- Angereicherte Backus-Naur-Form
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Die angereicherte Backus-Naur-Form (ABNF, engl. augmented BNF) ist eine Variante der Backus-Naur-Form-Metasprache zur Beschreibung von Syntax-Notationen. Sie wurde ursprünglich als RFC-2234 zur eindeutigen Spezifikation von RFC-Internet-Standards der IETF entwickelt und eignet sich zur syntaktischen Festlegung von technischen Sprachen und Protokollen.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Während der Entstehung der RFC-Standards entstand die Notwendigkeit, die benötigten Syntaxbeschreibungen durch eine standardisierte BNF-Variante darzustellen. Der RFC-Standard RFC-2234[1] vereinheitlichte die leicht abweichenden Varianten in den bisher erschienenen RFC-Standards. Neuere RFC-Standards brauchten nun keine Definition der verwendeten Metasprache mehr zu enthalten. Stattdessen reichte ein Verweis auf RFC-2234 aus.
Das Dokument enthält eine Selbstdefinition der ABNF-Syntax. Darin wird ABNF mithilfe der ABNF-Notation ausgedrückt.
Nachfolgeversionen
Später lösten die korrigierten Ausgaben RFC-4234[2] und RFC-5234[3] die erste Version ab.
Eigenschaften
Die ABNF-Notation baut auf der BNF auf, die auch hier geltenden Grundlagen der BNF können dort entnommen werden.
Die Erweiterungen zur BNF bestehen aus einer modifizierten Namensgebung von Regeln, Wiederholungen, Alternativen, Wertebereichen und einem Satz vordefinierter Basisregeln. Sie erlauben eine komfortablere und ausdrucksstärkere Formulierung der zu beschreibenden Strukturen. Der Schwerpunkt der Ausdrucksmittel ist für die Definition von Zeichenketten gedacht. Es wurden bewusst Mechanismen definiert, die eine bestimmte Kodierung voraussetzen (z.B. ASCII). Werden z.B. Zeichencodes oder Bereiche verwendet, so sind diese Definitionen abhängig von der ursprünglich zugrunde gelegten Zeichenkodierung, und müssen in der Regel für andere Zeichenkodierungen angepasst werden.
Kommentare
Ein Semikolon (;) leitet den Kommentar ein. Der Kommentartext folgt und reicht bis zum nächsten Zeilenende (Zeilenkommentar). Mehrzeilige Kommentare erfordern ein Semikolon je Zeile.
Terminalsymbole
Terminalsymbole sind die Werte, aus denen die Regeldefinitionen letztlich aufgebaut sind. Zu den Terminalsymbolen gehören:
- wörtliche Zeichenketten, wobei nicht zwischen Groß- und Kleinschreibung unterschieden wird. Sie werden in doppelte Anführungszeichen " gesetzt. Wird das Anführungszeichen in der Zeichenkette benötigt, so muss die Zeichenkette mit einem Zeichencode für das Anführungszeichen als Sequenz ausgedrückt werden. Beispiel: "PROGRAM"
- Zeichencodes in
- dezimaler Darstellung: der Präfix %d kennzeichnet das verwendete Dezimalsystem. Beispiel: %d13 für das Zeichen mit dem Codewert 13 (das ist im ASCII das Zeichen Carriage Return, kurz CR)
- sedezimaler (auch hexadezimaler) Darstellung: der Präfix %x kennzeichnet das verwendete Sedezimalsystem. Beispiel: %x0d für das Zeichen mit dem Codewert 13.
- binärer Darstellung: der Präfix %b kennzeichnet hierbei das verwendete Binärsystem. Beispiel: %b00001101 für das Zeichen mit dem Codewert 13.
- Sequenzen (oder Ketten) von Zeichencodes: Sequenzen bestehen aus einem Zeichencode und beliebig vielen Anhängen für Folgezeichen bestehend jeweils aus Punkt . und einer Zahl ohne %-Präfix. Sie stellen die einzige Möglichkeit dar, Zeichenketten mit festgelegter Groß-und Kleinschreibung anzugeben. Beispiel: %d13.10 für die Zeichenfolge Wagenrücklauf (engl. CR) und Zeilenvorschub (engl. LF) im ASCII.
Namensregeln
Namen für Definitionen dürfen die Zeichen A–Z, a–z, 0–9 und das Minuszeichen - enthalten, wobei das erste Zeichen ein Buchstabe sein muss. Im Vergleich zur BNF sind keine spitzen Klammern < > um Namen notwendig; sie sind jedoch aus Kompatibilitätsgründen möglich. Die Definition einer Regel beginnt mit dem Namen und einem Gleichzeichen =. Sie wird solange fortgesetzt, bis keine Folgezeile mehr mit erweiterter Einrückung angetroffen wird. Eine Ausnahme betrifft die inkrementelle Alternative (siehe unten). Sie erweitert eine schon vorhandene Definition.
Regel1 = Regelbestandteil1 Regelbestandteil2 Regelbestandteil3 Regel2 = ...
Bereiche
Bereiche stellen eine Menge von Zeichen dar, deren Codewerte in dem angegebenen Bereich liegen. Sie sind eine spezielle Form von Alternativen. Der Bereich wird durch die Codewerte an den Grenzen des Bereichs gebildet. Beide Werte sind mit einem Minuszeichen - verbunden, der Präfix für das verwendete Zahlensystem ist nur bei der ersten Zahl angegeben. Zum Beispiel wird hiermit der Bereich der sedezimalen Zeichenkodes 0x30 bis 0x39 (oder dezimal 48 bis 57) festgelegt. Dies entspricht im gebräuchlichen Zeichenkode ASCII den Ziffern '0', '1', usw. bis '9':
Ziffer = %x30−39
entspricht der Alternative
Ziffer = "0" / "1" / "2" / "3" / "4" / "5" /"6" / "7" / "8" / "9"
Wiederholungen
Angaben zu Wiederholungen werden vor den Ausdruck gesetzt und können ein Minimum und/oder ein Maximum der Vorkommen enthalten. Die explizite Form ist <Minimum>*<Maximum>, wobei ein fehlendes Minimum als 0 (nicht vorhanden) und ein fehlendes Maximum als Unendlich (unbegrenztes Vorkommen) genommen wird. Eine exakte Anzahl von n Wiederholungen wird durch die einzelne Zahl n ausgedrückt.
beliebighäufig = *meinWert genau-dreimal = 3allergutenDinge mindestens-zweimal = 2*abzweidabei hoechstens-drei = *3Versuchefrei ein-bis-zwei = 1*2Vornamen
Gruppen
Gruppen dienen der eindeutigen Vorrangdefinition bei zusammengesetzten Ausdrücken und werden durch runde Klammern ( und ) gebildet.
Ausdruck1 = (To be) / (not to be) Ausdruck2 = To (be / not) to be
Das erste Beispiel bildet die Alternativen „To be“ und „not to be“.
Im zweiten Beispiel wird eine Sequenz gebildet aus „To“, dann entweder „be“ oder „not“, und dann „to be“.
Sequenzen
Bei Sequenzen werden alle aufgereihten Ausdrücke genau so erwartet wie angegeben. Sequenzen werden einfach durch Aneinanderreihung von Ausdrücken (getrennt mit Leerraum) gebildet.
Sequenz = Eins nach dem Anderen
Optionale Sequenzen
Optionale Sequenzen können einmal vorhanden sein, müssen es aber nicht. Sie werden durch eckige Klammern [ und ] gebildet. Die folgenden Idiome sind gleichwertig:
- [optionalerAusdruck]
- *1optionalerAusdruck
- 0*1optionalerAusdruck
Alternativen
Bei Alternativen kann nur genau eine der aufgeführten Varianten vorhanden sein. Alternativen werden mit Solidus bzw. Schrägstrich / getrennt aufgelistet.
Auswahl = Sein / Nichtsein
Inkrementelle Alternativen
Vorhandene Definitionen können inkrementell mit Alternativen erweitert werden. Damit sind dezentrale Definitionen möglich, was allerdings zu Lasten der Übersichtlichkeit gehen kann, falls die Bestandteile einer Definition weit von einander entfernt stehen. Der Name der Regel muss mit =/ wiederholt werden.
Status = Ja ... Status =/ Nein ... Status =/ WeissNicht
entspricht
Status = Ja / Nein / WeissNicht
Vorrangfestlegung
Bei zusammengesetzten Ausdrücken gilt die folgende Bearbeitungsreihenfolge:
- Namen, Zeichenketten, Terminale
- Kommentare
- Bereiche
- Wiederholungen
- Gruppen und optionale Sequenzen
- Sequenzen
- Alternativen
Der RFC-Standard empfiehlt das Setzen von Gruppen zur eindeutigen Vorrangfestlegung bei gemischten Ausdrücken mit Sequenzen und Alternativen.
Vordefinierte Regeln
Häufig gebrauchte Definitionen werden als core rules schon vordefiniert. Sie umfassen allgemeine Klassen wie Ziffern, Buchstaben und Leerräume.
vordefinierte Regeln in ABNF[4] Regel = Definition Kommentar POSIX Zeichenklasse in der C-locale ALPHA = %x41-5A / %x61-7A ; Groß- und Kleinbuchstaben A-Z bzw. a-z in ASCII [:alpha:] BIT = "0" / "1" ; Die Werte eines Bits CHAR = %x01-7F ; jedes 7-bit US-ASCII Zeichen, bis auf das NUL-Zeichen CR = %x0D ; Wagenrücklauf (engl. carriage return) CRLF = CR LF ; Internet standard für Zeilenumbruch CTL = %x00-1F / %x7F ; Kontrollzeichen [:cntrl:] DIGIT = %x30-39 ; Die Ziffern des Dezimalsystems 0-9 [:digit:] DQUOTE = %x22 ; " (Anführungszeichen, engl. Double Quote) HEXDIG = DIGIT / "A" / "B" / "C" / "D" / "E" / "F" ; Die Ziffern des Sedezimalsystems [:xdigit:] HTAB = %x09 ; Horizontaler Tabulator LF = %x0A ; Zeilenvorschub (engl. linefeed) LWSP = *(WSP / CRLF WSP) ; linearer Leerraum (nach Zeilenenden) OCTET = %x00-FF ; 8-bit-Daten SP = %x20 ; Leerzeichen (engl. space) VCHAR = %x21-7E ; sicht- und druckbare Zeichen [:graph:] WSP = SP / HTAB ; Leerraum (engl. white space) Vergleich mit der EBNF
Zur Orientierung sind hier die Unterschiede zwischen ABNF und EBNF[5] tabellarisch aufgeführt.
Eigenschaftenvergleich In ABNF vorhanden In EBNF vorhanden In EBNF verwendete Zeichen Bereiche -- -- Zeichencodes -- -- inkrementelle Alternativen -- -- Wiederholungen mit Minimum und Maximum -- -- Zeilenkommentar Blockkommentar (* … *) -- Alternatives „Anführungszeichen“ ' -- Ausnahmen (engl. exceptions) - -- Optionale Wiederholung { … } -- Explizites Terminatorzeichen ; -- Spezielle Sequenz ? … ? Beide Notationen erlauben den gleichen Umfang an Syntaxdefinitionen.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Crocker, D., Overell, P.: Augmented BNF for Syntax Specifications: ABNF. RFC-2234 (überholt). S. 1 - 14, abgerufen am 25. August 2011 (englisch).
- ↑ Crocker, D., Overell, P.: Augmented BNF for Syntax Specifications: ABNF. RFC-4234 (überholt). S. 1 - 16, abgerufen am 25. August 2011 (englisch).
- ↑ Crocker, D., Overell, P.: Augmented BNF for Syntax Specifications: ABNF. RFC-5234. S. 1 - 16, abgerufen am 25. August 2011 (englisch).
- ↑ Crocker, D., Overell, P.: Augmented BNF for Syntax Specifications: ABNF. RFC-5234. S. 13 - 14, abgerufen am 25. August 2011 (englisch).
- ↑ ISO Komitee: ISO/IEC 14977 : 1996(E). ISO Standard zu EBNF (1st Edition). Abgerufen am 25. August 2011 (englisch).
Weblinks
ABNF-Tools des IETF: Parsergeneratoren und Validation (englisch)
Kategorien:- Theorie formaler Sprachen
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