Amtsgericht Weißenfels

Amtsgericht Weißenfels
Gerichtsgebäude

Das Amtsgericht Weißenfels ist ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland. Es gehört zum Bezirk des Landgerichts Halle und des Oberlandesgerichts Naumburg und ist eines von drei Amtsgerichten im Burgenlandkreis. Gerichtsbezirk ist das Gebiet des ehemaligen Landkreises Weißenfels.

Sitz des Gerichts ist Weißenfels.

Das in der Friedrichsstraße/Am Kloster gelegene Grundstück des Amtsgerichts ist bebaut mit dem parallel zur Friedrichsstraße hin ausgerichteten Hauptgebäude sowie dem dahinter liegenden Gefängnis nebst Wärterhaus, das über die Straße Am Kloster zu erreichen ist. Zuvor befand sich das Amtsgericht im so genannten „Geleitshaus“ in der Großen Burgstraße 22.

Inhaltsverzeichnis

Das Gericht

Bevor der Neubau in der Friedrichsstraße errichtet wurde, befand sich das „Königliche Amtsgericht“ in der Großen Burgstraße 22, dem Geleitshaus, welches entsprechend seiner Nutzung auch als Amtshaus bezeichnet wurde. Im Jahre 1815 ging das Amtshaus aus dem Eigentum des Königreiches Sachsen an den Preußischen Staat über. Der Preußische Justizfiskus nutzte es zur Unterbringung des Stadt- und Landgerichtes und später der Kreisgerichtskommission. Das Gebäude bestand aus zwei Teilen, dem Haupthaus, direkt an der Großen Burgstraße und einem 1878/79 errichteten Anbau, oberhalb des Haupthauses.

Die Grundstückssuche

Die Auswahl des Grundstückes für den Neubau eines Gerichtsgebäudes und eines Gefängnisses lag in den Händen des Geheimen Justizrates Fritzsch, der die Angelegenheit im Preußischen Justizministerium bearbeitete. Für den Gerichtsneubau waren drei Grundstücke im Gespräch. Nach langen Verhandlungen mit der Stadt Weißenfels entschied man sich schließlich für das so genannte Seminargrundstück, auf dem dann das Gerichtsgebäude errichtet wurde. Bereits zur damaligen Zeit spielten Kostengründe eine herausragende Rolle.

Der Bau

Besondere Probleme traten bereits mit der Gründung des Fundamentes zutage. Untersuchungen hatten ergeben, dass der Baugrund erst in einer Tiefe von 5 bis 10 Metern aus tragfähigen Materialien wie Sand und Fels bestand und somit die nötige Festigkeit hatte. Aus diesem Grund entschied sich die Bauleitung nach einer gründlichen Prüfung mehrerer Varianten, die Fundamente auf 5 bis 10 Meter langen Eisenbetonpfählen zu errichten. Für das Gerichtsgebäude wurden 215 Pfähle und für das Gefängnis wurden 116 Pfähle vor Ort hergestellt und in den Boden gerammt. Dies geschah trotz Frostes innerhalb von nur 11 Wochen. Die Bauzeit betrug (nach der Gründung) von der Errichtung der Keller bis zur vollständigen Fertigstellung und Einrichtung somit nur 17 Monate. Das Gefängnis wurde am 24. September 1912 fertiggestellt und das Gerichtsgebäude mit einer Feier am 11. Dezember 1912 eingeweiht. Damit wurde die geplante Bauzeit erheblich unterboten. Planmäßig sollten die Arbeiten bis 1. April 1913 andauern. Die Baukosten betrugen 456.000 Mark (geplant: 401.000 Mark), wovon allein 59.000 Mark (geplant: 26.500 Mark) auf die Gründung beider Gebäude fielen.

Die Architektur

Die Gebäude wurden so angeordnet, dass eine Erweiterung durch spätere Anbauten problemlos möglich war und noch heute möglich ist. Das Gerichtsgebäude, gestaltet in Anlehnung an ein Corps de Logis, ist im barockisierenden Jugendstil gehalten. Es wurde eine für die damalige Zeit schlichte, einfache und zweckmäßige Bauweise gewählt.

Eine Ausnahme davon bilden das Eingangsportal, das Haupttreppenhaus und der Schöffensaal, die betont repräsentativ gestaltet wurden. Die Fassade weist über dem Hauptportal zwei Figuren auf, die die Justitia (Gerechtigkeit) mit Schwert und Waage sowie die Veritas (Wahrheit) mit einem Spiegel darstellen. Die zentrale Inschriftenkartusche unterhalb des geschweiften Giebels ist mit der Eule als Symbol der Weisheit bekrönt.

Das mittlere Fenster des darüber liegenden Schöffensaals hat eine auf Konsolen ruhende Fensteröffnung, die eine Kartusche mit Adler und Krone einfasst. Das mittlere Fenster oberhalb des Schöffensaals trägt als Schlussstein ein Medusenhaupt. Auf gleicher Höhe wird der Gebäudevorsprung des Hauptportals von zwei mit Köpfen versehenen Kartuschen begrenzt. Sie enthalten links eine Gesetzestafel und rechts ein Liktorenbündel. Im oberen Abschluss des Hauptportals befinden sich zwei weitere Figuren, die „Kraft“ und „Gelehrtheit“ darstellen: Links ist ein muskulöser Mann dargestellt, der einem Ungeheuer den Rachen auseinander reißt und rechts eine sitzende Frau, die in einem Buch liest.

Links vom Hauptportal befindet sich ein weiterer Zugang, durch den das Publikum direkt in den Schöffensaal gelangte. Symbolisch wird das Publikum von einem zuhörenden Knaben mit dem Zeigefinger auf dem Mund über dem Eingang verkörpert. Über ihm befinden sich zwei geschwätzige Papageien, die die Verfahrensbeteiligten darstellen, während den unteren Abschluss des Schlusssteins zwei kriechende Schnecken bilden. Die Bauplastik wurde von dem Merseburger Bildhauer Paul Juckoff ausgeführt, der vor allem durch die Bronzeplastik des Schusterjungen im Weißenfelser Stadtpark und den Jugendstilbrunnen vor der Marienapotheke in der Beuditzstraße bekannt ist.

Zwischen den Fenstern des zweiten Obergeschosses im Zwischentrakt und in dessen Fortsetzung am Nordrisalit sind Reliefs mit den vier menschlichen Charakteren angebracht. Dargestellt sind der Choleriker (mit zum Schreien geöffneten Mund und sehnig geballten Fäusten), der Melancholiker (als alter Mann mit dem Raben als Symbol des Todes), der Sanguiniker (als Frohnatur mit Laute in einer Weinlaube) und der Phlegmatiker (stumpfsinnig dreinblickend, auf die Fäuste gestützt). Sie symbolisieren die Facetten der menschlichen Natur.

Im Haupttreppenhaus befinden sich sechs einfach gehaltene Bleiglasfenster, die mit einer Girlande aus Eichenblättern umrahmt sind. Lediglich das mittlere Fenster sticht mit dem Symbol der Justiz, einer Komposition aus Schwert und Waage, heraus. Ein weiteres Fenster erinnert in seiner Gestaltung an das alte Gerichtsgebäude in der Burgstraße 22. Unter der oberen Brüstung der Treppenhauspfeiler befindet sich eine weitere Figurengruppe. Sie zeigt rechts und links zwei Knaben, die eine sich in den Schwanz beißende Schlange und eine Sanduhr halten und damit Aeternitas (Ewigkeit) und Vanitas (Vergänglichkeit) symbolisieren. Sie rahmen einen zentral angebrachten Erzengel Michael und den von ihm erschlagenen Teufel in Gestalt eines Drachen ein. Zudem sind an den Bögen und Pfeilern des Treppenhauses die zwölf Tierkreiszeichen angebracht. Zusammen mit Aeternitas und Vanitas stehen sie für die Zeit in ihrem rhythmischen Ablauf.

Im Schöffensaal sind die beiden Heizungsluftverkleidungen hervorzuheben, die als katzen- oder teufelsartige Fratzen mit weit aufgerissenen, die Zähne zeigenden Mäulern gestaltet sind. Diese Ehrfurcht heischenden Fratzen symbolisieren vermutlich so etwas wie der Hölle Rachen und gemahnen alle im Gerichtsverfahren Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen auszusagen beziehungsweise zu urteilen.

Architekt/Baumeister

Die Nutzung

Grundsätzlich wurde das Gerichtsgebäude immer als Amtsgericht genutzt. Zeitweilig kamen folgende weitere Nutzer hinzu: Staatsanwaltschaft des Kreises Weißenfels (1952–1991) Staatliches Notariat Weißenfels (1952–1990) Rat des Kreises Weißenfels, Referat Jugendhilfe (1955–1990) Im Zuge der Auflösung kleinerer Gerichte kamen die Amtsgerichte aus Lützen und Hohenmölsen (einschließlich Teuchern) hinzu.

Das Gefängnis

Bereits bei der ersten Planung und der Auswahl des Grundstückes wurde immer davon ausgegangen, dass neben dem Gerichtsgebäude auch ein Gefängnis entstehen sollte. Architektonisch bildet es eine Einheit mit dem Hauptgebäude. Besonders gelungen ist der Mansardenbereich. Das viergeschossige Gebäude hat nur eine Breite von 7,20 Meter.

Seit seiner Fertigstellung am 24. September 1912 bis zum Jahr 1968 wurde das Gebäude als Gefängnis genutzt. Danach befanden sich Lagerräume und eine Sauna der Polizei in dem Gebäude. Auf den Höfen wurden Garagen für Polizeifahrzeuge errichtet. Seit 1994 erfolgt die Nutzung wieder durch die Justiz. Ein Teil des Gebäudes wurde zu Büroräumen, die für die Unterbringung des Grundbuchamtes für den Bereich Hohenmölsen benötigt wurden, umgebaut.

Persönlichkeiten

Hans Bogislav Graf von Schwerin, (* 12. Juli 1883 in Hannover; † 27. August 1967 in Bad Wörishofen), war im Jahre 1908 als königlich preußischer Regierungsreferendar beim Amtsgericht Weißenfels tätig.

Siehe auch

Literatur

  • Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt II, Regierungsbezirke Dessau und Halle, Deutscher Kunstverlag München Berlin 1999, ISBN 3-422-03065-4, S. 463 f.
  • 20 Jahre Gerichtsgebäude in Sachsen-Anhalt, Univ.-Prof. Dr. iur. Heiner Lück, Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Martin-Luther-Universität-Halle Wittenberg, zu beziehen über Ministerium der Justiz Sachsen-Anhalt

Weblinks


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