Zillertaler Inklinanten

Zillertaler Inklinanten
Der Auszug der Protestanten

Die Zillertaler Inklinanten (< lat. inclinare neigen, ab- oder hinlenken; auch: Zillertaler Emigranten) waren eine Gruppe von Protestanten (Augsburger Bekenntnis), die 1837 aus religiösen Gründen aus dem Zillertal vertrieben und im Riesengebirge neu angesiedelt wurden.

Die seit der Reformationszeit erhalten gebliebenen Reste eines Geheimprotestantismus im Zillertal entgingen 1731 der Vertreibung. Als 1816 das Tal an das Kaisertum Österreich kam, wurde beim Kaiser die Genehmigung einer evangelischen Gemeindegründung beantragt; die Entscheidung wurde aber verzögert. 1829 baten sechs Inklinanten um Religionsunterricht, damit sie aus der römisch-katholischen Kirche rechtskräftig austreten können, was ihnen rechtswidrig verweigert wurde. Kaiser Franz I. lehnte am 2. April 1834 die Gemeindegründung endgültig ab und bot eine Umsiedlung in andere österreichische Provinzen mit nichtkatholischen Gemeinden an. Diese Entschließung wurde am 12. Jänner 1837 mit einer weiteren kaiserlichen Entschließung bestätigt.

Ferdinand I. befahl am 21. Januar 1837 für alle am Augsburger Bekenntnis festhaltenden Zillertaler die Emigration. Am 20. Juli 1837 erhielten die Tiroler die verbriefte Zusicherung, sich in Preußen niederlassen zu dürfen. Zwischen dem 31. August und dem 4. September 1837 - in vier Auswanderungszügen - verließen 427 Zillertaler ihre Heimat. Elf von ihnen wanderten nach Kärnten und in die Steiermark in bestehende Toleranzgemeinden, 416 nach Niederschlesien aus.

Über Linz und Budweis gelangten die Zillertaler nach Schlesien, wo ihnen durch die Fürsorge der Gräfin von Reden nach Genehmigung durch König Friedrich Wilhelm III. Ackerland zur Verfügung gestellt wurde. Der König ließ ihnen Zillertaler Höfe nach einem vorab erstellten Musterhaus erbauen. Selbst einen Gaulofen besaßen die Häuser – ein gemauerter Ofen mit Ofenbank und Ofenbrücke, wie man ihn heute noch im Zillertal/Tirol antrifft. So entstanden Nieder-, Mittel- und Hochzillerthal am Fuße des Riesengebirges im Hirschberger Tal, die 1937 zur Gemeinde Zillertal-Erdmannsdorf zusammengefasst wurden. Die Zillertaler Protestanten wurden am 12. November 1837 in Schmiedeberg in die evangelische Landeskirche aufgenommen. 1945/46 wurden die Nachkommen aus Schlesien vertrieben.

Zwischen 1856 und 1860 wanderten 54 nach Chile aus. Sie siedelten sich am Llanquihuesee an. Heute leben noch etwa 600 ihrer Nachkommen rund um den Llanquihuesee. Im Jahre 2009 reisten 26 von ihnen, vom Fernsehen begleitet, zurück, um auf auf den Spuren ihren Vorfahren zu wandeln. Vom Zillertal in Tirol folgten sie dem Weg ihrer Vorfahren, über Salzburg, Linz, durch Tschechien nach Zillerthal-Erdmannsdorf, dem heutigen Myslakowice.

Der Tiroler Schriftsteller Felix Mitterer verarbeitete die Geschichte der Zillertaler Inklinanten 1987 im Theaterstück Verlorene Heimat. Im Rahmen der 150. Jahrfeier der Auswanderung der Zillertaler Protestanten im Jahre 1987 wurde das Stück am Dorfplatz von Stumm vom Verband Zillertaler Volksschauspiele aufgeführt.

Siehe auch

Literatur

  • Erich Beyreuther: Zillertaler Emigranten. In: RGG3 Bd. 6, S. 1910.
  • Franz Loidl (Hg.): Zur 150-Jahr-Feier der Emigration der Zillertaler "Inklinanten". Wien: Wiener Katholische Akademie 1987
  • Grete Mecenseffy: Geschichte des Protestantismus in Österreich. Graz; Köln: Böhlau 1956
  • Ekkart Sauser: Die Zillertaler Inklinanten und ihre Ausweisung im Jahre 1837. Innsbruck: Wagner 1959
  • Peter Stöger: Eingegrenzt und ausgegrenzt. Tirol und das Fremde. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2002 ISBN 3-631-39554-X
  • „Ein rheinischer Rechtsgelehrter“: Für die Glaubenseinheit Tirols: Ein offenes deutsches Wort an das Tiroler Volk, Vereins-Buchdruckerei, 1861 (Online-Version) (Streitschrift gegen konfessionell gemischte Länder mit verschiedenen Herleitungen warum das Toleranzpatent in Tirol angeblich nicht gelten soll.)

Weblinks


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