Chromothripsis

Chromothripsis

Chromothripsis ist die Bezeichnung für ein genetisches Phänomen, bei dem es in einer Zelle ausgelöst durch ein einmaliges Ereignis zu einer Vielzahl von Umlagerungen von Chromosomenabschnitten kommt. Erstmals beschrieben wurde es 2011 in einer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Cell von Wissenschaftlern des Wellcome-Trust-Sanger-Instituts in Cambridge, die auch den entsprechenden Begriff prägten.

Entdeckt wurde dieses Phänomen bei einem Patienten mit Chronischer lymphatischer Leukämie, dessen Zellen 42 Umlagerungen in lokalisierten Clustern auf dem langen Arm des Chromosoms 4 aufwiesen. In Zellen von weiteren untersuchten Patienten mit anderen Krebserkrankungen waren darüber hinaus auch andere Chromosomenbereiche, komplette Chromosomen oder mehrere Chromosomen gleichzeitig betroffen. Art und Verteilung der Veränderungen an den Chromosomen sprechen dafür, dass diese nicht im Rahmen eines fortschreitenden Prozesses entstanden, sondern alle die Folge des gleichen und von den Autoren als „katastrophal“ beziehungsweise als „zelluläre Krise“ bezeichneten Ereignisses sind, bei dem es zu multiplen Chromosomenbrüchen kommt. Die Autoren schätzten auf der Grundlage ihrer Ergebnisse, dass ein solches Ereignis in zwei bis drei Prozent aller Krebserkrankungen eine Rolle spielt, mit einer Häufung von bis zu einem Viertel aller Fälle von Knochentumoren.

Anders als es bei einer solch massiven Zerstörung der Chromosomenstruktur zu erwarten wäre, sterben von den betroffenen Zellen wahrscheinlich nicht alle durch Apoptose. Vielmehr gelingt es offenbar den Mechanismen der DNA-Reparatur in einigen Zellen, die Chromosomen teilweise wieder zusammenzusetzen, wodurch die Zelle unter Umständen überlebt. Dabei kommt es zu einer Vielzahl an Deletionen, Duplikationen, Inversionen sowie durch Translokationen zur Verschmelzung von zuvor nicht benachbarten Chromosomenabschnitten. Folge dieser Veränderungen, die durch Zellteilung weitervererbt werden, ist dann ein Verlust der Funktion von Tumorsuppressorgenen. Nach Ansicht der Autoren tritt dieses Phänomen wahrscheinlich auf, wenn die Chromosomen während der Mitose in kondensierter Form vorliegen. Als mögliche Auslöser vermuten sie unter anderem radioaktive Strahlung oder einen Zusammenhang mit der Streckung und Stauchung der Chromosomen während der Verkürzung der Telomere an den Chromosomenenden im Rahmen der Zellteilung.

Literatur

  • Philip J. Stephens et al.: Massive Genomic Rearrangement Acquired in a Single Catastrophic Event during Cancer Development. In: Cell. 144(1)/2011. Elsevier, S. 27–40, ISSN 0092-8674
  • Karin Hollricher: Stichwort des Monats: Chromothripsis. In: Laborjournal. 3/2011. LJ-Verlag Merzhausen, S. 46, ISSN 1612-8354

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