Camulodunum

Camulodunum
Colchester Sphinx, Skulptur von einem Grabmonument

Camulodunum ist der keltische Name von Colchester, der ältesten römischen Stadt in Britannien. Schon vor der römischen Eroberung befand sich dort eine keltische Stadt, die der Hauptort des Königreiches der Trinovanten war, deren letzter Herrscher und Feind Roms Cunobelinus war.

Inhaltsverzeichnis

Die römische Provinzhauptstadt

Camulodunum ist die latinisierte Form des Namens des keltischen Oppidums, das die Vorgängerstadt in dieser Gegend bildete. Der Name bedeutet in etwa Festung des Camulos, wobei es sich bei Camulos um den keltischen Kriegsgott handelte.

Nach der römischen Eroberung wurde nahe dieser Stadt um 43-44 n. Chr. ein Legionslager eingerichtet, in der die Legio XX Valeria Victrix mit Auxiliartruppen untergebracht wurde.[1] Die Legion wurde jedoch schon im Winter 48–49 n. Chr. von Publius Ostorius Scapula nach Glevum (Gloucester) in Wales umquartiert und die Befestigungen in Camulodunum geschleift.[2] Das Gelände des verlassenen Lagers wurde als Veteranenkolonie Colonia Victrix[3] weitergenutzt.[4]

Die neue Stadt wurde nach einem Plan mit sich rechtwinklig kreuzenden Straßen angelegt. Baracken wurden in Wohngebäude umfunktioniert. Die alten Wälle des Lagers wurden eingerissen und die Gräben zugeschüttet. Im Osten der Stadt, in einem neu eingerichteten Stadtteil, wurde ein Tempel des Claudius als Kaiserkultzentrum errichtet.

Daneben besaß die Stadt auch andere wichtige öffentliche Gebäude, wovon bisher nur ein Theater und ein Triumphbogen lokalisiert wurden. Vor allem der Tempel des Kaiserkultes lässt vermuten, dass die Stadt den Status der Provinzialhauptstadt Britannien einnahm.

Der Boudicca-Aufstand

Im Jahr 60/61 n. Chr. kam es in der jungen Provinz zu dem Aufstand der Boudicca, in dessen Verlauf das unbefestigte Camulodunum als erste Stadt verwüstet wurde. Der Historiker Tacitus hat von den Ereignissen berichtet.[5] Vor allem der Tempel des Claudius scheint das Ziel des Hasses gewesen zu sein, da er als Zitadelle der Tyrannei betrachtet wurde. Archäologische Ausgrabungen haben überall in der Stadt Zerstörungsspuren zu Tage gebracht.

Nach dem Boudicca-Aufstand wurden Veteranen der Legionen XIIII Gemina Martia Victrix und XX Valeria Victrix im zerstörten Camulodunum angesiedelt und bauten die Stadt wieder auf.[6] Die Provinzialverwaltung wurde jedoch nach London (Londinium) verlegt.

Zweites und Drittes Jahrhundert

Mosaik aus Colchester

In den folgenden Jahren erlebte Camulodunum ihre eigentliche Blütezeit, obwohl sie nie wieder eine bedeutende politische Rolle spielen sollte. Die Stadt wurde um 80 bis 100 n. Chr. nochmals erweitert und erhielt in dieser Zeit auch eine Stadtmauer. Obwohl für eine heute noch bewohnte Stadt relativ viel ergraben wurden, so fehlen doch noch viele öffentliche Gebäude. Nur der Standort des Theaters und des neu erbauten Tempels des Kaiserkultes sind bekannt. Bisher fehlen jegliche Hinweise auf ein Forum, von Thermen oder weiteren Tempeln, wenn man von zwei kleinen Heiligtümern vor den Mauern der Stadt absieht. Stattdessen wurden zahlreiche Peristylhäuser gefunden, die reich mit Mosaiken und Wandmalereien ausgestattet waren. Im Norden und Osten konnten außerhalb der Stadtmauern Vorstädte festgestellt werden. Hier lagen auch umfangreiche Friedhöfe mit teilweise aufwändigen Grabbauten.

Bauten

Der Tempel des Claudius

Der Tempel des Claudius ist der größte bisher bekannte Tempel in klassischem Stil in Britannien. Der Tempel wird von Tacitus und Sueton erwähnt. Die Lage des Tempels war lange Zeit unbekannt. Erst in den 1920er Jahren wurde klar, dass Gewölbe, die sich unter der normannischen Burg in der Stadt befinden, zu diesem Tempel gehörten. Bei diesen sogenannten Gewölben handelt es sich jedoch in Wirklichkeit um die Abdrücke des Tempelfundamentes. Beim Bau des Tempel sind Gräben ausgehoben worden, die dann mit Zement und Steinen, sowie stützenden Holzplanken ausgefüllt wurden, um den weichen Untergrund zu stabilisieren. Der eigentliche Tempelbau war einst circa 24,4m breit und 32m lang. Berechnungen zufolge war er mit Podium mehr als 20m hoch. Die Säulen waren etwa neun Meter lang. An der Frontseite befanden sich eine Treppe und wahrscheinlich acht Säulen. Vor dem Tempel stand einst sicherlich ein Altar, von dem aber bisher nichts gefunden wurde. Nach Tacitus soll sich beim Tempel eine Statue der Siegesgöttin Victoria befunden haben. Der Tempel wurde nach dem Boudicca-Aufstand wieder aufgebaut, wobei er innerhalb eines Tempelbezirkes stand.[7]

Weitere Tempel

Es gab in der Stadt verschiedene römisch-keltische Umgangstempel. Zwei von ihnen standen am sogenannten Balkene Tor (das Haupt- und Westtor der Stadtmauer), außerhalb der Stadtmauern. Vier weitere konnten nördlich der eigentlichen ummauerten Stadt ausgegraben werden.

Theater

1982 wurden die Reste eines Theaters gefunden, das aus Stein erbaut war. Es lag neben dem Tempel des Claudius und wird bei Tacitus erwähnt. Es war einst ungefähr 60 m breit und damit eines der größten in Britannien. Da nur Teile der Fundamente ausgegraben wurden, kann nur wenig zu dem einstigen Aufbau gesagt werden.

Forum und Thermen

Mit Sicherheit konnten bisher weder Thermen, noch ein Forum identifiziert werden. Immerhin fand man in den letzten Jahren massive Fundamente in Insula 20, die vielleicht zu einer Badeanlage gehören.

Stadtmauer

Rest der alten Stadtmauer von Camulodunum

Das Stadtgebiet war von einer Mauer umgeben. Sie war 2,835 km lang und ca. 2,65 m stark und mindestens 6 m hoch. Die Mauer hatte 6 Tore und ungefähr 24 Türme. Die meisten Stadtmauern Britanniens wurden am Ende des zweiten Jahrhunderts errichtet. Wie die archäologischen Befunde zeigen, wurde die Mauer von Camulodunum jedoch in den Jahre 65 bis 80 n. Chr. erbaut. Dies kann sicherlich mit den Ereignissen um den Aufstand der Boudicca in Verbindung gebracht werden. Die Mauer steht noch heute zu bedeutenden Teilen.

Spätantike

Im vierten Jahrhundert verlor die Stadt, wie andere Orte auch, viele ihrer Einwohner, weite Flächen des Stadtgebietes blieben unbebaut. Aus dieser Zeit stammt ein Friedhof mit einer offensichtlich christlichen Kirche, die gut 20 m lang war und im Osten eine Apsis hatte. Da sie sich neben dem Friedhof fand, mag sie vor allem als Friedhofskirche benutzt worden sein. Die Stadt wurde anscheinend im fünften Jahrhundert ganz aufgegeben.

Camelot

Wegen des ähnlichen Klangs des Namens und der früheren Bedeutung der Stadt wurde Camulodunum oft in Verbindung zu Camelot, der sagenhaften Residenz des Königs Artus, gebracht. Selbst wenn man historische Wurzeln für den Mythos in Betracht zieht, ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein Zusammenhang besteht.[8] Camelot wird in der von Geoffrey of Monmouth um 1135 verfassten Historia Regum Britanniae („Geschichte der Könige Britanniens“), die die spätere Artus-Dichtung stark beeinflusst hat, noch nicht erwähnt. Colchester, die Stadt, die aus der Colonia Victricensis, Camulodunum, hervorgegangen war, fand jedoch Eingang in die Geschichtsdarstellung des Geoffrey of Monmouth. Sie wird als Residenz des Königs Coel, der im vierten Jahrhundert n. Chr. gelebt haben soll, dargestellt. Bei Coel handelt es sich ebenfalls um einen geschichtlich nicht nachweisbaren Herrscher.

Im Mittelalter waren zwar verschiedene lateinische Texte bekannt, die Camulodunum erwähnten, die Kenntnis der genauen Lage der Stadt in Britannien und der siedlungsgeschichtliche Zusammenhang mit Colchester waren jedoch in Vergessenheit geraten. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde diese geographische Zuschreibung wiederhergestellt.

In der Zeit um das Jahr 500 n. Chr., in der das historische Vorbild für den legendären König Artus gelebt haben könnte, war die Ostküste Englands bereits von den Sachsen besetzt worden. Das ehemalige Camulodunum war weitgehend zerstört und verlassen. Es kann also nicht die von Chrétien de Troyes Ende des 12. Jahrhunderts erstmals beschriebene Stadt Camelot aus dem Artus-Epos gewesen sein.

Einzelnachweise

  1. Claude Lepelley (Hrsg.): Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit, Bd. 2: Die Regionen des Reiches, de Gruyter, München 2001, ISBN 3-598-77449-4, S. 217.
  2. Sheppard Sunderland Frere: Britannia: a history of Roman Britain, Routledge, 1987, ISBN 978-0710212153, S. 72.
  3. Der Name ist nicht eindeutig überliefert; möglich ist auch Colonia Claudia Victrix oder Colonia Claudia Victrix Augusta, eher unwahrscheinlich ist Colonia Victricensis. Vgl.: Lawrence J. F. Keppie: Legions and veterans: Roman army papers 1971-2000 (Mavors. Roman Army Researches Band 12), Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 978-3-515-07744-6 , S. 304.
  4. John Stewart Wacher: Coming of Rome (Britain Before the Conquest), Routledge, 1979, ISBN 978-0710003126, S. 74.
  5. Tacitus: Annalen. 14, 29-39.
  6. Anthony Richard Birley: The Roman government of Britain, Oxford University Press, 2005, ISBN 978-0-19-925237-4, S. 49.
  7. Crummy: City of Victory, S. 59-60
  8. Offizieller Brief des Museums von Colchester auf Anfragen bezüglich Camelot (engl.)

Literatur

  • Philipp Crummy: City of Victory. Colchester 1997, 2001 (Repr.). ISBN 1-897719-04-3
  • John Wacher: The Towns of Roman Britain. Routledge, London/New York 1997, S.112-132. ISBN 0-415-17041-9

Weblinks

 Commons: Camulodunum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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