Bergungstod

Bergungstod

Als Bergungstod bezeichnet man das Phänomen, dass vermeintlich gerettete Katastrophenopfer, die manchmal Stunden und Tage in misslicher Lage überlebt hatten, Minuten nach der Bergung plötzlich doch sterben.

Inhaltsverzeichnis

Bergungstod bei Unterkühlung

Der Bergungstod bei Unterkühlung von Personen hat physiologische Ursachen: Der Mensch gibt die vom Körper produzierte Wärme über die Körperoberfläche ab. Um bei Unterkühlung (Hypothermie) ein weiteres Absinken der Körpertemperatur zu verhindern, wird die Durchblutung der Körperoberfläche verringert (siehe auch Thermoregulation) und das warme Blut konzentriert sich auf die überlebenswichtigen Organe, den sogenannten Körperkern. Die Temperatur der Körperschale (Haut, Arme, Beine) sinkt dabei noch weiter ab. Ist der Temperaturunterschied zwischen Kern und Schale zu groß, kommt es beim Wiederaufwärmen oder beim Bewegen der unterkühlten Person zum Temperaturausgleich, bei dem kaltes Blut zurück in den Kern fließt und dabei die Kerntemperatur noch weiter absinkt (Afterdrop). Aufgrund der Temperaturempfindlichkeit des Erregungsleitungssystem des Herzens kann es dabei zu Herzrhythmusstörungen und zum Erliegen jeglicher Herz-Kreislauftätigkeit kommen. Daher ist nach Möglichkeit eine Flachlagerung ohne abrupte Lageveränderung des Patienten sowie eine Immobilisation anzustreben. Außerdem sollten Patienten im zweiten Stadium der Hypothermie nicht aktiv erwärmt werden, da dies zu einer Vasodilatation und zum so genannten Afterdrop führen kann.

Andere Ursachen

Bei Katastrophenopfern, wie zum Beispiel bei verschütteten Personen, ist der Bergungstod häufig darauf zurückzuführen, dass nach dem Wegräumen von auf den Verschütteten lastenden Trümmern, gequetschte Gliedmaßen wieder durchblutet werden und somit verletzte Strukturen wieder zu bluten anfangen. Bei allen Katastrophenopfern besteht zudem die Gefahr, dass die noradrenagene Stressreaktion aussetzt. Vor der Rettung befinden sich nicht bewußtlose Personen in einer extremen Stresssituation. Dabei bewirken die Stresshormone Adrenalin und Cortisol ein Aufrechterhalten der lebenswichtigen Organfunktionen. Nach der Rettung reduziert sich dieser Stressmechanismus und der von den Stresshormonen aufrechterhaltene Blutkreislauf bricht zusammen.

Bei Schiffbrüchigen, die aus dem Wasser gerettet werden, kommen zwei weitere Gefahren hinzu: Schiffbrüchige treiben meist annähernd waagerecht im Wasser, wobei durch den Wasserdruck schon unmittelbar unterhalb der Wasseroberfläche ein gewisser Druck auf den Körper ausgeübt wird. Werden nun Schiffbrüchige z. B. von einem Hubschrauber an einer Seilwinde aus dem Wasser gezogen, fällt der Wasserdruck weg, die Gefäße erweitern sich und das Blut sackt in die Beine, wodurch es zu einer Unterversorgung der lebenswichtigen Organe im Rumpf kommt.

In der Bergrettung ist der Bergungstod oft auf ein Hängetrauma zurückzuführen. Dabei hängt eine Person längere Zeit, wodurch das Blut in die unteren Extremitäten versackt. Strömt das Blut bei der Rettung plötzlich in den Organismus zurück, kann es ebenso zum Kreislaufschock kommen. Durch die Entwicklung ergonomischer Sitzgurte kann die letztere Form des Bergungstodes hinausgezögert werden, aber auch darin kann der Bergungstod bei langem Hängen nicht ausgeschlossen werden.

Prominente Fälle und Lehren daraus

Das Bild des Schiffbrüchigen Frank Ferris, dessen Boot 1979 beim Fastnet Race untergegangen ist, ging durch die Weltpresse. Es wurde aus einem Hubschrauber der Royal Navy aufgenommen und zeigt, wie sich ein Retter zum im Wasser treibenden Ferris, der zu diesem Zeitpunkt noch lebte, abseilt. Ferris starb Minuten später an Bord des Hubschraubers. Die Lehren, die daraus gezogen wurden, waren, dass Rettungsboote, die zur Rettung Schiffbrüchiger eingesetzt werden, Türen am Rumpf haben, um eine möglichst schonende waagerechte Bergung zu ermöglichen. Bei Hubschraubern werden seitdem Rettungstragen oder Rettungskörbe eingesetzt, um Schiffbrüchige ebenfalls in waagerechter Position aus dem Wasser ziehen zu können.

Literatur

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