Witwenschütteln

Witwenschütteln

Witwenschütteln bezeichnet im Jargon des Journalismus die Tätigkeit, rücksichtslos Interviews, Fotos oder Informationen bei den Hinterbliebenen von Unglücksopfern oder allgemein Menschen, denen gerade Leid widerfuhr, einzufordern. Verbreitet ist das „Witwenschütteln“ vor allem im Boulevardjournalismus, in dem es besonders darauf ankommt, schnell emotionale Schlagzeilen und Bilder zu veröffentlichen. Veröffentlicht werden die Beiträge, die durch das „Witwenschütteln“ entstehen, dann besonders häufig in den Boulevardmedien. Der Begriff kann bereits 1985 belegt werden.[1]

Besonders nach dem 11. September 2001 geriet das „Witwenschütteln“ zunehmend in die Kritik. Das Adolf-Grimme-Institut schrieb dazu:

„Selbst in den Redaktionen von Nachrichtensendungen und seriösen Politik-Magazinen wird für bestimmte Beiträge immer häufiger auf mildernde Umstände plädiert: Der Zweck bestehe in diesem Falle ja darin, die ‚Emo-Schiene‘ zu bedienen. Früher nannte man das: ‚Auf die Tränendrüsen drücken‘. Gerade das Leiden sucht im Fernsehen einen optischen Ausdruck. Oft steht es in den Gesichtern geschrieben. Der Respekt aber vor den Leidenden geht immer stärker verloren. Hemmungslos wird bei Trauernden ‚draufgehalten‘. Hier hat sich eine Veränderung vollzogen, die vielen Journalisten gar nicht mehr bewusst ist. Distanzlosigkeit gilt als Mitleid; das sogenannte ‚Witwenschütteln‘ längst als lässliche Sünde.“

– Thesen des Adolf Grimme Instituts zum gegenwärtigen Fernsehjournalismus, Marl 2002.[2]

Siehe auch: Paparazzo, Regenbogenpresse

Einzelnachweise

  1. Niklaus Meienberg Der wissenschaftliche Spazierstock, Limmat Verlag (1985): „Ein anderer interner Fachausdruck heisst: Witwen schütteln. Damit ist jene Taktik gemeint, welche den Angehörigen von Katastrophen-Opfern, z.B. nach dem Massaker auf dem Oktoberfest in München, Fotos und Personalien der Opfer entlockt, ...“
  2. Ein Jahr nach dem Terroranschlag vom 11. September. Thesen des Adolf Grimme Instituts zum gegenwärtigen Fernsehjournalismus. Marl, September 2002; dokumentiert im Internet Archive.

Weblinks


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