Bombenanschlag in Stockholm 2010

Bombenanschlag in Stockholm 2010
Polizei in der Drottninggatan nach dem Anschlag

Bei einem Bombenanschlag in Stockholm am 11. Dezember 2010 detonierten zwei Sprengsätze in einer belebten Einkaufszone der schwedischen Hauptstadt Stockholm. Der Selbstmordattentäter, ein 28-jähriger irakischstämmiger[1] schwedischer Staatsbürger, kam durch einen Sprengsatz an seinem Körper ums Leben, zwei Passanten wurden durch eine weitere Explosion in einem abgestellten Fahrzeug verletzt.

Inhaltsverzeichnis

Tathergang

Verlauf
Der Tatort am 12. Dezember 2010, Schaden am Schaufenster und der Fassade.
Der Tatort am 12. Dezember 2010, Blick von der Drottninggatan in die Bryggargatan.

An dem Samstag vor dem dritten Advent war die Stockholmer Drottninggatan stark belebt. Um ca. 17 Uhr, kurz vor Geschäftsschluss, explodierte in einem an einer Ecke geparkten Audi ein Sprengsatz. Der Wagen, der auf den Namen des Attentäters registriert war, ging in Flammen auf. Zwei Menschen wurden leicht verletzt. In Panik rannten Menschen davon. Die Feuerwehr löschte den brennenden Wagen.

Zuvor hielt an der Ecke zur Olof-Palme-Gata der spätere Attentäter die Reklametafel eines Fish-and-Chips-Ladens hoch. Nach der Detonation entfernte er sich von seinem Standort. Zehn Minuten nach der Autoexplosion kam es ein paar hundert Meter entfernt, in einer kleinen Nebenstraße, zu einer weiteren Detonation. Ein am Körper des Attentäters befestigter Sprengsatz war explodiert. Dessen Detonation führte zum Tod des Mannes. Neben dem Toten lag die Reklametafel, vor ihm ein Rucksack, gefüllt mit Nägeln und Sprengstoff. Später stellte sich heraus, dass er sechs Rohrbomben um seinen Körper gebunden hatte, wovon aber nur eine explodierte.

Vermutlich detonierte der Sprengsatz vorzeitig. Laut Polizei war der Täter möglicherweise auf dem Weg zum Stockholmer Hauptbahnhof oder in ein bekanntes Kaufhaus. Neben dem Leichnam des Täters fand die Polizei ein PMR-Funkgerät, das vermutlich als Fernzünder für die Autobombe diente. Wäre die Bombe in der belebten Drottninggatan gezündet worden, hätte sie nach Angaben eines Waffenexperten hunderte Menschen töten können.

Eine Droh-E-Mail und eine Audiobotschaft auf Schwedisch und Arabisch waren wenige Minuten vor den Anschlägen bei der Sicherheitspolizei Säpo und mehreren Medienredaktionen eingegangen. Diese Botschaften waren vom Attentäter unterschrieben und gesprochen worden.

Hintergrund

Ein Motiv des islamistisch motivierten Anschlages ist die Beteiligung Schwedens an der NATO-Mission in Afghanistan. Das deutsche Nachrichtenmagazin Spiegel online berichtete am 13. Dezember 2010, der Attentäter sei in verschiedenen sozialen Netzwerken im Internet sehr aktiv gewesen und hätte sich dort gegen die Kriege im Irak und in Afghanistan positioniert. Der Name des Täters wurde nach dem Anschlag auf einer islamistischen Internetseite veröffentlicht.

In seinen Droh-Botschaften hatte der Attentäter mit Vergeltung für die Beteiligung schwedischer Soldaten am Afghanistan-Krieg und für die Verhöhnung des Propheten durch den Künstler Lars Vilks gedroht, der Mohammed als Hund gezeichnet hatte. In einer „Botschaft an das schwedische Volk“ sagte er: „Jetzt werden eure Kinder, Töchter und Schwestern sterben, so wie unsere Brüder und Schwestern getötet werden“'. An „alle Mujahedin in Schweden und Europa“ richtete er die Botschaft: „Fürchtet niemanden, nicht Gefängnis, nicht Tod.“[2] Die Botschaft ging bei der Stockholmer Polizei und bei Schwedens Presseagentur Tidningarnas Telegrambyrå ein.

Wenige Tage nach dem Anschlag teilten die schwedischen Ermittler mit, sie würden nun von mehreren Helfern ausgehen. Das Attentat "gut vorbereitet" gewesen, erklärte der zuständige Staatsanwalt. Und weiter: "Wir müssen davon ausgehen, dass er mit mehreren Leuten arbeitete".[3]

In der Woche nach dem Anschlag beauftragte der Schwedische Privatsender TV4 einen Tontechniker mit der Auswertung der Audiobotschaft des Attentäters. Der Tontechniker Johan Öhgren fand heraus, dass auf der Aufnahme mindestens zwei Menschen zu hören seien. Seine Annahme begründet er damit, dass ein Einatemgeräusch zu hören sei, während der Täter spreche. Demzufolge sei laut Öhgren deutlich zu hören, dass sich mindestens zwei Menschen in dem Raum, in dem die Aufnahme gemacht wurde, aufgehalten haben. Laut der Zeitung Expressen wertete Säpo Überwachungsvideos einer Tankstelle im südschwedischen Tranås aus. Dort war der Attentäter aufgewachsen.[4]

Schon im Oktober 2010 hatte Säpo auf ein erhöhtes Sicherheitsrisiko hingewiesen. Im November 2010 nahm sie drei Männer wegen eines angeblich geplanten Anschlags auf ein Einkaufszentrum in Göteborg fest. Alle wurden bereits am selben Tag wieder auf freien Fuss gelassen. Die Voruntersuchung wurde wenige Tage später niedergelegt und sämtliche Anklagepunkte fallengelassen.[5]

Täter

Der Täter war 1992 mit seinen Eltern aus dem Irak nach Schweden gekommen. Nach dem Abitur begann er 2001 ein Studium an der englischen Universität Bedfordshire und schloss sich radikalislamistischen Gruppen in der Stadt Luton nördlich von London an. Die britische Polizei durchsuchte am 13. Dezember 2010 in Luton ein Haus, in dem die Familie des Täters gemeldet war. Laut Scotland Yard gab es keine Festnahmen.[6] Der Selbstmordattentäter hinterließ drei Kinder.

Der Schwiegervater des Attentäters distanzierte sich öffentlich von dem Mann seiner Tochter und erklärte, sein Schwiegersohn sei einer Hirnwäsche unterzogen worden. Er sei ein Terrorist gewesen, der zurückgewiesen habe, was Schweden für ihn getan habe. Laut dem Schwiegervater habe die Frau des Attentäters nicht gewusst, dass ihr Mann einen Anschlag geplant habe.

Reaktionen

Am Sonntag, den 12. Dezember 2010, stufte Säpo das Attentat als „sehr ernsthaften Terrorakt“ ein. Nicht klar war zu diesem Zeitpunkt, ob es sich um einen Einzeltäter oder um ein von einer Terrorzelle geplantes Attentat handelte.

Nach dem Anschlag äußerte sich der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt besorgt über den Anschlag auf eine, nach seiner Aussage, offene schwedische Gesellschaft. Die Oppositions-Partei der schwedischen Sozialdemokraten kritisierte den konservativen Außenminister Carl Bildt scharf, da dieser nach eigenen Aussagen von einer Terrorgefahr für Schweden ausgegangen war. Die Opposition warf ihm vor, die schwedische Öffentlichkeit nicht gewarnt zu haben.[7]

Vertreter Schwedischer Muslime verurteilten den Anschlag. "Wir sind wahre Muslime und ein wahrer Muslim hat nichts mit einem Terrorakt zu tun", sagte Imam Ben Mahmoud Rahmeh beim Freitagsgebet nach dem Angriff in einer Stockholmer Moschee. Er sagte weiter: "Schweden ist unser Land und sein Volk ist unser Volk. Was das Land erfreut, erfreut uns. Was die Nation verletzt, verletzt uns." [8]

Im Vereinigten Königreich startete Scotland Yard kurz nach den dem Stockholmer Anschlag eine Medienkampagne um die Bevölkerung zur eröhten Wachsamkeit gegenüber möglichen Attentaten aufzurufen. Am 8. März 2011 wurde im schottischen Strathclyde ein Verdächtiger festgenommen, der im Zusammenhang mit dem Anschlag stehen soll.[9]

Weblinks

 Commons: Bombenanschlag in Stockholm 2010 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Terrorakt in Schweden: Selbstmordattentäter von Stockholm ist identifiziert - Financial Times Deutschland; 13. Dezember 2010
  2. http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/617901/Anschlag-in-Stockholm_Das-Werk-eines-Einzeltaeters?_vl_backlink=/home/politik/aussenpolitik/index.do
  3. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,734324,00.html Spiegel online vom 13. Dezember 2010
  4. http://www.orf.at/stories/2031331/
  5. DN: Säpo kan ha blivit utnyttjade som riktiga idioter
  6. http://www.tagesschau.de/ausland/stockholmanschlag104.html
  7. http://www.fr-online.de/politik/schweden-im-terrorschock/-/1472596/4916002/-/view/asFirstTeaser/-/index.html
  8. http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/schwedische_muslime_verurteilen_selbstmordanschlag_1.8727436.html
  9. SVT: En gripen efter Stockholmsbomb

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