Barfußhistoriker

Barfußhistoriker

Als Barfußhistoriker wird ein nicht wissenschaftlich ausgebildeter Hobbyhistoriker bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Tätigkeit

Neben den etablierten Historikern beschäftigen sich in ganz Deutschland ehrenamtlich Menschen (meist ohne wissenschaftliche Ausbildung) mit der Geschichte ihres Heimatortes oder verwandten Themen. Die Ergebnisse dieser Arbeiten werden oft in Schriften, Büchern und im Internet veröffentlicht. Sie werden nicht selten auch von professionellen Historikern anerkannt und bei Bedarf zu wissenschaftlichen Arbeiten herangezogen.

Ein vermehrtes Auftreten dieser „Laien“ war in Folge der kulturell-politischen Wandlungen der 68er-Bewegung zu verzeichnen. Aufgrund mangelnder Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus in der deutschen Geschichtswissenschaft begannen viele Menschen, ihr familiäres Umfeld oder die Geschichte ihrer Wohngegend zu untersuchen. Dabei gerieten bis dato komplett vernachlässigte Themen in den Vordergrund. Hat die akademische Geschichtswissenschaft, wenn auch zaghaft, vor allem den bürgerlichen Widerstand gegen das NS-Regime untersucht, so gerieten aufgrund der Forschungsfelder der Barfußhistoriker schnell andere Aspekte in den Vordergrund, zum Beispiel der Widerstand aus der Arbeiterbewegung[1]. Barfußhistoriker konnten so einen Teil zur Entwicklung der Geschichte von unten beitragen.

Nicht wissenschaftlich als Historiker ausgebildete Personen können dabei durchaus im professionellen Forschungsbetrieb tätig sein. Ein Beispiel ist der studierte Mathematiker und DDR-Bürgerrechtler Thomas Klein, der bis Ende 2009 am Zentrum für Zeithistorische Forschung tätig war und Lehraufträge an der Universität Potsdam wahrnahm.

Begriffsentwicklung

Der Begriff Barfußhistoriker ist erstmals in den 1980er-Jahren belegt. Die Bezeichnung beruht auf den teilweise nichtwissenschaftlichen und unkonventionellen Methoden der beteiligten Wissenschaftler und Laien. Er wurde in der bundesdeutschen Presse schon 1984 benutzt.[2][3]

In den 1980er-Jahren bildeten sich in Deutschland auch sogenannte Geschichtswerkstätten, in denen sich häufig solche historisch interessierten Laien mit der Geschichte vor Ort auseinandersetzten. Dies geschah auf einer Ebene, die sich von der der universitären Geschichtsforschung unterschied. Mittelpunkt war die Geschichte von unten, ein Bereich, der bis dahin nur unzureichend aufgearbeitet wurde. Diese Bewegung erhob einen politisch-emanzipatorischen Anspruch mit dem Fokus abseits der politischen Geschichte hin zur Alltagsgeschichte breiten Bevölkerung, ohne an die bereits etablierte Wirtschaft- und Sozialgeschichte anzuknüpfen.[2]

Der im Dezember 2009 verstorbene Essener Historiker Ernst Schmidt hat im Jahre 1989 alle Essener Geschichtsinteressierten zu einem ständigen Meinungsaustausch aufgerufen. Hierbei verwendete er das Wort „Barfußhistoriker“ als liebevolles Synonym zur Zusammenarbeit von Laien mit den Profis.

Ähnliche Begriffe

Ähnlichkeiten finden sich in dem Begriff des Barfußarztes, der aus dem maoistischen China bekannt ist. Diese Menschen schlossen Lücken in der medizinischen Versorgung des Landes, ohne eine einschlägige Ausbildung genossen zu haben.

Einzelnachweise

  1. vgl. Krijn Thijs, Drei Geschichten, eine Stadt: die Berliner Stadtjubiläen 1937 und 1987, Köln, Weimar 2008, S. 113 bei google books
  2. a b Felix Philipp Lutz: Geschichtsbewußtsein. In: Werner Weidenfeld, Karl-Rudolf Korte (Hrsg.): Handbuch zur deutschen Einheit. 1949–1989–1999. Campus Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-593-36240-6, S. 392–402, hier: S. 399.
  3. Volker Ullrich: Spuren im Alltag. „Barfußhistoriker“ - woher sie kommen und was sie wollen. In: Die Zeit (45) vom 2. November 1984

Weblinks


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