Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft

Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft

Die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft (DPG) e. V. ist eine 1910 gegründete wissenschaftliche Fachgesellschaft mit Sitz in Berlin, die sich der Ausbildung und Forschung der von Sigmund Freud begründeten Psychoanalyse widmet. Sie hatte bei Gründung maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der Psychoanalytiker-Bewegung in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben

Die DPG ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft. Ihr gehören Psychoanalytiker an, die eine von ihr anerkannte Weiterbildung absolviert haben. Sie widmet sich der Pflege, Weiterentwicklung und Verbreitung der Psychoanalyse in Forschung, Lehre, Therapie, Prävention und anderen Gebieten.

Die DPG veranstaltet jährliche offene Fachtagungen sowie interne Veranstaltungen wie Arbeitstagungen, Seminare und Konferenzen.

Organisation

Neben Fachgremien gliedert sich die DPG in 19 lokale bzw. regionale Arbeitsgruppen.

Psychoanalytische Literatur und Veröffentlichungen ihrer Mitglieder werden über die eigene Literaturdatenbank der DPG erschlossen.

Geschichte

1908 - 1925

Die Gesellschaft entstand aus einem 1908 von Karl Abraham gegründeten Arbeitskreis. Das erste Treffen fand am 27. August 1908 in Berlin statt, monatlich wechselnd in den Wohnungen der Mitglieder. Sie wurde offiziell im März 1910 mit Abraham als ersten Vorsitzenden als „Berliner Psychoanalytische Vereinigung“ (BPV) errichtet, zugleich als „Ortsgruppe Berlin“ der ebenfalls 1910 gegründeten Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPV). Teilnehmer waren Abraham, Max Eitingon, Magnus Hirschfeld, Otto Juliusburger, Heinrich Koerber, Johannes Jaroslaw Marcinowski, Dr. Simon (Bayreuth), Anna Stegmann, Dr. W. Strohmayer (Jena), Dr. W. Warda (Blankenburg).

Weitere Ortsgruppen hatten sich gebildet in Wien mit Sigmund Freud und Alfred Adler, in Zürich mit Ludwig Binswanger und C. G. Jung. Vereinsberichte erschienen in dem gemeinsamen Correspondenzblatt der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung. Ende 1911 hatte die BPV 11 Mitglieder, darunter die ersten drei ausgebildeten Psychoanalytikerinnen Karen Horney, Tatlana Rosenthal und Margarete Stegmann.[1]

Während des Ersten Weltkrieges waren die Mitglieder auch eingebunden in die Erforschung und Behandlung von Kriegsneurosen, heute als Posttraumatische Belastungsstörung bezeichnet. 1919 wurde der Internationale Psychoanalytische Verlag gegründet, der dem BPV auch als Veröffentlichungsplattform diente. 1920 erfolgte in Berlin die Gründung der Poliklinik für psychoanalytische Behandlung nervöser Krankheiten - die zweite ihrer Art -, und am 16. Februar 1920 eröffnet. Karl Abraham und Max Eitingon gründeten 1920 das Berliner Psychoanalytische Institut (BPI). Ein weiterer wichtiger Schritt erfolgte durch die von einem Unterrichtsausschuss 1923 festgelegten „Richtlinien für die Unterrichts- und Ausbildungstätigkeit“.

1926 - 1945

siehe auch Hauptartikel: Deutsches Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie

Den Namen Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft (DPG) nahm die BPV erst 1926 an, nachdem Ernst Simmel nach dem Tode Abrahams den Vorsitz übernommen hatte. Im Zuge der Nazifizierung Deutschlands mussten jüdische Analytiker Deutschland verlassen, davon gelang 74 Mitgliedern die Ausreise, einige kamen in den Konzentrationslagern um.

Bei der Bücherverbrennung 1933 gingen auch die Werke Sigmund Freud's in den Flammen unter. Die DPG musste ihren Namen aufgeben und die Mitglieder sich in das März 1936 errichtete Deutsche Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie, unter der Leitung von Matthias Heinrich Göring („Göring-Institut“), eingliedern lassen. 1938 wurde die DPG auf Behördenanweisung offiziell aufgelöst.

Einige verbliebene Mitglieder zeigten eine ideologische Konformität in Hinblick auf die „Neue Deutsche Seelenkunde“. Es war Bestreben von Harald Schultz-Hencke die Unterschiede, die sich bei Freudianer, Adlerianer, Jungianern und weiterer Lehrmeinungen, gebildet hatten, sich wieder näher kommen zu lassen. In dieser Zeit entwickelte er auch seine Neopsychoanalyse (Neoanalyse), die Anhänger als auch Gegner bei den orthodoxeren Freudianern fand. Am Deutschen Institut waren auch Felix Boehm und Carl Müller-Braunschweig beschäftigt.

Seit 1945

Die DPG wurde 1945 als „Berliner Psychoanalytische Gesellschaft“ unter dem Vorsitz von Carl Müller-Braunschweig wieder begründet und hat ihren Sitz in Berlin. Erst 1950 ließen die Alliierten den ursprünglichen Namen Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft wieder zu. In dieser Gesellschaft entstanden schwere Auseinandersetzungen zwischen der Gruppe um Müller-Braunschweig und der neoanalytischen Gruppe um Schultz-Hencke.

1951 spaltete sich die Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (DPV) unter Carl Müller-Braunschweig von der DPG ab.

In den nächsten Jahrzehnten erfolgte eine Aufarbeitung der Zeit ab 1933. Diese Aufarbeitung war notwendig, da auch die persönliche Integrität von Mitgliedern angezweifelt wurde.

Die Gesellschaft war zwar Nachfolger der ersten Zweigvereinigung der 1910 gegründeten Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPV), auf dem ersten internationalen Nachkriegskongress der IPV 1949 in Zürich wurde die DPG jedoch nur vorläufig wieder aufgenommen. Seit dem internationalen Kongress der IPV 2001 in Nizza ist sie wieder Zweigvereinigung der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung.

Die psychoanalytischen Positionierungen wurden 1975 auf einer Jubiläumstagung der DPG behandelt.[2]

Vorsitzende der DPG

Ausbildungsinstitute der DPG

  • Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Siegen-Wittgenstein, Bad Berleburg
  • Institut für Psychoanalyse, Psychotherapie und Psychosomatik Berlin, Weiterbildungsstätte der DPG
  • Psychoanalytisches Institut Berlin (PaIB)/Fachrichtung Psychoanalyse am Institut für Psychotherapie Berlin (IfP)
  • DPG-Institut am BIPP (Berlin)
  • Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Ostwestfalen, Halle/Westfalen
  • Institut für Psychoanalyse Frankfurt am Main
  • Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Freiburg, Freiburg im Breisgau
  • Lou Andreas-Salomé Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Göttingen
  • Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Hamburg
  • Lehrinstitut für Psychoanalyse und Psychotherapie Hannover
  • Institut für Psychoanalyse Heidelberg
  • Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Kassel
  • Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Magdeburg e.V.
  • Institut für Psychoanalyse Nürnberg
  • Saarländisches Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie, Saarbrücken
  • Institut für Psychoanalyse Stuttgart

Siehe auch

Literatur

  • Regine Lockot: Die Reinigung der Psychoanalyse : die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft im Spiegel von Dokumenten und Zeitzeugen (1933-1951). Edition Diskord, Tübingen 1994, ISBN 3-89295-583-2.
  • Michael Ermann: Verstrickung und Einsicht : Nachdenken über die Psychoanalyse in Deutschland. Edition Diskord, Tübingen 1996, ISBN 3-89295-613-8.

Einzelnachweise

  1. International Dictionary of Psychoanalysis : Germany, Regine Lockot. Englisch, abgerufen am 14. Februar 2011
  2. Tagungsband: Psychoanalyse heute : Theorie und Praxis in ihren Grundzügen; Ergebnisse der Jubiläumstagung vom 10. - 12. Oktober 1975 in Freiburg i. Br. der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (gegr. 1910); mit Beträgen von 37 Mitarbeitern. Hippokrates-Verlag, Stuttgart 1977, ISBN 3-7773-0414-X.

Weblinks


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