- Bierorgel
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Bierorgel ist eine bei manchen Studentenverbindungen übliche, scherzhafte (manchmal auch leicht abwertende) Bezeichnung für das Klavier, mit dem auf einer Kneipe oder einem Kommers das Singen der Kommerslieder begleitet wird.
Instrumentalbegleitung bei studentischen Kneipgesängen scheint eine vergleichsweise späte Entwicklung zu sein. Aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als die studentischen Veranstaltungen noch ausschließlich in öffentlichen Lokalen stattgefunden haben, ist keine bildliche Darstellung einer Klavierbegleitung oder eines anderen Instruments überliefert. Vermutlich weil die Kneipwirte den finanziellen Aufwand scheuten oder um den Erhaltungszustand des teuren Instruments fürchteten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die ersten Klaviere erst zur Zeit des Baus der ersten Korporationshäuser in den letzten Jahrzehnten des Jahrhunderts ihren Einzug in die studentische Kneipe hielten. Die Einrichtung dieser Häuser orientierte sich an der Ausstattung eines Bürgerhauses der damaligen Zeit, und dazu gehörte auch ein Klavier.
Der Begriff "Bierorgel" steht in der studentischen Tradition, scherzhafte Ausdrücke für gewöhnliche Gegenstände oder gewöhnliche Ausdrücke für scherzhafte Vorgänge ("Biername", "Bierjunge", "Bierverschiss", "Bierwort" etc.) durch das Präfix "Bier-" zu bilden. Ähnliches ist bei den Soldaten der deutschen Bundeswehr üblich, hier mit dem Präfix "Nato-" (zum Beispiel "Nato-Adler" für "Brathähnchen"). In die deutsche Umgangssprache hat der Begriff "Bier-Zeitung" Aufnahme gefunden, der für eine Sammlung von satirischen Beiträgen verwendet wird, die anlässlich eines besonderen Ereignisses oder eines Festes vervielfältigt wird.
Die Anspielung auf das kirchliche Instrument Orgel steht wiederum in der studentischen Tradition, aristokratische und klerikale Titel, Begriffe und Umgangsformen bei Trinkveranstaltungen ("Bierstaat", "Bier-Herzogtum") lächerlich zu machen. Das war besonders in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts - vor allem in Jena - sehr beliebt. Der Kulturkampf in Preußen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird hierbei kaum hemmend gewirkt haben.
Der Pianist heißt hier Bierorgler oder Biermusik. Die Bierorgel wird bedient (nicht gespielt).
Literatur
- Harm-Hinrich Brandt und Matthias Stickler: Der Burschen Herrlichkeit - Geschichte und Gegenwart des studentischen Korporationswesens, Historia Academica Bd. 36, Würzburg, 1998, ISBN 3-930877-30-9
- Paulgerhard Gladen: Gaudeamus igitur - Die studentischen Verbindungen einst und jetzt, München, Callwey, 1988, ISBN 3-7667-0912-7
- Friedhelm Golücke et al. i. A. der Gemeinschaft für deutsche Studentengeschichte e.V.: Auf Deutschlands hohen Schulen, Fotomechanischer Nachdruck der Ausgabe Berlin 1900, SH-Verlag, Köln, 1997, ISBN 3-89498-042-7
- Robert Paschke: Studentenhistorisches Lexikon, GDS-Archiv für Hochschulgeschichte und Studentengeschichte, Beiheft 9, Köln, 1999, ISBN 3894980729
- Gerhard Richwien: Student sein, eine kleine Kulturgeschichte, Gemeinschaft für Deutsche Studentengeschichte (GDS), Kleine Schriften der GDS 15, SH-Verlag, Köln, 1998, ISBN 3894980494
- Friedrich Schulze/Paul Ssymank: Das deutsche Studententum von den ältesten Zeiten bir zur Gegenwart, 4. Auflage 1932, Verlag für Hochschulkunde München
Kategorie:- Studentisches Brauchtum und Ritual
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