Korporationshaus

Korporationshaus
Das Haus des Corps Rhenania Tübingen gilt als das erste als Korporationshaus errichtete Gebäude Deutschlands, Erstbau 1882, heutiger Zustand seit 1912

Ein Korporationshaus ist ein Gebäude, das von einer Studentenverbindung gebaut oder gekauft worden ist, um dort einen bedeutenden Teil des Verbindungslebens stattfinden zu lassen.

Alternative Bezeichnungen sind Verbindungshaus, Bundeshaus oder – besonders in Österreich – Bude, bei Corps auch Corpshaus, bei baltischen Verbindungen Conventsquartier (abgekürzt C!Q!).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vom Kneiplokal (links: Schwarzer Bär) zum eigenen Verbindungshaus (Exlibris der Burschenschaft Holzminda Göttingen (um 1910))

Während die ersten Verbindungen im heutigen Sinne um das Jahr 1800 entstanden, sind die meisten Korporationshäuser deutlich jünger. Erst in den 1880er Jahren entstanden durch den verstärkten Einsatz der so genannten Alten Herren, ehemaliger Studenten, die ihrer Verbindung auch nach dem Studium verbunden bleiben, und durch die Bildung von Altherrenvereinen die materiellen Grundlagen für den Erwerb von Immobilien.

Aktie der Bonner Preußenkneipe über Drei Hundert Mark, gezeichnet von Kaiser Wilhelm II.

In der Zeit des deutschen Kaiserreichs waren die Verbindungen etabliert und eine wesentliche Stütze des Staates. Auch hatte sich das Verbindungsleben zunehmend formalisiert und organisiert. Eine repräsentative Immobilie bildete da den richtigen Rahmen.

Projekt für ein Kneiphaus der Landsmannschaft Darmstadtia Gießen

Ein weiterer Grund für das Entstehen von Korporationshäusern war auch die zunehmende Zahl der Verbindungen ausgangs des 19. Jahrhunderts. War es zu der Zeit noch üblich, dass sich das Verbindungsleben in den Kneip- und Verbindungslokalen abspielte, so blieb die absolute Zahl der Gaststätten doch hinter der Zahl der Verbindungen zurück. Die Folge war, dass oft mehrere Verbindungen Räume in einer Gastwirtschaft angemietet hatten, was wiederum oft zu Reibereien zwischen ihnen führte, denen man wiederum nicht ausweichen konnte, da ein Umzug in eine andere Gastwirtschaft nicht möglich war. Als Ausweg aus dieser Situation bot sich daher das eigene Verbindungshaus an.

Das Haus des Hallenser Wingolf um 1900

Entsprechend der baugeschichtlichen Entwicklung der Gründerzeit entstanden die ersten Korporationshäuser als Villen in den sich damals entwickelnden neuen Wohngebieten des Bürgertums – erstmals außerhalb der mittelalterlichen Mauern der alten Städte, quasi als „Häuschen im Grünen“ (siehe auch Gartenstadt). In Anbetracht der heutigen städtebaulichen Situation liegen die Häuser vorwiegend in den besten Wohnlagen in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt.

Vermutlich das erste Korporationshaus Deutschlands erwarb das Corps Teutonia Marburg, das schon seit den 1860er Jahren eine Kegelbahn in einem kleinen Gebäude auf einem Gartengrundstück am Marburger Schlossberg besaß und betrieb. Einige Jahrzehnte später entstand auf diesem Grundstück eines der imposantesten Corpshäuser Deutschlands. Das erste Korporationshaus, das in Deutschland als solches erbaut wurde, war das im Jahre 1882 fertiggestellte Haus des Corps Rhenania Tübingen, das nach zwei Ausbau-Abschnitten letztlich im Jahre 1912 seine heutige Form erhielt.

Generell war es so, dass die Verbindungen, die sich früh, zum Beispiel um 1880, ein Haus zulegten, im Laufe der Zeit mit der Größe unzufrieden waren und das Gebäude entweder massiv ausbauten oder ganz abrissen und ein größeres Haus errichteten. Ungefähr zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg bildeten sich genaue Vorstellungen darüber heraus, wie groß und repräsentativ ein Korporationshaus zu sein hatte.

Die weitaus meisten Korporationshäuser entstanden zwischen den Jahren 1895 und 1910. Das älteste als Korporationshaus genutzte Haus ist das Jakobertor in Augsburg. Das im 14. Jahrhundert errichtete Gebäude wird heute von der Burschenschaft Rheno-Palatia gemietet und genutzt. Das Corpshaus der Saxonia Frankfurt zu Konstanz ist das ehemalige Siechenhaus der Stadt Konstanz und wurde im Jahr 1500 errichtet. Im November 1884 kaufte das Corps Rhenania Würzburg das 1720 für den Würzburger Fürstbischof Christoph Franz von Hutten erbaute Huttenschlösschen, das noch heute als Corpshaus genutzt wird. Das Haus des Corps Pomerania-Silesia Bayreuth, gebaut 1753, verfügt ebenfalls über eine große Tradition. Vormals war es als Gaststätte ein Anlaufpunkt für Jagdgesellschaften. Dort verkehrten auch Franz Liszt und Cosima Wagner und saßen gemeinsam am Klavier. Das in den Jahren 1906/1907 vom bekannten Münchener Baumeister Gabriel von Seidl gebaute Verbindungshaus des Corps Germania zu München mit seinem großen Ballsaal ist wohl das schönste Corpshaus Münchens.

1913, im Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, waren Korporationshäuser bei den Corps am stärksten verbreitet – prozentual, wie auch in absoluten Zahlen. In den beiden corpsstudentischen Dachverbänden KSCV und WSC nannten 91 % bzw. 78 % der Verbindungen ein Haus ihr Eigen. Bei den Burschenschaften war das Bild gemischt: So hatten 45 von 66 Mitgliedsbünden der Deutschen Burschenschaft ein eigenes Haus (68%), aber nur 16 der 35 technischen Burschenschaften des RVdB (46%) und nur 6 der 41 Bünde des österreichischen Dachverbandes Burschenschaft der Ostmark (15%). Bei den konfessionellen Studentenverbindungen war die Quote beim KV mit 29% am höchsten, gefolgt vom Schwarzburgbund (25%) und dem CV (23,5%). Am geringsten war die Rate beim Unitas-Verband, bei dem damals nur eine einzige der 20 Mitgliedsverbindungen ein eigenes Haus besaß.[1]

Als um das Jahr 1935 die meisten Verbindungen in Deutschland und Österreich dem Druck zur Gleichschaltung durch den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) erlagen und zwangsaufgelöst wurden, fielen die Häuser in der Regel an die Kameradschaften des NSDStB, die sie als Studentenwohnheime und zu Schulungszwecken nutzten. Die Eigentumsübertragungen erfolgten einerseits freiwillig, in anderen Fällen aber unter großem Enteignungsdruck. Etliche Korporationen ließen sich enteignen oder verstanden es, die Enteignung mit juristischen Mitteln zu verzögern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten viele dieser enteigneten Häuser zurückgewonnen werden - zumindest in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich. In den Fällen, in denen die Häuser verkauft oder freiwillig übertragen worden waren, blieb nur die Möglichkeit eines Rückkaufs, soweit der neue Eigentümer verkaufswillig war. Viele Verbindungen - ob in Ost oder West - konnten ihre Häuser aber nicht wiedererlangen und mussten sich neue erwerben, teils moderne Häuser, teils aber auch sehr alte Wohngebäude.

Seit den 1990er Jahren werden in Deutschland wieder vereinzelt Korporationshäuser neuerrichtet - auch in den alten Bundesländern.

Nutzung

Anteilsschein Corpshaus GmbH des Corps Austria

Korporationshäuser bilden heute den Rahmen für das studentische Leben der Verbindungen. Besonders wichtig ist heute (im Gegensatz zur Planung beim Bau) die Nutzung als Studentenwohnheim – in der Regel für die Mitglieder der Verbindung. Teilweise besteht sogar die Verpflichtung, als aktives Mitglied eine gewisse Zeit auf dem Haus der Verbindung gewohnt zu haben. Generell sind die Mietkosten für Zimmer in Korporationshäusern sehr günstig im Vergleich zu den Mietpreisen von studentischen Unterkünften allgemein.

Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Nutzung als Versammlungsgebäude und Veranstaltungsort. Zentrum eines normalen Korporationshauses bilden in der Regel die große und die kleine „Kneipe“, Räume für unterschiedlichste Formen studentischer Veranstaltungen (Kneipe, Kommers etc.). Dazu kommen weitere Wohnräume für das Alltagsleben, eine Bibliothek, Räume für Verwaltung, Schriftverkehr und Archiv sowie Infrastruktur wie Küchen und Vorratsräume.

Schlagende Verbindungen benötigen einen Raum für das Pauken und zum Aufbewahren und Pflegen der Mensurausrüstung. Oft gibt es in Korporationshäusern Einliegerwohnungen für das Personal der Verbindung: Haushälterin und/oder Hausmeister, üblicherweise Fax genannt.

Sprachliches

In Korporationskreisen heißt es „auf dem Haus“ (abgekürzt „a.d.H.“) an Stelle von „im Haus“. Man sagt also beispielsweise: „ich gehe aufs Haus“ und nicht: „ich gehe zum Haus“. Entsprechendes gilt für die Studentenwohnung, man sagt also nicht „nach Hause“ sondern studentensprachlich „auf Stube“.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Alle Zahlen: Frank Grobe: Zirkel und Zahnrad. Ingenieure im bürgerlichen Emanzipationskampf um 1900. Die Geschichte der technischen Burschenschaft. (Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert. Band 17. Hrsg. von Klaus Oldenhage). Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2009. S. 609.

Literatur

  • Richard Dollinger: Über studentische Verbindungshäuser. 1914
  • Wilhelm G. Neusel (Hrsg.): Kleine Burgen, große Villen - Tübinger Verbindungshäuser im Porträt, Tübingen 2009, ISBN 978-3-924123-70-3

Weblinks

 Commons: Korporationshaus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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