Abraham-Gleichung

Abraham-Gleichung

Die Abraham-Gleichung ist eine Spezialform der Linearen Solvatations-Energie-Beziehungen (LSER). In diesen wurden ursprünglich solvatochromatische Parameter angewandt, um die Abhängigkeit der UV/Vis-Absorptionsbanden einer Substanz von der Polarität des Lösungsmittels zu beschreiben. Ein weiteres Beispiel von LSERs ist die Hammet-Relation, die den quantitativen Zusammenhang zwischen Struktur chemischer Reaktanden und deren Reaktivität charakterisiert.

Michael Abraham entwickelte eine Form der LSER, die Lösungseigenschaften P von Substanzen, wie Wasserlöslichkeit und Verteilungen zwischen zwei Phasen (z. B. Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizient), mit systemspezifischen Parametern (auch Phasenparameter, bezeichnet als e, s, a, b, v und Regressionskonstante c) und Moleküleigenschaften (Deskriptoren; E, S, A, B, V) verknüpft.[1] Die Moleküleigenschaften beschreiben intermolekulare Wechselwirkungen neutraler Moleküle wie Van-der-Waals-Wechselwirkungen und Wasserstoffbrückenbindungen. Die elektrostatischen Wechselwirkungen werden nicht berücksichtigt.

Mittels multilinearer Regressionen können aus einem ausreichend großem Trainingsatz von experimentell bestimmten Lösungseigenschaften die Systemparameter für eine Abraham-Gleichung berechnet werden. So wird eine Vorhersagegleichung gewonnen, mit der für Chemikalien mit bekannten Moleküldeskriptoren die Lösungsparameter theoretisch abgeschätzt werden können.

Die Gleichung

Zur Gewinnung einer Abraham-Gleichung ist ein Satz von Chemikalien notwendig, deren Lösungseigenschaft (z. B. der Octanol/Wasser-Verteilungskoeffizient log Kow) und Moleküldeskriptoren bekannt sind. Die Moleküldeskriptoren können aus entsprechenden Datenbanken gewonnen werden, quantenchemisch berechnet oder teilweise experimentell bestimmt werden.[2] Aus dem sogenannten Trainingssatz werden mit multilinearer Regression die Systemparameter bestimmt und es ergibt sich die Abraham-Gleichung in der allgemeinen Form:

logP = eE + sS + aA + bB + vV + c

Die Systemparameter sind völlig unabhängig von den betrachteten Chemikalien und beschreiben das System. Die Moleküldeskriptoren sind wie folgt definiert:[2][3]

E = Exzess-Molrefraktion (engl. excess molar refraction). Sie ist der gegenüber einem hypothetischen reinen Alkan gleicher Größe zusätzliche molare Brechungsindex bei 20 °C. E ist demnach für Alkane sowie für verzweigte aliphatische Alkane und Edelgase gleich Null. Die zugehörige Substrat-Lösungsmittel-Wechselwirkung ist durch n- und Pi-Elektronen vermittelt. E beruht auf der Stärke induzierter Dipole und entspricht damit der Dispersionswechselwirkung (London-Wechselwirkung) als einem Teil der Van-der-Waals-Wechselwirkung.
S = effektive (Di-)Polarität und Polarisierbarkeit. Sie wurde ursprünglich von Kamlet (1977) eingeführt als kombinierter Deskriptor, der die durch ein Lösungsmittel induzierte Frequenzverschiebung charakterisiert.[4] S beruht auf Substrat-Lösungsmittel-Dipol-Dipol- oder Dipol-induzierter Dipol-Wechselwirkungen und entspricht damit den Debye- und Keesom-Beiträge zur Van-der-Waals-Wechselwirkung. Die Bestimmung erfolgt aus quantenchemischen Berechnungen, wie von Arey 2005[2] beschrieben oder experimentell durch Gas-Flüssig-Chromatographie an polaren stationären Phasen.
A = Acidität, effektive Gesamtstärke aller Wasserstoffbrücken (H)-Donoren im Molekül. Die Acidität A nimmt den Wert Null an bei Stoffen, denen jegliche H-Donorkapazität fehlt (z. B. Alkane). Monofunktionellen Stoffen mit sehr hoher H-Donorstärke wird der Wert A = 1 zugeordnet (z. B. Pentachlorphenol).
B = Basizität, effektive Gesamtstärke aller Wasserstoffbrücken (H)-Akzeptoren im Molekül. Die Basizität B nimmt den Wert Null an bei Stoffen, denen jegliche H-Donorkapazität fehlt (z. B. Alkane).
Sowohl A als auch B können experimentell via HPLC bestimmt werden oder durch theoretische Verfahren (z. B. 3D-Supermolekülansatz)
V = Charakteristisches McGowan-Volumen (Einheit: m³/100mol).[5] Dieses wird bestimmt aus einem einfachen Fragment-Modell oder aus gruppenadditiven Methoden. Ursprünglich wurde V für Flüssig-Flüssig-Systeme eingeführt und für Gas-Flüssig-Systeme durch den logarithmischen Hexadecan-Luft-Verteilungskoeffizienten bei 20 °C L (Einheit m³/m³) ersetzt.

Einzelnachweise

  1. Abraham MH, Whiting GS, Doherty RM, Shuely WJ 1990. Hydrogen-Bonding .13. A New Method for the Characterization of GLC Stationary Phases - the Laffort Data Set. J. Chem. Soc. Perkin Trans. 2: 8, 1451-1460.
  2. a b c J.S. Arey, W.H. Green, P.M. Gschwend: The electrostatic origin of Abraham's solute polarity parameter in J. Phys. Chem. B 109 (2005) 7564-7573.
  3. Gunatilleka, AD, Poole, CF, 1999. Models for estimating the non-specific aquatic toxicity of organic compounds. Anal. Commun. 36: 235-242.
  4. Kamlet, M. J.; Abboud, J. L.; Taft, R. W., The solvatochromic comparison method. 6. The π* scale of solvent polarities. J. Am. Chem. Soc. 1977, 99, 6027-6038.
  5. Abraham MH, McGowan JC 1987. The Use of Characteristic Volumes to Measure Cavity Terms in Reversed Phase Liquid-Chromatography. Chromatographia 23: 4, 243-246.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Abraham Heschel — Abraham Joshua Heschel (* 11. Januar 1907 in Warschau, Polen; † 23. Dezember 1972 in New York City) war ein jüdischer Theologe und Philosoph polnischer Herkunft. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1.1 Elternhaus und Bildung 1.2 Studium in Berlin …   Deutsch Wikipedia

  • Abraham Joshua Heschel — (* 11. Januar 1907 in Warschau, Russisches Kaiserreich; † 23. Dezember 1972 in New York City) war ein Rabbiner, jüdischer Schriftgelehrter und Religionsphilosoph polnischer Herkunft. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1.1 Elternhaus und Bildung …   Deutsch Wikipedia

  • Abraham-Lorentz-Gleichung — Die Abraham Lorentz Gleichung ist ein Ergebnis der klassischen Elektrodynamik. Sie stellt eine Bewegungsgleichung für Punktladungen unter Berücksichtigung der Rückwirkung des Teilchens auf sich selbst dar, führt bei ihrer Lösung jedoch zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Max Abraham — (um 1905) Max Abraham (* 26. März 1875 in Danzig; † 16. November 1922 in München) war ein deutscher theoretischer Physiker. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Liste von Physikern — Die Liste von Physikern ist alphabetisch sortiert und enthält nur Forscher, die wesentliche Beiträge zum Fachgebiet geleistet haben. Die Liste soll neben den Lebensdaten das Fachgebiet des Forschers nennen und wenige Stichworte zu den Aspekten… …   Deutsch Wikipedia

  • Relativistische Quantenfeldtheorie — Eine Quantenfeldtheorie (QFT) kombiniert Prinzipien klassischer Feldtheorien (zum Beispiel der Elektrodynamik) und der Quantenmechanik zur Bildung einer erweiterten Theorie. Quantenfeldtheorien gehen über die Quantenmechanik hinaus, indem sie… …   Deutsch Wikipedia

  • Kettenbruch — In der Mathematik und insbesondere der Zahlentheorie ist ein Kettenbruch (fortgesetzter Bruch) ein Ausdruck der Form Ein Kettenbruch ist also ein gemischter Bruch der Form , bei dem der Nenner x wieder die Form eines gemischten Bruchs besitzt,… …   Deutsch Wikipedia

  • Celeritas — Die Geschwindigkeit von Licht im Vakuum, die Vakuum Lichtgeschwindigkeit c (von lat. celeritas: „Schnelligkeit“), ist in der Relativitätstheorie die höchste Geschwindigkeit, mit der sich eine Ursache auswirken kann. Dies stimmt mit allen… …   Deutsch Wikipedia

  • Langsames Licht — Die Geschwindigkeit von Licht im Vakuum, die Vakuum Lichtgeschwindigkeit c (von lat. celeritas: „Schnelligkeit“), ist in der Relativitätstheorie die höchste Geschwindigkeit, mit der sich eine Ursache auswirken kann. Dies stimmt mit allen… …   Deutsch Wikipedia

  • Lichtbremsung — Die Geschwindigkeit von Licht im Vakuum, die Vakuum Lichtgeschwindigkeit c (von lat. celeritas: „Schnelligkeit“), ist in der Relativitätstheorie die höchste Geschwindigkeit, mit der sich eine Ursache auswirken kann. Dies stimmt mit allen… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”