Bürgeradel

Bürgeradel

Bürgeradel ist ein Oxymoron und ein soziostruktureller Begriff, mit dem die bürgerliche Oberklasse in nicht adelig dominierten Gesellschaften wie Republiken bezeichnet wird. [1] Charakteristisch für den Bürgeradel war, dass er sich auf seine Herkunft stützte und die gängige Geringschätzung des Bürgers durch den Adel überwand, die darin wurzelte, dass dieser keine Geschlechterfolge darlegen konnte. [2] Der Bürgeradel bildete geschlossene Heiratskreise[3] Er verlor seine herausgehobene Stellung durch die Reformen in den Rheinbundstaaten, in Preußen und später auch in den anderen deutschen Staaten durch den staatsbürgerlichen Gleichheitsbegriff und die allmähliche Durchsetzung der Einwohnergemeinden.

Der Bürgeradel ist abzugrenzen gegenüber dem Stadtadel (vgl. z. B. Nürnberger Patriziat), der frühzeitig seine Ebenbürtigkeit und Zugehörigkeit zum Adel geltend gemacht hat. Bürgeradel ist demgegenüber ein Begriff für die seit dem 17. Jahrhundert sich bildende bürgerliche Oberschicht. Ebenso ist der Bürgeradel abzugrenzen gegenüber dem „Geldadel“, wie jene Bürgerschicht genannt wird, welche die in vielen Monarchien indirekt käuflichen einfachen Adelstitel erworben hat. [4]

Ein Beispiel für den Bürgeradel waren die Hanseaten[5] Erbgesessene Bürgerschaft, bürgerliche Kollegien und Selbstergänzungsrecht des Senats bildeten in Hamburg die Grundlagen für „den grundsätzlich oligarischen Charakter der Hamburger Verfassung ..., die Verfassungsordnung daher als eine aristokratische und nicht als eine demokratische interpretiert“ wurde, einer der Gründe, warum Hamburg „als Stadtrepublik 1815 Mitglied eines Bundes souveräner Fürsten hatte werden können.“ [6] Gleichzeitig war kaum etwas unhanseatischer als die Annahme von Adelsprädikaten, schon die Bezeichnung als „Bürgeradel“ entspricht nicht hanseatischem Selbstverständnis (vgl. Hanseatische Adelige). Das in den ältesten Bürgerrepubliken Hamburg, Bremen und Lübeck gewachsene Hanseatentum war im Kern eigenständig bürgerlich und keine schlichte Feudalisierung des Bürgertums im Sinne einer Anpassung an den Adel. Die Distanz zum Adel war so ausgeprägt, dass Bremen unter den namhaften Handelsstädten diejenige war mit der geringsten Quote von Heiraten zwischen Großbürgern und Adeligen. Besonders ausgeprägt war die den Bürgeradel prägende Familientradition in Hamburg und in Lübeck. Sie ersetzte die fehlenden Feudalstrukturen und war ein Fundament des städtischen Gemeinwohls. Die Ehrfurcht vor dem Aufstieg der eigenen Familie dominierte das häusliche und städtische Leben der „oberen Zehntausend“, [7] oft nicht ohne, wie Ida Boy-Ed es beschrieb, „die spezifische Hanseatenkrankheit: den Patrizierwahnsinn, in welchem jede Familie sich einbildet, aristokratischer als alle anderen zu sein.“ [8]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Vgl. für Köln: Eduard Duller, Karl Hagen, Deutsche Geschichte von den ältesten Zeiten bis zum 19. Jahrhundert, 1862, S. 76
  2. Lutz Hagestedt, Ähnlichkeit und Differenz: Aspekte der Realitätskonzeption in Ludwig Tiecks späten Romanen und Novellen, 1997, S. 93
  3. Hildegard von Marchthaler, Die Bedeutung des Hamburger Geschlechterbuches für Hamburgs Bevölkerungskunde und Geschichte, Hamburgisches Geschlechterbuch Band 9 = Deutsches Geschlechterbuch Band 127, S. XXII
  4. Chong One Rhie, Die Entstehung der zweiten Gesellschaft: Die Nobilitierungspolitik in Habsburgermonarchie im 19. Jahrhundert, besonders an Juden in Österreich, Textversion-online
  5. John F. Jungclaussen, Risse in weissen Fassaden – Der Verfall des Hanseatischen Bürgeradels, München 2006, ISBN 978-3-88680-822-9
  6. Peter Borowsky, Vertritt die „Bürgerschaft“ die Bürgerschaft? Verfassungs-, Bürger- und Wahlrecht in Hamburg von 1814 bis 1914, in: Schlaglichter historischer Forschung. Studien zur deutschen Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert, Hamburg o. J., S. 93)
  7. Matthias Wegner: Hanseaten, Berlin 1999, S. 96 und 111
  8. Ida Boy-Ed, Ein königlicher Kaufmann, Stuttgart und Berlin 1922, S. 29, Textversion auf Commons: Image:Boy-Ed Ein königlicher Kaufmann.djvu

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