Affiche rouge

Affiche rouge
L'Affiche rouge (Das Rote Plakat)

Das Affiche Rouge (Das Rote Plakat) ist ein Propaganda-Poster, das von den Vichy-Behörden und den deutschen Besatzungsbehörden im Zweiten Weltkrieg, im besetzten Frankreich im Frühling 1944, tausendfach plakatiert wurde. Es zeigt auf rotem Hintergrund einige der zuvor verhafteten und hingerichteten Résistance-Kämpfer der Gruppe Manouchian, sowie Fotos einiger Anschläge. Der Plakattext bezeichnet die Freiheitskämpfer als Kriminelle.

Inhaltsverzeichnis

Zweck des Plakats

Das Plakat stellte die Freiheitskämpfer der FTP-MOI (Francs-tireurs et partisans – main-d'œuvre immigrée), deren wichtigste Untergruppe die Gruppe Manouchian war, als Terroristen beziehungsweise Kriminelle dar und sollte französische Bürger davor abschrecken, im Widerstand tätig zu werden. Da die Mitglieder der FTP-MOI und der Gruppe Manouchian mehrheitlich Immigranten waren, sollten die Freiheitskämpfer zudem als Fremde - als „un-französisch“ - dargestellt werden, um eine Identifikation mit ihren Zielen zu erschweren.

Verbreitung

Manche Autoren sprechen von einer Verbreitung in ganz Frankreich. Philippe Ganier-Raymond schreibt 1975, "les murs de France se couvraient de quinze mille affiches"[1], Claude Lévy schreibt 1979, "[l'affiche] apparaissait sur les murs des plus petits villages de France"[2], und eine Tafel in der Manouchian-Ausstellung 2004 in Ivry behauptete, "[l'affiche fut] largement placardée sur les murs des villes et des villages français"[3]. Ein Flugblatt der Union des Juifs pour la Résistance et l'Entraide vom März 1944 spricht von "[affichage] sur les murs de toutes les villes et villages de France"[4]. Würde man diese Aussagen wörtlich nehmen, käme man auf eine deutlich höhere Auflage als 15.000.

Tatsache ist, dass das Affiche rouge in Paris[5], in Nantes[6], und in Lyon[7] gesehen wurde.

Inhalt des Plakats

Beschriftung des Plakats:

Des libérateurs?  La libération par l'armée du crime! (Befreier?  Befreiung durch die Armee des Verbrechens!)

Fotos mit den beschrifteten Portraits einiger der Gruppenmitglieder (von links nach rechts und von oben nach unten):

  • GRZYWACZ: Juif polonais, 2 attentats (Polnischer Jude, 2 Attentate)
  • ELEK: Juif hongrois, 5 déraillements (Ungarischer Jude, 5 Zug-Entgleisungen)
  • WASJBROT: Juif polonais, 1 attentat, 1 déraillement (Polnischer Jude, 1 Attentat, 1 Zug-Entgleisung)
  • WITCHITZ: Juif polonais, 15 attentats (Polnischer Jude, 15 Attentate)
  • FINGERCWAJG: Juif polonais, 3 attentats, 5 déraillements (Polnischer Jude, 3 Attentate, 5 Zug-Entgleisungen)
  • BOCZOV: Juif hongrois, chef dérailleur, 20 attentats (Ungarischer Jude, Chef der Zug-Entgleisungs-Operationen, 20 Anschläge)
  • FONTANOT: Communiste italien, 12 attentats (Italienischer Kommunist, 12 Attentate. (Sein korrekter Name war Fontano))
  • ALFONSO: Espagnol rouge, 2 attentats (Rotspanier[8], 2 Attentate)
  • RAYMAN: Juif polonais, 13 attentats (Polnischer Jude, 13 Attentate)
  • MANOUCHIAN: Arménien, chef de bande, 56 attentats, 150 morts, 600 blessés (Armenier, Anführer der Bande, 56 Attentate, 150 Tote, 600 Verwundete)

Der untere Bereich des Plakats zeigt folgende Fotos:

  • die von Kugeln durchbohrte rechte Schulter und Brust einer Leiche
  • eine auf dem Boden liegende Leiche
  • eine entgleiste Lokomotive
  • einen entgleisten Zug
  • eine auf einem Tisch angeordnete Sammlung von Handfeuerwaffen, Handgranaten, Teile von Sprengsätzen
  • einen weiteren entgleisten Zug


Die Französische Nationalbibliothek bewahrt drei Exemplare des Roten Plakats in drei verschiedenen Formaten; zwei der Formate haben die Maße 152 x 130 cm und 118 x 75 cm.[9]

Begleitendes Flugblatt

Die Plakatierung in ganz Paris war begleitet von der Verbreitung zahlreicher Flugblätter das auf der Vorderseite das verkleinerte Affiche rouge zeigte, auf der Rückseite den Schriftzug "l’Armée du crime, contre la France" ("Die Armee des Verbrechens, gegen Frankreich").[10]

Die Abmessungen des Flugblatts sind 22 x 26 cm.[11].

Kontroverse

Siehe auch: Marcel Rayman

In den 1980er Jahren behaupteten einige französische politische Gruppierungen, daß es bei der Verhaftung des Kerns der Gruppe Manouchian eine Komplizität mancher Mitglieder der Rèsistance gegeben habe. Grund seien interne politische Grabenkämpfe gewesen sein.

Ein Dokumentarfilm von Stéphane Courtois und Mosco Boucault, Des terroristes à la retraite, 1983 von Antenne 2 ausgestrahlt, enthielt Interviews überlebender FTP-MOI-Mitglieder und mit Hinterbliebenen der Affiche-rouge-Opfer. Mosco beschuldigt im Film die PCF (Parti communiste français), die Kämpfer im Machtkampf mit den Gaullisten um die Kontrolle des CNR (Conseil national de la Résistance) willentlich geopfert zu haben. Er behauptete, dies sei auch geschehen, weil die ausländische Herkunft der FTP-MOI-Mitglieder das Bild der Rèsistance als eine nativ französische, patriotische Widerstandsbewegung untergruben. Der Film wurde 2001 in einer um 12 Minuten gekürzten Fassung erneut gesendet. Die Kürzung erfolgte, um neueste Forschungsergebnisse zu berücksichtigen.[12]

Ein Dokumentarfilm von Denis Peschanski und Jorge Amat, am 15. März 2007 von France 2 ausgestrahlt, widerspricht Courtois and Boucaults Behauptungen.[13][14] Den Historiker Denis Peschaski zitierend, der auf neue Dokumente aus russischen, französischen und deutschen Archiven zugreifen konnte, behauptet der neuere Dokumentarfilm, die Zerschlagung der Gruppe Manouchian beruhe ausschließlich auf der Ermittlungsarbeit der französischen Polizei. Die seinerzeit neu gegründeten Abteilungen des Renseignements généraux (RG) Nachrichtendienstes, die Brigades spéciales n°1 und n°2 hatten einige der FTP-MOI-Aktivisten monatelang unter Beobachtung. Zum Zeitpunkt des tödlichen Anschlags auf Julius Ritter am 28. September 1943 stand der Anführer der Attentätergruppe Marcel Rayman schon seit zwei Monaten unter Beobachtung. Danach verhaftete die französische Miliz die meisten Mitglieder der Manouchian-Gruppe, wobei sie auch Information nutzten, die einige der zuerst Verhafteten unter Folter preisgegeben hatten.

Im September 2009 äußerte sich der letzte Überlebende der FTP-MOI, Arsène Tchakarian, und verneinte entschieden, dass die PCF die Manouchian-Gruppe verraten habe. Zu anderer Gelegenheit sagte er, er sei immer noch Kommunist, und wenn es stimmen würde, dass die PCF Kameraden verraten hätte, wäre er sofort aus der PCF ausgetreten. Tchakarian wandte sich auch gegen die Argumente, dass nationalistische Gründe eine Rolle gespielt haben sollen.[15]

« Nous étions des Français immigrés arméniens, juifs, espagnols, italiens, polonais, tous égaux... [...] je suis français mais je me bats contre l’injustice et ce racisme qu’on fabrique pour nous dresser les uns contre les autres! »

Arsène Tchakarian: Aucun groupe de résistants n’a fait trembler les Nazis comme nous !, leJSD.com, 6. März 2009

„Wir waren Franzosen, eingewanderte Armenier, Juden, Spanier, Italiener, Polen, alle gleich... [...] ich bin Franzose, aber ich kämpfe gegen die Ungerechtigkeit und diesen Rassismus, der fabriziert wird, um uns gegeneinander aufzubringen!“


Die PCF bestreitet die Behauptungen, sie habe die verhafteten FTP-MOI-Mitglieder verraten, ebenfalls. Arsène Tchakarian sagt in einem Interview mit L'Humanité, 35 der 40 Mitglieder der Gruppe Manouchian seien selbst Kommunisten gewesen.[16]

Filme

Fiktion
Dokumentarfilme
  • Stéphane Courtois und Mosco Boucault, Des terroristes à la retraite (1983)
  • Pascal Convert, Mont-Valérien, aux noms des fusillés
  • Denis Peschanski – Jorge Amat, La traque de l’Affiche rouge (2007)

Siehe auch

Literatur

  • Benoît Raisky: L’Affiche rouge 21 février 1944, Ils n’étaient que des enfants., Éditions du Félin, 2004 (Buchbesprechung in L'Humanité)

Einzelnachweise

  1. Philippe Ganier-Raymond, L'Affiche rouge, Fayard, 1975, Avant-Propos
  2. L'Affiche rouge, in L'Histoire n°18, September 1979
  3. (PDF) Broschüre der Manouchian-Ausstellung auf der website der Mairie von Ivry-sur-Seine.
  4. Stéphane Courtois, Denis Peschanski, Adam Rayski, Le Sang de l'étranger, Fayard, 1989, S.364
  5. Siehe beispielsweise das Affiches dans Paris occupé betitelte Foto von André Zucca (37042-6) auf archives Roger-Viollet.
  6. Paul Virilio, "J'ai vu L'Affiche rouge, placardée sur les murs de Nantes", Elle, Juli 2000
  7. Charles Tillon, Les FTP, Julliard, 1962, S.259, in Claude Lévy, L'Affiche rouge, L'Histoire Nr. 18, September 1979
  8. [http://www.mauthausen-memorial.at/db/admin/de/show_article.php?aufl=1&carticle=39&fromlist=
  9. Katalog Opale plus (abgerufen 16. Dezember 2008, nicht mehr abrufbar 11. Oktober 2010)
  10. Website der Académie de Versailles
  11. Archives Nationales, Affiches et cartes du Comité d'histoire de la deuxième guerre mondiale, 1re édition électronique, 2006, cote 72AJ/1008 (abgerufen 16. Dezember 2008)
  12. Avec ou sans guillemets, L'Humanité, 18. Februar 2004 (französisch)
  13. Denis Peschanski – Jorge Amat, La traque de l’Affiche rouge, 72 minutes, compagnie des Phares et Balises en collaboration avec la Fondation Gabriel Péri et L’Humanité, 2006. Resumè des Films (französisch)
  14. Les héros de l’Affiche rouge, L'Humanité, 13. Februar 2007 (französisch)
  15. Aucun groupe de résistants n’a fait trembler les Nazis comme nous !, leJSD.com, 6. März 2009 (abgerufen 11. Oktober 2010)
  16. L’Armée du crime: An Interview with Arsène Tchakarian. Former member of the Manouchian Group, Englische Onlineausgabe der L'Humanité, 8. Oktober 2009 (englisch, abgerufen 11. Oktober 2010)

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