Arbeitskreis Gelebte Geschichte

Arbeitskreis Gelebte Geschichte

Der Arbeitskreis Gelebte Geschichte (AGG) wurde im Oktober 1998 von Schweizer Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs als Reaktion auf die am 13. Dezember 1996 durch die schweizerische Bundesversammlung ins Leben gerufenene Unabhängige Expertenkommission Schweiz–Zweiter Weltkrieg (UEK) gegründet. Der Arbeitskreis wollte den noch lebenden Zeitzeugen ein Forum verschaffen, um mit Oral History ihren Standpunkt zur Geschichte der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs darstellen zu können.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Initiative zur Gründung des AGG wurde 1997 von Fliegeroffizieren des Aktivdienstes ergriffen, der einzigen Waffengattung der Schweizer Armee, die im Zweiten Weltkrieg den Ernstfall in Kampfeinsätzen erlebte. Der Arbeitskreis hatte rund 500 Mitglieder, darunter ehemalige Botschafter und Chefbeamte des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), ehemalige Berufsoffiziere im Generalsrang, Professoren verschiedener Fachrichtungen und Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Industrie. Im Mai 2008 betrachtete der AGG seine Mission als erfüllt und löste sich auf.

Aufgabenkreis und Veröffentlichungen

Die Hauptaufgabe sah der AGG darin, die Berichte der Unabhängigen Expertenkommission (UEK) zu analysieren und wo nötig Gegendarstellungen zu veröffentlichen. Von der Seite der AGG wurde kritisiert, dass die acht Mitglieder der UEK nur zur Hälfte aus Schweizern bestanden und dass keines ihrer Mitglieder die Kriegsjahre in der Schweiz erlebt hatte. Der Bundesrat ging auf einen Antrag der AGG nicht ein, die der UEK Zeitzeugen als Beirat zur Seite stellen wollte.

Der Arbeitskreis Gelebte Geschichte gab in den zehn Jahren seines Bestehens diverse Publikationen aus der Sicht von Zeitzeugen zu den Bergier-Berichten der UEK heraus. Neben anderen Themen betrafen die zahlreichen Stellungnahmen und Interventionen in erster Linie die Bergier-Berichte. Die wichtigsten Publikationen, die zum Teil ins Französische, Italienische und Englische übersetzt wurden, sind:

  • Erpresste Schweiz 2002; La Suisse face au chantage 2002
  • Wir ziehen Bilanz 2005; La Suisse au pilori? 2006; La Svizzera alla berlina? 2006
  • Der Vergleich - Die Politik der Schweiz zur Zeit des Zweiten Weltkriegs im internationalen Umfeld 2006; Guerre et neutralité - Les neutres face à Hitler 2008; Faces of Neutrality - A Comparative Analysis of the Neutrality of Switzerland and other Neutral Nations during WW II 2009

Das umfangreiche Archiv mit Korrespondenz und Publikationen mit schweizerischen und amerikanischen Pressestimmen wurden für historische Untersuchungen in der Bibliothek am Guisanplatz, der ehemaligen Eidgenössischen Militärbibliothek, deponiert.

Rezeption

Der Arbeitskreis Gelebte Geschichte war zweimal Gegenstand einer Anfrage im Parlament: Am 9. Oktober 1998[1] sowie am 23. Juni 2000.[2] Beide Anfragen wurden von Nationalrat Luzi Stamm (FDP, AG) eingereicht.

Am 14. Juni 2002 stellte der Arbeitskreis als Teil des offiziellen Rahmenprogramms zum Bergier-Bericht seinen Standpunkt in einem Referat im Käfigturm dar.[3] Die vom Arbeitskreis von 1998 bis 2008 herausgegebene Zeitschrift Tätigkeitsbericht des AGG wird vom Bibliotheksverband der Bundesverwaltung archiviert (Signatur: BIG MF 593/1968).[4]

Kritik

Der Historiker Georg Kreis, Mitglied in der UEK sowie Präsident der Eidg. Kommission gegen Rassismus, bezeichnete den Arbeitskreis in einem Artikel in der Jüdischen Rundschau am 13. April 2000 als ältere Herren, die ihrem Lebensabend eine gewisse Dynamik verleihen wollen.[2]

Literatur (Auswahl)

  • Arbeitskreis Gelebte Geschichte (Gemeinschaftsarbeit), Erpresste Schweiz - Zur Auseinandersetzung um die Haltung der Schweiz im zweiten Weltkrieg und um die Berichte der Bergier-Kommission, Gut Verlag, Stäfa 2002, ISBN 3-85717-176-6
  • Groupe de Travail Histoire Vécue, La Suisse face au chantage, Editions Cabédita, Yens sur Morges 2002, ISBN 2-88295-357-7
  • Arbeitskreis Gelebte Geschichte (Gemeinschaftsarbeit), Wir ziehen Bilanz - Zur Haltung der Schweiz im Zweiten Weltkrieg, Gut Verlag, Stäfa 2005, ISBN 3-85717-169-3
  • Herbert R. Reginbogin, Arbeitskreis Gelebte Geschichte (Hrsg.), Der Vergleich - Die Politik der Schweiz zur Zeit des Zweiten Weltkriegs im internationalen Umfeld. Gut Verlag, Stäfa 2006, 306 S., ISBN 3-85717-176-6
  • Groupe de Travail Histore Vécue, La Suisse au pilori? Editions Cabédita, Yens sur Morges 2006, ISBN 2-88295-471-9
  • Gruppo di Lavoro Storia Vissuta, La Svizzera alla Berlina? Pedrazzini Tipografia, Locarno 2006, ISBN 88-740-4027-X
  • Luzi Stamm, Bergier-Bericht - Politische Ideologie in den Schulstuben?, Kommentar zum Zürcher Schulbuch "Hinschauen und Nachfragen", IG-Schriftenreihe Nr. 9 - Januar 2007
  • Herbert R. Reginbogin, Guerre et neutralité, Editions Cabédita, Yens sur Morges 2008, ISBN 978-2-88295-538-8
  • Herbert R. Reginbogin, Faces of Neutrality, LIT Verlag Dr. W. Hopf Berlin 2009, ISBN 978-3-8258-1914-9
  • Stephen P. Halbrook: Schweizer Widerstand gegen Nazi-Deutschland, von Zeitzeugen erlebt und dokumentiert, eine Ergänzung zum Bergier-Bericht. Verlag Merker im Effingerhof, Lenzburg 2010, ISBN 978-3-85648-101-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Interpellation 98.3495, abgerufen am 2. Mai 2011
  2. a b Interpellation 00.3373, abgerufen am 2. Mai 2011
  3. Rahmenprogramm Bergier-Bericht auf der Webseite des Käfigturms
  4. Tätigkeitsbericht des AGG im Bibliotheksverband der Bundesverwaltung

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