- Vietnamesen in Deutschland
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Die Vietnamesen in Deutschland (auch Deutschvietnamesen, vietnam. Người Việt tại Đức) sind eine der zahlenmäßig kleineren Zuwanderergruppen in der Bundesrepublik.
Inhaltsverzeichnis
Überblick
Ende 2009 lebten knapp 85.000 vietnamesische Staatsbürger in Deutschland.[1] Hinzu kommen die zahlenmäßig nicht genau bekannten Gruppen, die die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben und derer, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Insgesamt wird von etwa 100.000[2] bis 125.000[3] Menschen vietnamesischer Abstammung in Deutschland ausgegangen. Die Zahl der Vietnamesen, die die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben, wird auf über 40.000 geschätzt.[3]
Menschen mit vietnamesischem Migrationshintergrund gelten heute als eine der am besten integrierten Einwanderergruppen in Deutschland.[4] Ein kleiner Teil der vietnamesischen Gemeinde in Deutschland gehört den Hoa an, der chinesischen Minderheit in Vietnam.
Geschichte
Größere Zahlen an vietnamesischen Zuwanderern kamen erst ab den 1970er-Jahren in das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland, nachdem sich die Bundesregierung bereit erklärt hatte, im Anschluss an die erste sogenannte Indochina-Flüchtlingskonferenz des UNHCR im Juli 1979 vietnamesische Flüchtlinge (darunter viele Boat People) aufzunehmen. Das Kontingent für die Flüchtlinge wurde sukzessive auf rund 38.000 Personen aufgestockt. Ebenso wurden einige Hundert vietnamesische Kinder (zumeist Kriegswaisen) von westdeutschen Familien adoptiert [5][6].
Vietnamesen waren auch eine der wenigen Zuwanderer-Gemeinden, die in der Deutschen Demokratischen Republik lebten. Schon in den 1950er-Jahren wurden Studenten aus Nordvietnam in die DDR eingeladen, ab 1973 wurde die Kooperation zwischen den beiden Staaten weiter ausgebaut und etwa 10.000 Vietnamesen, meist Angehörige der sozialen Oberschicht, wurden in Ostdeutschland ausgebildet. Nach dem Ende des Vietnamkriegs, der Wiedervereinigung von Nord- und Südvietnam und der Gründung der Sozialistischen Republik Vietnam wurden schließlich auch Menschen aus ganz Vietnam in die DDR eingeladen, die damals als besonders fortschrittlicher kommunistischer Staat galt.
Bis 1989 hatten schließlich mehr als 100.000 Vietnamesen permanent oder zeitweise in der DDR studiert, gelebt oder gearbeitet, insbesondere in Ost-Berlin, Rostock, Erfurt, Jena, Karl-Marx-Stadt (Chemnitz), Leipzig und Dresden. Viele von ihnen waren als Vertragsarbeiter aus dem „sozialistischen Bruderland“ Vietnam angeworben worden. Bis 1989 stieg die Zahl der dauerhaft in Ostdeutschland lebenden Vietnamesen auf fast 60.000 an.[7] Bis zu diesem Zeitpunkt waren nach Westdeutschland ebenfalls zwischen 30.000 und 40.000 Menschen aus Vietnam eingewandert.[7]
Nach der deutschen Wiedervereinigung stieg die Arbeitslosigkeit in den ostdeutschen Bundesländern jedoch rasant an, wovon auch viele vietnamesische Vertragsarbeiter betroffen waren. In der schwierigen Zeit nach der Wende kam es auch gelegentlich zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen und Diskriminierungen, die unter anderem in den Vorfällen von Rostock-Lichtenhagen gipfelten. Die Bundesregierung bot den damals in Ostdeutschland lebenden Vietnamesen an, die Kosten für eine Rückreise in ihre Heimat zu übernehmen, dennoch entschied sich der Großteil von ihnen zu bleiben.[4] Auch nach der Wiedervereinigung setzte sich die Einwanderung aus Vietnam nach Deutschland fort.
Heute gelten Vietnamesen als eine der am besten integrierten Einwanderer-Gruppen in Deutschland. Schüler vietnamesischer Abstammung schneiden oft weitaus besser ab als Deutsche ohne Migrationshintergrund, so besuchen mehr als 50% der vietnamesischen Schüler in Deutschland ein Gymnasium (autochthone Deutsche 35%).[8] Während die Elterngeneration oft noch Asia-Märkte oder Restaurants betreibt, können viele jüngere Vietnamesen studieren und vielen gelingt der soziale Aufstieg. Seit Jahren gehört Vietnam auch zu den zehn Ländern mit der höchsten Anzahl an Asylbewerbern in Deutschland.[4] Die Mehrheit der Deutschvietnamesen bekennt sich heute zum Mahayana-Buddhismus, es gibt jedoch auch kleinere christlich-katholische[9] und atheistische bzw. agnostische Minderheiten. Für die vietnamesischen Buddhisten in Deutschland wurde im Jahr 1991 in Hannover die Viên Giác Pagode, eine der größten Pagoden in Europa, eröffnet.
Größere vietnamesische Gemeinden finden sich heute insbesondere in Rostock, Leipzig, Dresden, Erfurt, Berlin, München und Hannover. Alleine in Berlin leben zwischen 20.000 und 40.000 Menschen vietnamesischer Abstammung.[10]
Bekannte Menschen vietnamesischer Abstammung in Deutschland
- Chi Le, Schauspielerin
- Kien Nghi Ha, Autor und Politologe
- Christopher Nguyen, Fußballspieler
- Marcel Nguyen, Kunstturner
- Jenny-Mai Nuyen, Fantasy-Autorin
- Minh-Khai Phan-Thi, Schauspielerin, Moderatorin und Filmemacherin
- Philipp Rösler, Wirtschaftsminister und Vizekanzler
- Hàn Thế Thành, Informatiker
- Trinh Quoc Tien, Mediziner
Siehe auch
Literatur
- Martin Baumann: Migration – Religion – Integration: Buddhistische Vietnamesen und hinduistische Tamilen in Deutschland. Marburg: Diagonal Verlag 2000, ISBN 978-3-927165-67-0
- Uta Beth, Anja Tuckermann: Heimat ist da, wo man verstanden wird: Junge VietnamesInnen in Deutschland. Berlin: Archiv der Jugendkulturen 2008, ISBN 978-3-940213-43-3
- Olaf Beuchling: Vom Bootsflüchtling zum Bundesbürger. Migration, Integration und schulischer Erfolg in einer vietnamesischen Exilgemeinschaft. Münster: Waxmann Verlag 2003, ISBN 3-8309-1278-1
- Olaf Beuchling: Vietnamesische Flüchtlinge in West-, Mittel- und Nordeuropa seit den 1970er Jahren. In: Klaus J. Bade, Pieter C. Emmer, Leo Lucassen & Jochen Oltmer (Hrsg.): Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Paderborn, München: Schöningh & Fink 2008, S.1072-1076, ISBN 9-783506-75632-9.
- Loc Ho: Vietnamesischer Buddhismus in Deutschland: Darstellung der Geschichte und Institutionalisierung. Hannover: Vietnamesisch-Buddhistisches Sozio-Kulturzentrum 1999
- Karin Weiss, Mike Dennis: Erfolg in der Nische?: Die Vietnamesen in der DDR und in Ostdeutschland. Berlin etc.: LIT Verlag 2005, ISBN 978-3-825887-79-7
Einzelnachweise
- ↑ Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 2009
- ↑ Süddeutsche: Vietnamesen in Deutschland: "Nur Bildung führt weg vom Reisfeld"
- ↑ a b Bernd Wolf (2007): The Vietnamese diaspora in Germany; Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit
- ↑ a b c die tageszeitung, 22. Januar 2010: Vietnamesen in Deutschland - Unauffällig an die Spitze
- ↑ Beuchling (2003): Vom Bootsflüchtling zum Bundesbürger. Migration, Integration und schulischer Erfolg in einer vietnamesischen Exilgemeinschaft. Münster: Waxmann,S.46-53
- ↑ Beuchling (2008): Vietnamesische Flüchtlinge in West-, Mittel- und Nordeuropa seit den 1970er Jahren. In: Klaus J. Bade et al. (Hrsg.) Enzyklopädie Migration in Europa. Paderborn & München: Schöningh & Fink 2008, S.1072ff.
- ↑ a b Hillmann, Felicitas (2005), "Riders on the storm: Vietnamese in Germany's two migration systems", in Spaan, Ernst; Hillmann, Felicitas; van Naerssen, A. L., Asian Migrants and European Labour Markets Patterns and Processes of Immigrant Labour Market Insertion in Europe, Routledge, pp. 80–100, ISBN 0-415-36502-3
- ↑ Die Zeit: Integration: Das vietnamesische Wunder
- ↑ Baumann, Martin (2000), Migration—Religion—Integration: Buddhistische Vietnamesen und hinduistische Tamilen in Deutschland, Marburg: Diagonal Verlag, ISBN 978-3-927165-67-0
- ↑ RBB Online: Kulturen: Vietnamesen in Berlin
Weblinks
- Vietnamesischer Verein Diên Hông - Gemeinsam unter einem Dach e.V.
- Freia Peters: Die besten deutschen Schüler stammen aus Vietnam, Welt Online. 6. Februar 2011.
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