Blitzlichterinnerung

Blitzlichterinnerung

Als Blitzlichterinnerungen (engl. Flashbulb memories) werden in der Psychologie detailgenaue lebhafte Erinnerungen an Weltereignisse wie z. B. die Ermordung John F. Kennedys oder die Anschläge vom 11. September 2001 bezeichnet. Es handelt sich dabei um dramatische Geschehnisse, die emotional bewegen. Erinnert werden langfristig sehr viele Umstände, die die jeweilige Person mit dem Ereignis verbinden. Es liegen vor allem US-amerikanische Untersuchungsergebnisse und Theorieansätze vor. Im Deutschen ist der Begriff noch nicht allgemein etabliert.

Inhaltsverzeichnis

Erklärungsansätze

Zur Definition und Erklärung von Blitzlichterinnerungen gibt es verschiedene Ansätze.

Nach der Definition von Brown und Kulik (1977) handelt es sich dabei um einen sogenannten „Now Print“-Mechanismus. Das Ereignis wird demnach exakt und fehlerfrei gespeichert wie eine Fotoaufnahme. Der Prozess der Erinnerungskreation ist also zeitgleich mit dem Ereignis. Brown und Kulik heben die Ähnlichkeit der Struktur von Blitzlichterinnerungen hervor. Diese Ähnlichkeit erinnert an einen unbewussten neuralen Mechanismus. Kritiker dieses Ansatzes weisen darauf hin, dass keine einheitliche Gesetzmäßigkeit, wie ein Ereignis erfahren wird, besteht und sprechen daher von „Schemata“ für das Aufnehmen und Erinnern von Situationen.

Ulrich Neisser (2003) hält Blitzlichterinnerungen dagegen für das Produkt einer Rekonstruktion. Durch die mit dem Ereignis verbundenen starken Emotionen wird die Erinnerung immer wieder aus dem Gedächtnis hervorgeholt und durch die ständige Wiederholung aufrechterhalten. Verfälschungen sind dabei nicht ausgeschlossen. Brown und Kulik halten dagegen die Wiederholung der Erinnerungen für das Produkt der Blitzlichterinnerung.

Außerdem wird das Phänomen teilweise aus der Evolutionssgeschichte abgeleitet. Demnach werden spezielle neuronale Mechanismen bei solchen Ereignissen aktiviert, die für die dauerhafte Einprägung in das Gedächtnis sorgen und zum Schutz vor Gefahren dienen.

Zur Forschung über Blitzlichterinnerungen

Schon Ende des 19. Jahrhunderts gab es erste Forschungen zur Art der Erinnerung an Abraham Lincolns Tod. Seitdem wurden mehrere empirische Untersuchungen mit unterschiedlichen Methoden zu dem Phänomen durchgeführt.

In einer Studie von Talarico und Rubin im Jahr 2003 wurden Probanden zu ihrer Erinnerungen an die Anschläge des 11. September befragt. Es sollte die Frage geklärt werden, ob Blitzlichterinnerungen konsistenter als alltägliche Erinnerungen sind und ob Menschen solchen Erinnerungen mehr vertrauen, als anderen. Ihren Ergebnissen zufolge, sind Blitzlichterinnerungen kohärenter als alltägliche Erinnerungen, ihre Konsistenz sinkt mit der Zeit. Erinnerungsmerkmale wie Sicherheit und Lebhaftigkeit sind stärker ausgeprägt.

Belletristik

Der Autor Arno Schmidt hat als Prosaform den genau darzustellenden Unterschied zwischen einzelnen Blitzlichterinnerungen (er nennt sie "Snapshots") und den an sie anschließenden Folgeerinnerungen entwickelt (vgl. Das steinerne Herz, 1956).

Literatur

  • Brown, R., & Kulik, J. (1977): Flashbulb memories. Cognition 5, 73–99.
  • Neisser, U. (1982): Snapshots or benchmarks?. In U. Neisser & I.E. Hyman (Eds.), Memory observed: Remembering in natural contexts: 68–74. San Francisco: Worth Publishers.
  • Neisser, U. (2003): New directions for flashbulb memories: Comments on the ACP issue. Applied Cognitive Psychology 17, 1149–1155
  • Talarico, J. M., & Rubin, D. C. (2003): Confidence, not consistency, characterizes flashbulb memories. Psychological Science 14, 455-461
  • Winograd, E., Neisser, U. (2006): Affect and Accuracy in Recall: Studies of 'flashbulb' Memories (Emory Symposia in Cognition). Cambridge University Press
  • Luminet, O., Curci, A. (15. Okt. 2008): Flashbulb Memories. Psychology Press Ltd

Weblinks


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