Abreiten

Abreiten

Abreiten bedeutet im Pferdesport das Reiten, das die eigentliche Arbeitsphase oder Turnierprüfung vorbereitet. Man spricht auch von „Lösungsphase“[1], weil hierdurch Spannungen und Steifigkeiten gelöst werden sollen, indem der Muskel- und Bandapparat vermehrt durchblutet und dadurch gelockert wird. Auch die zweite Lösungsphase nach der Arbeitsphase (sogenanntes Trockenreiten oder Erholungsphase), bei der etwaige Verspannungen infolge besonders versammelter Übungen wieder abgebaut werden, kann man Abreiten nennen.

Inhaltsverzeichnis

Zielsetzung

Oberstes Ziel des Abreitens ist die Gesunderhaltung des Pferdes; konkret soll es zur physischen und psychischen Entspannung von Pferd und Reiter führen, das heißt zur Losgelassenheit. Dabei ist von Anfang an auf taktmäßiges Reiten und fleißiges Vorwärts zu achten, also Schwung in Trab und Galopp. Der Rücken des Pferdes wird zum Schwingen gebracht und das Pferd ist bereit sich vorwärts abwärts zu dehnen, 'den Rücken herzugeben'. Häufiges Abschnauben ist für Seunig die „Katharsis in der Reitkunst“ und signalisiert die Losgelassenheit des Pferdes, das ist die „Lösung von in geringerem oder stärkerem Grade bisher noch bestandenen körperlichen oder seelischen Spannungen“[2] und wird durch Loben belohnt. Im Laufe der Lösungsphase solle auch die Anlehnung erreicht werden, und je nach Ausbildungsstand des Pferdes ist es am Ende der Lösungsphase versammlungsbereit. Sämtliche Teilschritte der Ausbildungsskala werden somit tangiert.

Insgesamt führt das Abreiten zu einer Erhöhung von „Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit“ und „innerer Zufriedenheit des Pferdes“; dabei werden „nervöse Pferde ruhiger und triebige Pferde fleißiger“[3]. Beim Abreiten vor Dressurprüfungen wird das Pferd an „die einzelnen Lektionen“ der Prüfungsaufgabe erinnert.[4]

Das Abreiten nach der Arbeitsphase, die Erholungsphase, dient dem Verschnaufen des Pferdes, Herz- und Atemfrequenz sollen sich wieder normalisieren, Entspannung und Zufriedenheit wieder hergestellt werden. Man spricht auch von „Trockenreiten“, weil dabei der Schweiß verdunstet, damit das Pferd sich nicht erkältet. Auch um Gesundheitsschäden vorzubeugen, geht kein Pferd ohne abgeritten zu sein in die Box, auf den Transporter oder auf die Weide.

Durchführung

Die Dauer und der Aufbau der Lösungsphase hängen von individuellen Gegebenheiten ab. Sie beginnt mit einer mindestens 10-minütigen Schrittphase am langen oder hingegebenen Zügel und dauert insgesamt etwa 30 Minuten. Spätestens dann sollte die Losgelassenheit erreicht sein. Vor Dressurprüfungen empfehlen die Richtlinien eine Stunde für das Abreiten anzusetzen: „Nach aller Erfahrung ist das Abreiten vor einer Prüfung selten zu lang, häufig aber zu kurz gewesen.“[4] Auch vor Springprüfungen ist auf eine „genügend lange Schrittphase“ zu achten.[5] Unterschiede ergeben sich aus Besonderheiten der Pferde und Erfahrungswerten des Reiters: „Faule, träge Pferde brauchen ein kürzeres, aber intensiveres Arbeitspensum. Der Reiter sollte vermehrt vorwärts reiten und das Pferd dadurch 'aufwecken'. Heftige, sich leicht erregende Pferde brauchen eine zeitlich längere Abreitephase.“[6] Nach Erreichen der Losgelassenheit und Durchlässigkeit kommen dann „einige Probesprünge“ hinzu.[5]

Lektionen der Lösungsphase[7]

bei fortgeschrittenerem Ausbildungsstand zusätzlich[3]:

  • Viereck verkleinern und vergrößern
  • Übertretenlassen auf der offenen Zirkelseite
  • durch den Zirkel wechseln
  • Reiten einer Acht
  • Zirkel verkleinern und vergrößern

Lektionen der Lösungsphase vor Springprüfungen[5]

nach Erreichen der Losgelassenheit:

Wenig effektiv ist das Abreiten, wenn das Pferd „abstumpfend oder ermüdend exerziert“[5] wird. Darum ist in jedem Fall beim Abreiten – ob im Training oder vor Prüfungen – auf Abwechslung und auf angemessene Ruhepausen (Schrittpausen) zu achten. Zur Erholung und Belohnung nach der Arbeit ist das Ausreiten am langen Zügel hervorragend geeignet.

Literatur

  • Richtlinien für Reiten und Fahren. Bd. 1: Grundausbildung für Reiter und Pferd. Hg.v.d. Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FNverlag), 26. Aufl., Warendorf 1994, ISBN 3-88542-262-x
  • Richtlinien für Reiten und Fahren. Bd. 2: Ausbildung für Fortgeschrittene. Hg.v.d. Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FNverlag), 12. Aufl., Warendorf 1997, ISBN 3-88542-283-2
  • Waldemar Seunig: Von der Koppel bis zur Kapriole. Die Ausbildung des Reitpferdes. Mit einem Nachwort von Bertold Schirg. 2. Nachdruck der Ausgabe Berlin 1943, Hildesheim usw. 2001 (Documenta Hippologica), ISBN 3-487-08348-5

Einzelnachweise

  1. Richtlinien Band 1, S. 93
  2. Seunig, S. 166
  3. a b Richtlinien Band 1, S. 95
  4. a b Richtlinien Band 2, S. 111
  5. a b c d Richtlinien Band 2, S. 193
  6. Richtlinien Band, S. 192
  7. Richtlinien Band 1, S. 94

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