früh: Wilhelm Weinberg (1862 – 1937), Armenarzt und Populationsgenetiker – Anmerkung zu Leben und Werk in: Biologisches Zentralblatt 115 (1996) S. 112-119

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