Kaiserkult

Kaiserkult

Der Kaiserkult war eine kultische Verehrung der Kaiser des Römischen Reichs. Man brachte den toten oder lebenden Herrschern Opfer dar, betete ihr Bildnis an und machte sie dadurch zu einem Gottkönig.

Geschichte

Der römische Kaiserkult ist eine Sonderform des in der Antike verbreiteten Herrscherkults und ging auf den Makedonen Alexander den Großen zurück. Dieser, so glaubte man, wurde wegen seiner großen Taten und Hilfe für das Volk nach seinem Tod in die Göttergemeinschaft aufgenommen und leistete von dort aus seinen Verehrern weiterhin Hilfe. Nach ihm wurden weitere charismatische Führer nach ihrem Tod vergöttlicht, später auch Wohltäter zu ihren Lebzeiten.

Die Römer kamen aufgrund ihrer Eroberungen mit dem griechisch-hellenistischen Herrscherkult in Berührung, der der traditionellen römischen Religion unbekannt war. Seit dem zweiten Jahrhundert vor Christus erwies das Volk in den eroberten griechischen Gebieten sowohl römischen Provinzstatthaltern aufgrund von Wohltaten göttliche Verehrung als auch dem römischen Volk und der Dea Roma.

In die offizielle römische Staatsreligion aufgenommen wurde der Herrscherkult um 217 v. Chr. mit dem Kult des Genius Publicus bzw. Genius Populi Romani, in dem die Volkssouveränität und die Gemeinschaft des römischen Volkes gewissermaßen vergöttlicht wurden. Diese waren die einzigen Elemente eines Herrscherkultes zur Zeit der Republik.

Das änderte sich zur Kaiserzeit. Gaius Iulius Caesar kam zu Lebzeiten besondere Ehre zu, da er, so glaubte man, von den Göttern auserwählt und mit übernatürlichen Kräften ausgestattet gewesen sei. Er erhielt aber noch keine kultische Verehrung als vergöttlichter Herrscher. Erst im Jahr 42 v. Chr., nach seinem Tod, wurde er zum Gott erhoben und ging als Divus Iulius in die römische Göttergemeinschaft ein.

Sein Nachfolger Augustus setzte die Verehrung vergöttlichter Kaiser dann endgültig durch. Sollte ein Kaiser aufgrund seiner Wohltaten für das Volk nach seinem Tod vergöttlicht werden (Apotheose), wurde der Leichnam des Kaisers verbrannt, woraufhin seine Seele zum Himmel aufsteigen sollte. Bei der zeremoniellen Verbrennung wurde ein Adler, das Symboltier Jupiters, freigelassen, welcher die Seele des Kaisers in das Reich der Götter bringen sollte. Der Aufstieg der Seele musste amtlich bezeugt werden.

Der Senat erkannte dann den Stand des Kaisers als Divus an. Der Vergöttlichte bekam eigene Tempel und eine eigene Priesterschaft. Unbeliebte Kaiser verfielen nach ihrem Ableben durch Senatsbeschluss der Damnatio memoriae, der Austilgung des Andenkens. Lebende Kaiser konnten keine Apotheose erlangen, wurden jedoch mit einer Aura göttlicher Macht umgeben. Im Kult des Genius Augusti wurde gewissermaßen ihr Charisma verehrt. Der Herrscher war seit Augustus zu Lebzeiten auch oberster Richter und Priester (pontifex maximus) und konnte neue religiöse Gesetze schaffen bzw. bestehendes Recht endgültig auslegen.

Die Herrscher Caligula (37-41), Nero (54-68), Domitian (81-96) und Commodus (180-192) tendierten zu einer besonders absolutistischen Regierungsform und ließen sich schon zu Lebzeiten im Stil hellenistischer Gottkönige verehren, scheiterten aber politisch weitgehend mit ihren Plänen und erhielten nach ihrem Tod keine weitere Verehrung.

Nach schweren Wirtschaftskrisen und Einbrüchen vor allem der Franken, Alemannen und Goten versuchte Decius (249-251), die Reichseinheit mit einer Rückbesinnung auf die altrömische Staatsreligion zu erneuern und baute dazu den Kaiserkult weiter aus: In seiner Person oder mindestens zu seinem Schutz sollte Gottes Wesen erscheinen (Epiphanie). Aurelian (270-275) steigerte dies noch mit einem orientalischen Hofzeremoniell; er machte den Sol invictus (unbesiegter Sonnengott) zum Reichsgott, was aber nur kurzfristig gelang. Diokletian (284-305) knüpfte indirekt an die Vorstellung von den Göttern als Garanten der staatlichen Ordnung an: Er wollte die Tetrarchie von Kaisern als irdische Manifestation des göttlichen Weltregiments (von Jupiter etc.) betrachtet wissen.

In den Provinzen galt der Kaiserkult als Ausdruck der Loyalität gegenüber Rom. Wer ihn verweigerte, schloss sich damit aus der Gesellschaft aus und galt leicht als „Hasser des Menschengeschlechts“ (odium generis). Probleme mit der Ausübung des Kaiserkultes hatten im Römischen Reich Juden und Christen, die wegen des Ersten Gebots (Monotheismus) keine Menschen als Götter verehren durften. Die Römer erkannten die jüdische Religion jedoch als religio licita an und erließen Juden die Teilnahme am Kaiserkult. Den Christen wurde dieses Privileg seit Trajan (98-117) nicht mehr gewährt, nachdem sie als eigene Religion hervorgetreten waren. Infolge ihrer Ausbreitung wurde der Kaiserkult bald zu einem Mittel, Staatsloyalität einzufordern: Wo Christen das Kaiseropfer verweigerten, kam es zeitweise zu schweren Christenverfolgungen, besonders unter Decius und Diokletian.

Nach dem Tod Diokletians leitete Konstantin eine religionspolitsche Wende von großer Tragweite ein (so genannte Konstantinische Wende) und privilegierte ab 312 das Christentum. In ihm sah er eine neue Grundlage für die religiöse Einung des Reiches, sodass er der Kirche nun weitgehende Privilegien gegenüber anderen Kulten, auch den bisherigen Staatsgöttern einräumte und ihre innere Einheit aktiv vorantrieb.

Seit der vollständigen Christianisierung des Reiches unter Theodosius (379-395) verschwand der Kaiserkult äußerlich; der Machtanspruch des Kaisers über die Religion blieb jedoch bis weit in das Mittelalter und die Neuzeit hinein bestehen. Aus dem Gottkönig wurde der Kaiser „von Gottes Gnaden“: Das Hofzeremoniell blieb bis in die Einzelheiten weitgehend dasselbe und wurde parallel auch vom Papsttum kopiert.

Literatur


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