Die Reise (Romanessay)

Die Reise (Romanessay)

Die Reise ist ein unvollendeter Romanessay von Bernward Vesper. Das aus Aufzeichnungen und Notizen collagierte Buch wurde durch seinen autobiografischen Charakter ein wertvolles Zeitdokument der 68er-Generation. Bernward Vesper setzte sich darin u.a. mit seinem Vater, dem NS-Dichter Will Vesper, und seiner ehemaligen Lebensgefährtin Gudrun Ensslin auseinander.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Der Buchtitel Die Reise ist als mehrdeutiges Motto zu verstehen. Einerseits sollte eine reale Reise den Hintergrund des Buches abgeben, gleichzeitig sollte die persönliche Entwicklung Vespers als eine Art Lebensreise verstanden werden. Außerdem ist mit Reise auch der bewusstseinsverändernde Drogentrip gemeint; als einer der ursprünglichen Buchtitel war TRIP im Gespräch.

Der Autor Bernward Vesper trat am 23. August 1968 mit einem Schreiben an den März-Verlag heran, in dem er die Hinschrift eines Romanessays ankündigte. Dieses sollte einen 24-stündigen LSD-Trip schildern, in dessen Verlauf sowohl „Aufzeichnungen aus der momentanen Wahrnehmung“ auftauchen als auch Reflexionen über die zurück liegenden 30 Jahre im Leben des Verfassers. Diese erste Niederschrift sollte dann in weiteren Trips mithilfe von Tonbändern umdiktiert werden, „bis eine endgültige Form erreicht ist“. Das ambitionierte Projekt verzögerte sich nicht zuletzt durch den Verlust von Vespers Zurechnungsfähigkeit im Februar 1971. Er sei, nach eigenen Worten, „langsam ausgeflippt“.[1] In diesem Zusammenhang wurde er zur Beobachtung in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen, wo er sich dann im Mai 1971 das Leben nahm. Der Verleger des März-Verlages Jörg Schröder editierte 1977 das unveröffentlichte Manuskript und besorgte auch die Ausgabe letzter Hand.

Form

Das Buch weist keine durchgehende Handlung auf. Es besteht aus einer Aneinanderreihung von Kindheitserinnerungen, Anekdoten, als „Eigener Bericht“ bezeichneten Abschnitten und subjektiv-politischen Einschätzungen der Situation in Deutschland, Erlebnissen auf LSD, Meskalin und Haschisch. Bestimmte Abschnitte wurden laut eigener Angabe unter Einfluss von Haschisch verschiedener Qualitäten aufgeschrieben („Schwarzer Afghan, Grüner Türkischer, Grüner Libanon, Roter Libanon, Schimmel-Shit von P.“). Der Erzählton wechselt zwischen poetisch und politisch, zwischen ironisch und wutentbrannt. Der Großteil der Texte ist in der Erzähltechnik des Bewusstseinsstroms niedergeschrieben.

Rezeption

Das Buch bekam nach seinem Erscheinen 1977 eine große Aufmerksamkeit, mit der anfangs nicht zu rechnen gewesen war. Grund war der Gruppenselbstmord von RAF-Mitgliedern in Stammheim im Deutschen Herbst. Unter den Toten war auch Vespers ehemalige Lebensgefährtin Gudrun Ensslin und deren damaliger Lebenspartner Andreas Baader.

„In seinem individuellen Schreiben spiegelt sich das kollektive Scheitern jener Generation wider, die Mitte der sechziger Jahre aufbrach, die versteinerte Gesellschaft der westlichen Industriestaaten zu verändern und die heute, wie es scheint, mit wenig mehr als der ohnmächtigen Hoffnung in leeren Händen dasteht.“

Uwe Schweikert in der Frankfurter Rundschau, Klappentext der Ausgabe bei Zweitausendeins

1986 drehte Markus Imhoof eine freie Adaption des Buches unter dem gleichen Titel.

Einzelnachweis

  1. Jörg Schröder (Hg.): Editions-Chronologie I (Korrespondenz mit dem März-Verlag) in: Die Reise. Romanessay. Ausgabe letzter Hand. März bei Zweitausendeins, Berlin: 1977, S. 600-624.

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