- Édouard Séguin
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Édouard Séguin (* 12. Januar 1812 in Clamecy (Nièvre); † 28. Oktober 1880 in New York) war ein französischer Arzt und Pädagoge und gilt als Begründer einer wissenschaftlich-systematischen Geistigbehindertenpädagogik.
Leben
Geboren am 12. Januar 1812 als Sohn einer angesehenen Arztfamilie, studiert Séguin nach Abschluss der Schule Medizin. Wichtige Impulse für seinen weiteren Werdegang gehen dabei von Jean Itard aus, der in ihm das Interesse an der Unterrichtung und Erziehung geistig behinderter Kinder weckt. Itards Methoden und didaktische Materialien wird Séguin später zu einer vollständigen Erziehungslehre weiterentwickeln.
Seine ersten Unterrichtsversuche macht Séguin ab 1837 als Lehrer in der Abteilung für Idioten der Pariser Irrenanstalt Bicêtre. 1840 gründet er die erste private Schule für Geistigbehinderte in Paris, die er durch seine literarische Arbeit finanziert. Séguin gehört dem Kreis der Saint-Simonisten an, zu dessen Mitgliedern unter anderen der Schriftsteller Victor Hugo zählt, mit dem er auch freundschaftlich verbunden ist.
Als Ergebnis seiner pädagogischen Erfahrungen erscheint 1846 das erste systematische Lehrbuch für die Erziehung und Bildung geistig behinderter Kinder: Traitement moral, hygiène et éducation des idiots. (Paris: J.B. Balliere), das keinen prinzipiellen Unterschied mehr macht zwischen behinderten und nicht-behinderten Kindern.
Die politischen Verhältnisse nach der gescheiterten Revolution von 1848 zwingen Séguin, der sich in der Zeit des revolutionären Vormärz aktiv an politischen Aufrufen zur Verteidigung der Republik beteiligte, im Jahr 1850 von Frankreich aus in die USA zu emigrieren. Dort lässt er sich zunächst in Cleveland/Ohio als Arzt nieder. 1852 macht er Bekanntschaft mit Hervey B. Wilbur (1787–1852), der unterstützt durch Séguin 1854 die erste Idiotenschule in New York gründet. Ebenfalls 1854 übernimmt Séguin die Leitung der "Pennsylvania Training School for Idiots", die er jedoch - vermutlich aufgrund der schweren Erkrankung seiner Frau - bald wieder abgibt. 1860 lässt er sich als Arzt in Mount Vernon, Washington, nieder. 1861 Promotion zum Dr. med. 1862 wird Séguin Mitglieder der angesehenen "American Medical Association". 1863 zieht Séguin nach New York um, wo er den Aufbau der "School for Defectives" auf Randall's Island organisiert.
Unter dem Titel Idiocy and its Treatment by the Physiological Method erscheint 1866 eine vollständig überarbeitete Fassung seines Lehrbuchs von 1846, das 1912 in gekürzter Fassung von Salomon Krenberger (1861–1931) auf deutsch herausgegeben wird. 1873 reist Séguin als Kommissar der USA für den Erziehungssektor nach Österreich, wo er die Wiener Weltausstellung besucht, über die er 1875 einen 137seitigen Bericht veröffentlicht: Report on Education (Washington). 1876 wird Séguin zum ersten Präsidenten der "Association of Medical Officers of American Institutions for Idiots and Feeble-Minded Persons" gewählt.
Séguin stirbt am 28. Oktober 1880 in New York.
Seine Ideen, die in Europa bereits wenige Jahrzehnte nach seiner Auswanderung in Vergessenheit geraten sind, werden um 1900 von der italienischen Ärztin und Pädagogin Maria Montessori wieder entdeckt. Vor allem vermittelt durch ihr Werk üben sie bis heute Einfluss auf die Pädagogik aus.
Bibliografie
- Dagmar Hänsel (1974): Die 'physiologische Erziehung' der Schwachsinnigen. Freiburg i. Br. (Schulz).
- Édouard Séguin (1846): Traitement moral, hygiène et éducation des idiots. Paris (J. B. Balliere).
- Édouard Séguin (1875): Report on Education. Vienna International Exhibition 1873. Washington.
- Édouard Séguin (1912): Die Idiotie und ihre Behandlung nach physiologischer Methode. Wien (Graeser).
Weblinks
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