- Überlandtram
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Der Begriff Überlandstraßenbahn bezeichnet eine Straßenbahnstrecke, die sich in ihrem Charakter und von ihrer Funktion deutlich von innerstädtischen Straßenbahnstrecken unterscheidet.
Sie übernimmt Verkehrsbeziehungen im Regionalbereich oder kann auch städteverbindende Funktionen haben, welche denen einer Eisenbahnverbindung entsprechen. Aber nicht jede städteverbindende Straßenbahnstrecke gilt sofort als Überlandstraßenbahn, z. B. dann nicht, wenn sie einen rein innerstädtischen Charakter besitzt (beispielsweise im Ruhrgebiet die Straßenbahnstrecke zwischen Bochum und Gelsenkirchen). Vielmehr sind typische Überlandstraßenbahnen auch von ihrem Streckenprofil zumindest auf Teilstücken ländlich geprägt, haben meist einen eigenen Bahnkörper und längere Haltestellenabstände. Einzelne Lokalbahnen wurden und werden als Straßenbahn betrieben.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Überlandstraßenbahnen waren früher in ganz Europa weit verbreitet. Sie sind heute eher selten geworden. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wurden zahlreiche Überlandstraßenbahnen errichtet, deren Verkehrsaufkommen eine dichte Zugfolge nicht rechtfertigte. Diese Linien wurden im Westen Deutschlands nahezu ausnahmslos in den 1950er und 1960er Jahren stillgelegt und durch Busse ersetzt. Beispiele dafür sind die Strecken von Wesel nach Rees, von Wuppertal über Neviges nach Essen oder von Hannover nach Hildesheim.
In Nordamerika existierten bis Mitte des 20.Jahrhunderts eine Vielzahl von Interurbans mit ähnlichen Funktionen und Charakter einer Überlandstraßenbahn, welche jedoch vom Betrieb her eher einer Nebenbahn entsprachen.
Betrieb und Technik
Der Betriebsablauf ist in den meisten Fällen mit einer Straßenbahn identisch, aber auch eisenbahnähnliche Elemente werden häufig angetroffen. Grundsätzlich werden Straßenbahnen (und somit auch Überlandstraßenbahnen) nach der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BoStrab) betrieben. Schienenstrecken, welche nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) betrieben werden, gelten formal als Eisenbahnstrecke, auch wenn Straßenbahnfahrzeuge den Betrieb abwickeln.
Es gibt aber auch in Deutschland Nahverkehrsbetriebe mit Schienenverkehr, welche zwar nach der EBO betrieben werden, aber vom ganzen Charakter her einer Überlandstraßenbahn gleichen. Hier wäre beispielsweise die Oberrheinische Eisenbahngesellschaft (OEG) im Rhein-Neckar-Dreieck Mannheim–Weinheim–Heidelberg oder Kassel–Kaufungen–Helsa–Hessisch Lichtenau zu nennen.
Manchmal wird auf den Überlandstrecken eine höhere Fahrdrahtspannung verwendet, um weniger Unterwerke zu benötigen.
Manche Überlandstraßenbahnen führen auch Güterverkehr durch. Hierfür kann bei normalspurigen Überlandstraßenbahnen ein direkter Fahrzeugaustausch stattfinden, bei schmalspurigen Bahnen sind Rollböcke notwendig. Die Güterwagen können von den Straßenbahnwaggons oder von eigenen Lokomotiven gezogen werden.
Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber einer Kleinbahn oder auch anderen Bahnarten ist, dass die Fahrzeuge einer Überlandstraßenbahn mit Blinker und Glocke gemäß der Straßenverkehrszulassungsordnung ausgerüstet sind.
Bestehende Strecken
Deutschland
Baden-Württemberg
- Mannheim – Heddesheim (OEG), Ostast der Linie 4 der RNV (wird nach EBO betrieben)
- Weinheim – Schriesheim – Heidelberg – Mannheim – Weinheim (OEG), Linie 5 der RNV (wird nach EBO betrieben)
- Rohrbach – Leimen, Linie 23 der RNV (siehe auch Nahverkehr in Heidelberg)
- Vaihingen – Möhringen – Plieningen, Linie U3 der Stuttgarter Straßenbahnen (siehe auch Stadtbahn Stuttgart)
- Möhringen – Leinfelden, Linie U5 der Stuttgarter Straßenbahnen (siehe auch Stadtbahn Stuttgart)
- Heumaden – Ruit – Scharnhausen – Nellingen, Linien U7 und U8 der Stuttgarter Straßenbahnen (siehe auch Stadtbahn Stuttgart)
- Mühlhausen – Remseck, Linie U14 der Stuttgarter Straßenbahnen (siehe auch Stadtbahn Stuttgart)
- Hochstetten – Karlsruhe – Ettlingen – Busenbach – Bad Herrenalb/Ittersbach, Linien S1/S11 der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft, tw. EBO (siehe auch Albtalbahn, Hardtbahn, Stadtbahn Karlsruhe)
- Rheinstetten - Karlsruhe – Hagsfeld – Blankenloch – Friedrichstal – Spöck, Linie S2 der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (siehe auch Stadtbahn Karlsruhe)
Bayern
- München – Großhesseloher Brücke – Grünwald, Linie 25 der Münchner Verkehrsgesellschaft (siehe auch Straßenbahn München)
Berlin und Brandenburg
- Berlin-Köpenick – Alt-Schmöckwitz (Uferbahn), Linie 68 der Berliner Verkehrsbetriebe im Linienkonzept von Berlin und Umland (siehe auch Straßenbahn Berlin)
- Schöneiche-Rüdersdorfer Straßenbahn (östlich von Berlin), Linie 88 im Linienkonzept von Berlin und Umland
- Bahnhof Strausberg – Lustgarten, Strausberger Eisenbahn (wird nach EBO betrieben), Linie 89 im Linienkonzept von Berlin und Umland
- Straßenbahn zur Woltersdorfer Schleuse (östlich von Berlin), Linie 87 im Linienkonzept von Berlin und Umland
Hessen
- Darmstadt – Alsbach, Linie 8 der HEAG (siehe auch Nahverkehr in Darmstadt)
- Frankfurt – Neu-Isenburg, Linie 14 der Stadtwerke Verkehrsgesellschaft Frankfurt am Main mbH (VGF) (siehe auch Straßenbahn Frankfurt am Main)
- Frankfurt – Bad Homburg, Linie U2 der VGF (seit 1971 Stadtbahnbetrieb, U-Bahn Frankfurt)
- Frankfurt – Oberursel, Linie U3 der VGF (seit 1978 Stadtbahnbetrieb, U-Bahn Frankfurt)
- Kassel Mattenberg – Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe – Kaufungen – Helsa – Hessisch Lichtenau, Linie 4 der KVG (Lossetalbahn, wird ab Kassel-Lindenberg nach EBO betrieben) (siehe auch Straßenbahn Kassel)
- Kassel – Baunatal-Großenritte, Linien 5 und 7 der KVG (Kassel-Naumburger Eisenbahn, wird ab Kassel-Mattenberg nach EBO betrieben)
Niedersachsen
- Rethen – Gleidingen – Heisede – Sarstedt, Linie 1 der üstra (früher weiter bis Hildesheim, seit 1982 Stadtbahnbetrieb) (siehe auch Stadtbahn Hannover)
Nordrhein-Westfalen
- Bochum-Höntrop – Witten-Heven, Linie 310 der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen (siehe auch Stadtbahn Bochum)
- Bonn – Königswinter – Bad Honnef (Siebengebirgsbahn), Linie 66 der Stadtbahn Bonn (ehemalige Kleinbahn)
- Bonn – Sankt Augustin – Siegburg (Siegburger Bahn), Linie 66 der Stadtbahn Bonn (ehemalige Kleinbahn)
- Düsseldorf – Krefeld, Linie U76 der Stadtbahn Düsseldorf
- Düsseldorf – Duisburg, Linie U79 (Düsseldorf-Duisburger Kleinbahn) der Stadtbahn Düsseldorf und Stadtbahn Duisburg
- Düsseldorf – Ratingen, Linie 712 der Rheinbahn
- Köln – Brühl – Bonn (Vorgebirgsbahn), Linie 18 der Stadtbahn Rhein-Sieg (Stadtbahn Köln und Stadtbahn Bonn) (wird teilweise nach EBO betrieben)
- Köln – Wesseling – Bonn (Rheinuferbahn), Linie 16 der Stadtbahn Rhein-Sieg (Stadtbahn Köln und Stadtbahn Bonn) (wird teilweise nach EBO betrieben)
- Köln-Lindenthal – Frechen, Linie 7 der Stadtbahn Rhein-Sieg (Stadtbahn Köln) (wird teilweise nach EBO betrieben)
- Köln-Poll – Köln-Zündorf, Linie 7 der Stadtbahn Rhein-Sieg (Stadtbahn Köln)
- Köln-Brück – Bergisch Gladbach-Bensberg, Linie 1 der Stadtbahn Rhein-Sieg (Stadtbahn Köln)
Rheinland-Pfalz
- Ludwigshafen-Oggersheim – Bad Dürkheim (RHB), Westast der Linie 4 der RNV (wird nach EBO betrieben)
Sachsen
- Bad Schandau – Lichtenhainer Wasserfall (Kirnitzschtalbahn)
- Dresden-Laubegast – Dresden-Mickten – Radebeul – Coswig – Weinböhla, Linie 4 der Dresdner Verkehrsbetriebe, 28,9 km lang
- Große Leipziger Straßenbahn (GLSt), heute in den Leipziger Verkehrsbetrieben aufgegangen
- Torgauer Straße – Taucha, heute Linien 3/13
- Connewitz – Dölitz – Markkleeberg (heute Markkleeberg-Ost), heute Linie 11
- Leipziger Außenbahn AG (LAAG), Tochter der GLSt
- Wahren – Schkeuditz, heute Linie 11
- Connewitz – Gautzsch (heute Markkleeberg-West), heute Linie 9
- Leutzsch – Böhlitz-Ehrenberg – Gundorf (heute auch Böhlitz-Ehrenberg), heute Linie 7
- Chemnitz – Stollberg, Linie 522 der City-Bahn Chemnitz (siehe auch Stadtbahn Chemnitz)
Sachsen-Anhalt
- Halle (Saale) – Schkopau – Merseburg – Leuna – Bad Dürrenberg, Linie 5 der HAVAG (mit ca. 31 km die längste Straßenbahnlinie in den neuen Bundesländern)
Thüringen
- Gotha – Waltershausen – Friedrichroda – Tabarz (Thüringerwaldbahn), Linie 4 der Straßenbahn Gotha, 21,7 km lang
- Nordhausen – Niedersachswerfen – Ilfeld, Linie 10 der Straßenbahn Nordhausen auf der Harzquerbahn, 11,5 km lang
Österreich
- Stubaitalbahn Innsbruck–Fulpmes der Innsbrucker Verkehrsbetriebe
- Mittelgebirgsbahn Innsbruck–Igls, Linie 6 der Innsbrucker Verkehrsbetriebe
- Badner Bahn von Wien Oper nach Baden-Josefsplatz
- Salzburger Lokalbahn, Linien S 1 und S 11: Salzburg – Bürmoos – Lamprechtshausen (S 1) und Salzburg – Bürmoos – Trimmelkam (S 11)
- Traunseebahn Gmunden – Vorchdorf von Stern und Hafferl
Schweiz
Reine Überlandstraßenbahnen waren in der Schweiz schon immer selten, weil die schweizerischen Vorschriften einen Bahnbetrieb mit Straßenbenutzung zulassen, ohne dass die für Straßenbahnen geltenden Vorschriften eingehalten werden müssen. Diese Betriebsform wird heute vermieden, indem die jeweilige Trasse verlegt wird. Die Straßen werden meist mit Lichtsignalen gesichert. Die wenigsten Überlandstraßenbahnen haben bis in die heutige Zeit überlebt. Die „Überlebenden“ wurden, weil sie nun durch Agglomerationen führen, zu städtischen Straßenbahnlinien oder durch Verlegung auf Eigentrassen und Umstellung dieser Strecken auf Betrieb nach Bahnvorschriften zu Linien mit Mischbetrieb.
Folgende Strecken werden als Straßenbahnen bezeichnet und haben Überlandstraßenbahncharakter:
Bei der Baselland Transport AG (BLT) ist die Linie 10 nach Rodersdorf die einzige Linie, die den Charakter einer Überlandstraßenbahn behalten hat. Die restlichen Linien führen durch dichtbebautes Gebiet und haben den Charakter einer städtischen Straßenbahn.
Die Neuenburger Verkehrsbetriebe (TN) betreiben als letzte Straßenbahnlinie diejenige zwischen Neuenburg und Boudry, welche auf einer Eigentrasse verkehrt, aber den Charakter einer Überlandstraßenbahn behalten hat.
Mischbetrieb herrscht auf folgenden Bahnlinien, die oft schon seit der Gründung Überlandbahnen sind, welche auf das Netz einer städtischen Straßenbahn übergehen, so gesehen also keine reinen Überlandstraßenbahnen sind:
Die Forchbahn (FB) fährt seit ihrer Modernisierung in den 1950er Jahren außerhalb Zürichs nun nach Bahnvorschriften mit höherer Fahrleitungsspannung.
Die Trogenerbahn (TB) hat auch den Charakter einer Überlandstraßenbahn. Außerhalb des Abschnittes der ehemaligen St.-Galler Straßenbahn wird sie allerdings nach Bahnvorschriften gefahren.
Die RBS besitzt mit der Muri-Linie eine Bahn, die streckenweise nach Straßenverkehrsordnung betrieben wird.
Die restlichen Bahnen, soweit sie noch bestehen, sind von den Städten und Vororten übernommen worden oder verkehren nun nach Bahnverkehrsvorschriften auch auf den Straßenabschnitten.
Siehe auch: Liste der Schweizer Eisenbahnen
Belgien
Italien
- (Maria Himmelfahrt – ) Oberbozen – Klobenstein (Rittnerbahn)
- Mailand – Limbiate Ospedale (Linie 178 Atm Milano)
- Mailand – Desio (Linie 179 Atm Milano)
- Trieste – Opicina (Tranvia di Opicina, teilweise Schienenseilbahn)
- Rom – Pantano Borghese
Polen
- Łódź (Lodsch), Linie 43 Łódź – Lutomiersk, Straßenbahn der Gesellschaft "Tramwaje Podmiejskie Sp.z o.o."
- Łódź (Lodsch), Linie 46 Łódź – Ozorków, Straßenbahn der Gesellschaft "Międzygminna Komunikacja Tramwajowa Sp. z o.o.", mit über 30 km Länge ist es die längste Straßenbahnlinie Polens
Tschechien
- Liberec–Jablonec nad Nisou, Straßenbahn der Verkehrsbetriebe Liberec
- Most–Litvínov, Überlandstrecke zwischen beiden Städten durch einen großen Industriekomplex
- Ostrava, Linie 5 Vřesinská – Zátiší, durch Waldgebiete, ehemalige Eisenbahnstrecke
USA
- Philadelphia – Norristown – Norristown High Speed Line (SEPTA Route 100)
- San Diego – San Ysidro Transit Center (Staatsgrenze zu Mexiko)
Stillgelegte Strecken (Auswahl)
Siehe auch: Liste der ehemaligen Straßenbahnen
Deutschland
Baden-Württemberg
- Straßenbahn Esslingen–Nellingen–Denkendorf (END)
- Straßenbahn Ravensburg–Weingarten–Baienfurt (Deutsche Bundesbahn)
- (Heidelberg –) Eppelheim – Plankstadt – Schwetzingen (HSB)
- (Heidelberg –) Leimen – Nußloch – Wiesloch (HSB)
- Heidelberg – Neckargemünd (HSB)
- Seckenheim – Neckarhausen – Edingen (OEG)
Bayern
Brandenburg
- Brandenburg/Havel – Plaue – Kirchmöser West
Hessen
- Herkulesbahn Kassel – Herkules
Niedersachsen
- Braunschweig – Wolfenbüttel
Nordrhein-Westfalen
- Überlandstrecken der Aachener Straßenbahn
- Dortmund – Dortmund-Mengede
- Dortmund-Hörde – Schwerte
- Emmerich – Rees – Empel
- Kleinbahn Haspe-Voerde-Breckerfeld Hagen-Haspe – Breckerfeld
- Kleinbahn Siegburg – Zündorf
- Unna – Kamen – Werne
- Wuppertal – Solingen
- Wuppertal – Remscheid
Saarland
- Saarbrücken – Dudweiler – Sulzbach – Friedrichsthal – Elversberg – Spiesen
Sachsen
- Dresden-Cotta – Cossebaude
- Dresden-Niedersedlitz – Kreischa (Lockwitztalbahn)
- Straßenbahn Hohenstein-Ernstthal–Oelsnitz
- Meusdorf (Leipzig) – Liebertwolkwitz
- Paunsdorf (Leipzig) – Engelsdorf
Sachsen-Anhalt
- Magdeburg-Westerhüsen – Schönebeck
- Merseburg Süd – Frankleben – Mücheln (Geiseltal)
Österreich
- Mödling–Hinterbrühler Straßenbahn in Niederösterreich, (1932 stillgelegt)
- Lokalbahn Innsbruck–Hall in Tirol, (1974 eingestellt)
- Dornbirn–Lustenau (1938 eingestellt)
- Pressburger Bahn, eingestellt am 3. April 1945
USA
- Chicago, North Shore & Milwaukee Railroad
- Houston – Galveston, Galveston-Houston Railway
- Illinois Terminal Railroad
- Key System (San Francisco/Oakland)
- Pacific Electric Railway (Los Angeles) (siehe auch Hollywood Subway)
- San Francisco – Sacramento – Chico, Sacramento Northern Railway
- Texas Electric Railway (Dallas)
- Toledo – Sandusky – Cleveland, Lake Shore Electric Railway
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