Blaustrumpf

Blaustrumpf

Blaustrumpf war im 19. Jahrhundert eine abwertende Bezeichnung für bestimmte gebildete, aber als unweiblich geltende Frauen. Man zählte sie zu den ersten Angehörigen einer Frauenbewegung, analog zur „Emanze“ der 1970er Jahre. Die Blaustrümpfe waren keine organisierte Gruppe, wie die späteren Suffragetten, sondern einzelne gebildete Frauen aus dem Bürgertum, die dem zeitgenössischen Frauenbild widersprachen. Die Frauen kämpften für das Frauenwahlrecht und den Zugang zu Hochschulen.

Im 17. und 18. Jahrhundert war „Blaustrumpf“ ein Spottname für die Gerichtsdiener, die oft blaue Strümpfe trugen. Nach dem Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm hatte die Bezeichnung „Blaustrumpf“ die Bedeutung „Angeber“ oder „Verleumder“ [1]. In diesem Sinne wird es in Johann Sebastian Bachs Quodlibet von 1707 (BWV 524) verwendet, in dem es heißt „...und mancher Hofbediente trägt blaue Strümpfe an.“

Die Blaustrumpfgesellschaft

Der Begriff in der späteren Bedeutung geht auf England Mitte des 18. Jahrhunderts zurück: Um 1750 eröffnete die Londoner Literatin Elizabeth Montagu (1718–1800) ihren Salon für „schöngeistige Partys“ und lud Gäste zu literarischen Themenabenden und Diskussionen. Einer der dort verkehrenden Herren war der Botaniker Benjamin Stillingfleet, der statt der zur feinen Herren-Abendgarderobe gehörenden schwarzen Seidenstrümpfe mangels entsprechender Mittel billige blaue Garnstrümpfe trug. Dieses skandalöse modische Vergehen sprach sich herum und die Teilnehmer der „intellektuellen Feste“ wurden allesamt als „Blue Stockings“, „Blaustrümpfe“ bezeichnet.

Bei den Londoner Treffen nahmen unter anderem teil:

In Japan wurde 1911 die literarische und feministische Zeitschrift Seitō (japanisch für Blaustrumpf) gegründet und bis 1916 von Noe Ito betrieben.[7]

Satirische Rezeption

Der Frauentypus der gebildeten, berufstätigen, politisch interessierten Frau wurde Mitte des 19. Jahrhunderts zum Beispiel durch die Karikaturen von Honoré Daumier populär und zur Zielscheibe männlicher Aversionen und Ängste.

Satirische Zeichnung von Thomas Rowlandson (1756–1827), "Zusammenbruch des Blaustrumpfklubs" (1815)

Literarisch nahmen sowohl männliche wie weibliche Autoren den Blaustrumpf satirisch aufs Korn. Oscar Blumenthal reimte 1887:

Blaustrümpfe
Alle Eure poet’schen Siebensachen –
Ich schätze sie nicht ein Pfifferlein.
Nicht sollen Frauen Gedichte machen:
Sie sollen versuchen, Gedichte zu sein.

Ebenso deutlich Marie von Ebner-Eschenbach:

Sankt Peter und der Blaustrumpf
Ein Weiblein klopft an’s Himmelsthor,
Sankt Peter öffnet, guckt hervor:
– »Wer bist denn du?« – »Ein Strumpf, o Herr …«
Sie stockt, und milde mahnet er:
»Mein Kind, erkläre dich genauer,
Was für ein Strumpf?« »Vergib – ein blauer.«
Er aber grollt: »Man trifft die Sorte
Nicht häufig hier an unsrer Pforte.
Seid samt und sonders freie Geister,
Der Teufel ist gar oft nicht dreister,
Geh hin! er dürfte von dir wissen,
Der liebe Herrgott kann dich missen.«

Belege

  1. Deutsches Wörterbuch
  2. Elizabeth Eger, "Boscawen, Frances Evelyn (1719–1805)," Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004 [accessed 16 Dec 2008].
  3. Boswell’s Life of Johnson, ed. Hill, G.B. (1887), vol. IV, p. 108.
  4. a b c Miegon, Anna, "Biographical Sketches of Principal Bluestocking Women," The Huntington Library Quarterly 65.1/2 (2002): 25-37.
  5. Barbara Brandon Schnorrenberg, “Montagu , Elizabeth (1718–1800),” Oxford Dictionary of National Biography. Ed. H. C. G. Matthew and Brian Harrison. Oxford: OUP, 2004. 22 Apr. 2007.
  6. Rhoda Zuk, "Talbot, Catherine (1721–1770)," Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004 [accessed 16 Dec 2008]
  7. S.L.Sievers: The Bluestockings. In: Meiji Japan 10. November 1998, ISBN 978-0-41515618-9
Wiktionary Wiktionary: Blaustrumpf – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Blaustrumpf — Sm abwertend für intellektuelle Frau, die auf die als typisch weiblich geltenden Eigenschaften keinen Wert legt erw. fach. (18. Jh.) Stammwort. Lehnübersetzung von ne. blue stocking. Die Herkunftslegenden, die diesen Wortgebrauch erklären sollen …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • Blaustrumpf — Blaustrumpf, 1) Spottname für Spion, Angeber, Verräther; soll daher kommen, daß sonst in einigen Städten die mit der geheimen Polizei Beauftragten blaue Strümpfe getragen hätten 2) (Blue stockings). Spottname für die gelehrten u. belletristischen …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Blaustrumpf — Blaustrumpf, früher in Deutschland Spottname für Aufpasser und Angeber, entstanden daher, daß an manchen Orten die Polizeidiener und Lakaien blaue Strümpfe trugen (daher in Schillers »Räubern«: höllischer B. soviel wie Teufel). Seit dem 18. Jahrh …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Blaustrumpf — (engl. blue stocking), Spottname für Frauen, die ihren geistigen Neigungen zuliebe die häuslichen Pflichten vernachlässigen oder ihre gelehrten Kenntnisse selbstgefällig zur Schau tragen; Ausdruck im 18. Jahrh. in England entstanden nach den… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Blaustrumpf — Blaustrumpf, aus dem engl. blue stocking, Beiname gelehrter Frauen, von einer Frau Stillingfleet herstammend, welche um 1700 Mitglied einer Gesellschaft von Schöngeistern in London war und blaue Strümpfe trug …   Herders Conversations-Lexikon

  • Blaustrumpf — Die Redensart Ein Blaustrumpf sein besitzt im Deutschen verschiedene Bedeutungen, weil sie sich auf einen deutschen und einen englischen Spottnamen bezieht.{{ppd}}    Im 17. und 18. Jahrhundert nannte man die deutschen Polizeidiener Blaustrumpf,… …   Das Wörterbuch der Idiome

  • Blaustrumpf — [1.] A is a rechter Blôstrump. – Gomolcke, 95; Frommann, III, 249, 279. Mit dem Ausdruck Blaustrumpf bezeichnet man nach Körte (Nr. 642) in Nürnberg einen Verräther. Es ist auch ein englischer Spottname auf gelehrte Frauenzimmer, deren… …   Deutsches Sprichwörter-Lexikon

  • Blaustrumpf — Blau|strumpf 〈m. 1u; abwertend〉 einseitig ihre Gelehrsamkeit hervorkehrende Frau Siehe auch Info Eintrag: Blaustrumpf info! * * * Blau|strumpf, der [LÜ von engl. bluestocking, dem Spottnamen für die Teilnehmerinnen eines Londoner schöngeistigen… …   Universal-Lexikon

  • Blaustrumpf — blau: Das altgerm. Farbadjektiv mhd. blā, ahd. blāo, niederl. blauw, aengl. *blæ̅w (in blæ̅hæ̅wen »hellblau«), schwed. blå ist z. B. eng verwandt mit lat. flavus »goldgelb, blond« und gehört mit anderen verwandten Wörtern zu der unter ↑ Belche… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Blaustrumpf - info! — Blaustrumpf: Mit dem Schimpfwort Blaustrumpf wurden im 17. und 18. Jahrhundert zunächst die deutschen Polizeidiener bezeichnet, weil sie farbige Strümpfe trugen. Damals bedeutete Blaustrumpf „Angeber“ oder sogar „Teufel“. Die heutige abwertende… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”