Arbeitskreis Fritz Reuter

Arbeitskreis Fritz Reuter

Der Arbeitskreis Fritz Reuter im Kulturbund der DDR war eine regionale Interessengemeinschaft im Bereich der drei Nordbezirke Rostock, Schwerin und Neubrandenburg zur Pflege des Erbes des niederdeutschen Schriftstellers Fritz Reuter. Er bestand nur sehr kurze Zeit. Der Arbeitskreis, der seinen Sitz beim Bezirkssekretariat des Kulturbundes in Neubrandenburg hatte, wurde am 28. Mai 1989 in Güstrow gegründet und hat sich nach dem Ende der DDR alsbald aufgelöst. Die zuletzt 44 Arbeitskreismitglieder traten im September 1990 einzeln der 1960 in Lübeck gegründeten Fritz Reuter Gesellschaft e.V. bei. Diese hat seit 1991 ihren Sitz in Neubrandenburg. Die Mitglieder waren Wissenschaftler, Künstler, Kulturschaffende, Literaturpropagandisten und einige „andere Reuter-Freunde“. Unausgesprochen stand hinter der Gründung die Absicht, ein DDR-Pendant zu der Literaturgesellschaft im Westen zu etablieren.

Inhaltsverzeichnis

Gründung

Der Gründung des Arbeitskreises gingen mehrere Jahre der Vorbereitung voraus. Erste Überlegungen resultierten aus dem am 6. Mai 1986 unterzeichneten deutsch-deutschen Kulturabkommen, das Kulturaustausch, kulturelle Zusammenarbeit und Partnerschaften über die Grenze hinweg ermöglichte. Solche Zusammenarbeit mit den Niederdeutschen im Norden der DDR wurde in der Folge vor allem von der Lübecker Reuter-Gesellschaft forciert. Nach dem Beispiel anderer westlicher Literaturgesellschaften, die ihren Namensgeber im östlichen Teil Deutschlands hatten, strebte die Reuter-Gesellschaft nun auch Mitgliedertreffen in der DDR an. Allerdings fehlte ihr auf der anderen Seite ein Partner in Gestalt etwa einer Reuter-Gesellschaft der DDR. In Neubrandenburg, Rostock und Schwerin wurde die Gründung einer solchen Institution als Chance erkannt, mehr Reisemöglichkeiten in Richtung Westen zu erreichen. Während DDR-Rentner unbehelligt zu den jährlichen Reuter-Tagen der Lübecker Gesellschaft fuhren, blieben Museumsleuten, Wissenschaftlern und anderen Reuterexperten in staatlichen Diensten solche Ausflüge zumeist versperrt.

Zu den Initiatoren des Arbeitskreises gehörten Arnold Hückstädt, der damalige Direktor des Fritz-Reuter Literaturmuseums in Stavenhagen, der Schweriner Schriftsteller Jürgen Borchert und der Lektor des Rostocker Hinstorff-Verlages, Wolfgang Müns. Schirmherr der Gründungsversammlung im Mai 1989 im Festsaal des Güstrower Schlosses war der damalige stellvertretende Minister für Kultur, Klaus Höpcke. Der Arbeitskreis verabschiedete in Güstrow Leitsätze für seine Arbeit (Voraussetzungen und Zielstellungen, Wirkungsweise, Mitgliedschaft, Leitung).

Ziele

Die Gründung des Arbeitskreises, hieß es in den Leitsätzen, stelle „einen Weg dar, speziell an Fritz Reuter und seinem literarischen Umfeld interessierte Bürger in der sozialistischen Erbepflege aktiv werden zu lassen“. Der Arbeitskreis vertrete und vertiefe „die Positionen der marxistisch-leninistischen Literaturwissenschaft zu Leben, Werk und Wirkung des bürgerlich-humanistischen Nationalautors Fritz Reuter“. Vorgesehen waren u.a. „maßstabsetzende“ literarische Veranstaltungen, Angebote literarischer Materialien, fördernde Einflußnahme auf die regionale und überregionale Publikationstätigkeit sowie die Anregung literarisch-historischer Forschungen. Für Verdienste um die Pflege des Reuterschen Erbes und der niederdeutschen Sprache und Literatur sollte eine Fritz-Reuter-Ehrenplakette gestiftet werden, die dem Ehrenbrief der Lübecker Fritz Reuter Gesellschaft entsprochen hätte.

Der Arbeitskreis sollte allen natürlichen und juristischen Personen offenstehen, „die für die Verwirklichung der Grundaufgaben des Kulturbundes und die Leitsätze“ eintraten. Als Jahresbeitrag wurden 20 DDR-Mark festgelegt, für Kollektive und Institutionen 100 DDR-Mark. Wie in der Fritz Reuter Gesellschaft üblich, sollten die Mitglieder Jahresgaben erhalten. Den Arbeitskreis führte ein Vorsitzender mit zwei Stellvertretern. Der Vorstand bestand aus insgesamt 15 Mitgliedern, je fünf aus jedem Bezirk. Gewählt wurden in Güstrow Arnold Hückstädt (Neubrandenburg) zum Vorsitzenden, Jürgen Borchert (Schwerin) und Anna-Margarete Zdrenka (Rostock) zu Stellvertretern. Neben Kulturbund-Mitarbeitern gehörten dem Vorstand auch Wissenschaftler der Universitäten Rostock und Greifswald an.

Stasi-Einflußnahme

1990 wurde öffentlich, daß der Arbeitskreis „in den Fängen“ der Staatssicherheit gesteckt hatte .[1] Die Neubrandenburger Zeitung Nordkurier schrieb: „In der Lagefortschreibung der Abteilung XX für das Jahr 1989 taucht als ein neuer ‚Schwerpunkt’ der ‚Regionale Arbeitskreis Fritz Reuter’ auf. Der Hintergrund war folgender: Bei seiner Gründung handelte es sich, wie aus den Lagefortschreibungen hervorgeht, um eine ‚Alternative zur Fritz-Reuter-Gesellschaft Lübeck’. Kontakte von Mitgliedern des Arbeitskreises Fritz Reuter zur ‚Reuter-Gesellschaft Lübeck’ wurden als ‚nicht zulässig’ betrachtet. Als die Reuter-Gesellschaft Lübeck zur Gründung eine Grußadresse sandte, deren Inhalt vom MfS als ‚ohne operative Relevanz’ eingeschätzt wurde, griff der Stasi in den Ablauf der Gründungsveranstaltung ein. So heißt es in entsprechenden Unterlagen: ‚Eine operative Einflußnahme der Abteilung XX, daß diese Grußadresse ... nicht verlesen wird, ist gewährleistet.’“

Auflösung

Über die Zeit, die auf die Gründung des Reuter-Arbeitskreises im Frühjahr 1989 folgte, äußerte sich Vorsitzender Dr. Arnold Hückstädt im Juli 1990 rückblickend in einem Pressegespräch:[2] „Es kam die Sommerpause und danach im Herbst der revolutionäre Umbruch in unserem Land. Reuter geriet aus unserem Blickfeld.“ Anfang 1990 löste sich der Arbeitskreis aus dem Kulturbund. Hückstädt: „Auf einer Vorstandssitzung Mitte März in Güstrow faßten wir den Beschluß zur Umbenennung des Arbeitskreises in die Fritz-Reuter-Gesellschaft Stavenhagen e.V.. Damit folgten wir erstens dem Zug der Zeit, gründeten einen selbständigen Verein, und zweitens wollten wir mit Stavenhagen im Namen unseren Sitz in der DDR deutlich benennen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir durchaus noch die Absicht, uns als eigenständige Gesellschaft zu profilieren.“ Allerdings ließ sich die Gesellschaft dann schon nicht mehr ins Vereinsregister eintragen. Hückstädt: „Die fortschreitende Entwicklung zu einem vereinten Deutschland läßt es unsinnig erscheinen, weiterhin zwei Reuter-Gesellschaften zu haben, zumal unsere Anfänge eher bescheiden sind gegenüber der 30jährigen Entwicklung in Lübeck.“ Mit ihrer ersten und einzigen Veranstaltung, einem Reuter-Tag in Dömitz im August 1990, verabschiedete sich die Stavenhagener Gesellschaft aus der Öffentlichkeit.

Das Fritz Reuter Literaturarchiv Hans-Joachim Griephan Berlin verfügt über eine umfangreiche Dokumentation und Materialsammlung zum Arbeitskreis Fritz Reuter.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Nordkurier, Neubrandenburg, vom 28. April 1990.
  2. Nordkurier, Neubrandenburg, vom 25. Juli 1990.

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